Liebe während des Zweiten Weltkrieges – Als eine Luxemburgerin einen französischen Soldaten heirateten

Liebe während des Zweiten Weltkrieges –  Als eine Luxemburgerin einen französischen Soldaten heirateten

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Kriege schreiben mitunter ganz eigene Geschichten. Der Zweite Weltkrieg bildet in der Hinsicht keine Ausnahme. Ein paar Monate bevor Nazideutschland Luxemburg überfiel, gab es in Differdingen eine Trauung der ganz besonderen Art.

Von Roby Fleischhauer

Am 30. Januar 1940 heiratete eine Frau aus Differdingen, Marie-Madeleine Krippler, einen französischen Marinesoldaten, Amédée Residori. Beide hatten nicht das Recht, die Grenze zu überschreiten.

Die Trauung fand in der Nähe von Hussigny an der Grenzscheide zu Frankreich statt. Der Differdinger Schöffe Goerres nahm sie vor. Die französische Militärbehörde und Zollbeamte überwachten die Zeremonie. Von einer gemeinsamen Hochzeitsnacht konnte das frisch vermählte Paar nur träumen, denn jeder begab sich nach der Zeremonie wieder dorthin, wo er hergekommen war.

Widerstand innerhalb der Familie

Man sprach von einer „Kriegstrauung“, wie sie oft im Ersten und Zweiten Weltkrieg vorgenommen wurde. In diesem Fall hatte der Zweite Weltkrieg allerdings hierzulande noch nicht richtig begonnen. Es handelte sich um die unsicheren Wochen vor dem Krieg, als alles auf der Kippe stand, die sogenannte „drôle de guerre“.

Ein französischer Soldat in Luxemburg hätte die damals stark betonte Neutralität des Landes infrage gestellt. Deutschland hätte sogleich Luxemburg den Krieg erklären können. Man kann davon ausgehen, dass die französischen Behörden eine Einreise von Marie-Madeleine Krippler nicht gestattet hätten, weil damals die Angst vor Spionen groß war.
Eine Luxemburgerin, die einen französischen Soldaten heiratet, war ihnen verdächtig, insbesondere weil viele Franzosen die Luxemburger damals als „boches“ ansahen. Die deutschfreundliche Haltung der Großherzogin Marie-Adelheid im Ersten Weltkrieg hallte immer noch nach.

Trauungen innerhalb kürzester Zeit

Sogenannte „Kriegstrauungen“ konnten innerhalb kürzester Zeit vollzogen werden, damit der Soldat so schnell wie möglich wieder an die Front gelangte, wo man ständig mit seinem Tode rechnen musste. Daneben gab es im Zweiten Weltkrieg noch die „Ferntrauung“, die in Abwesenheit des Partners vollzogen werden konnte, und die „Leichentrauung“, die stattfinden konnte, nachdem der bisher in „wilder Ehe“ lebende Soldat gefallen war. Auf diese Weise war die soziale Absicherung der Frau und des Nachwuchses gewährt. Ferner gab es auch die „Totenscheidung“ für „unwürdige Kriegerwitwen“.

Der Autor dieser Zeilen hatte die Gelegenheit, Antoine Residori, den Sohn der unter diesen Umständen vermählten Eheleute, ausfindig zu machen. Sein Vater Amédée Residori war Franzose italienischer Abstammung. Er hatte vor dem Krieg in Differdingen im Hochofenbetrieb gearbeitet. Bei Kriegsausbruch meldete er sich freiwillig zur französischen Marine, wurde U-Boot-Fahrer und war in Toulon stationiert. Er hatte schon Jahre vorher ein Verhältnis mit Marie-Madeleine und war bereits Vater eines Sohnes, der 1938 zur Welt kam, und einer Tochter, die 1939 geboren wurde.

Widerstand in der Familie

Eine Heirat war hauptsächlich wegen des Widerstandes innerhalb der Familie nicht möglich. Jetzt, als Soldat, schien er seine Partnerin endlich über eine Kriegstrauung heiraten zu können. Die Trauung konnte in der Nähe des „Bache Jang“, einem Café-Restaurant zwischen Differdingen und Hussigny vollzogen werden.

Es sollte Marie-Madeleine jedoch nicht gegönnt sein, ihren Ehemann wiederzusehen. Sie verstarb am 3. September 1942 infolge einer Lungenentzündung. Sie wohnte mit Mutter und Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf dem „Rollesberg“, weit entfernt von der Ortschaft. In dem Haus gab es weder fließendes Wasser noch Strom. Sie musste das Wasser von einem Hydranten der Gemeinde bis zum Haus schleppen und zog sich dabei diese damals tödliche Krankheit zu.

Mutter war als „passeur“ tätig

Nach dem Krieg arbeitete Amédée Residori als Bergmann auf „Renkert“. Sein Sohn Antoine und seine Tochter Marie-Thérèse wurden von der allein lebenden Großmutter Thérèse Lambert, vormals Krippler, groß gezogen. „Si woar keng bong“, sagt Antoine Residori heute. Die Erziehung sei hart gewesen. Während der Besatzungszeit brachte Thérèse Lambert als „passeur“ insgesamt 98 Flüchtlinge, Deserteure und von der Gestapo Gesuchte über die Grenze nach Frankreich. Nach dem Krieg erhielt sie vom Luxemburger und vom französischen Staat dafür eine Auszeichnung.

„Einmal hatte sie vier russische Zwangsarbeiter in ihrem Haus versteckt“, erzählt Antoine Residori. „Nachts steckte sie die Flüchtlinge zusammen mit mir ins ‚Reetshaischen‘, damit ich nichts verraten konnte.“ Mehrmals übernachtete die Familie in einem Erzstollen, um der Gestapo zu entgehen. Thérèse Lambert besaß auch eine Pistole, mit der sie ohne zu zögern auf die deutsche Besatzer geschossen hätte, sagt Antoine.

Die Befreiung durch die Amerikaner rettete die Familie vor der Verhaftung. Nachträglich betrachtet ist Thérèse Lambert eine dieser stillen Heldinnen, die sich auch nach diesen schlimmen Jahren nicht bemerkbar machten. Die Kriegstrauung von Marie-Madeleine Krippler und Amédée Residori auf dem Differdinger Berg über die Grenzlinie hinweg wird indes wohl einzigartig bleiben.