Leidenschaft pur – Escher Boule-Klub profitiert vom Boom

Leidenschaft pur – Escher Boule-Klub profitiert vom Boom

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Seit 1982 ist der heute an die 100 Mitglieder zählende Boule-Pétanque-Klub „B.P. Clair-Chêne“ im gleichnamigen Stadtwäldchen zwischen Esch und Belval beheimatet. Er hat in diesem Jahr den sportlichen Aufstieg in die erste Division geschafft. Ob als Sportklub oder als Anlaufstelle für Freizeitspieler – er ist fest im Viertel verwurzelt und verkörpert gelebte Integration. So spielt er eine wichtige Rolle für die soziale Kohäsion des von der Bevölkerung her sehr gemischten Stadtteils.

Von Christiane Wagner

Eine friedliche Oase mitten im Wald. Als wir den verschlungenen Waldweg hochgehen, ist einzig das stählerne Klirren der Boule-Kugeln zu hören. Am Ende des Pfades öffnet sich eine helle Lichtung, auf der sich die großzügigen Spielfelder des alteingesessenen Klubs „Boule-Pétanque Clair-Chêne“ erstrecken. Gleich daneben befindet sich das Klubhaus mit seiner gemütlichen Terrasse. Erst vor Kurzem hat der Street-Art-Künstler Daniel Mac Lloyd dem Chalet einen frischen Look in Grün verpasst. Ein Boule-Spieler in Mannsgröße, Eichenblätter und das Logo des Vereins zieren nun die einst von Vandalen mit anstößigen Sprüchen verunstaltete Fassade. Etwas verwunschen sieht die von den Freiwilligen ausdauernd gepflegte Anlage aus. Dem Charme dieses Flecks, der von alten Bäumen umgeben ist, verfalle ich sofort.

Lächelnd kommt Präsident Jean-Paul Tintinger uns entgegen. „Vielen geht es wie Ihnen“, sagt er. „Als unser Klub im Jahr 1982 gegründet wurde, war dieser Wald noch viel größer. Heute ist er immer noch eine grüne Oase für die Bewohner des angrenzenden Stadtteils. Zu seiner Attraktivität trägt zweifellos auch unsere Anwesenheit bei. Das Klubhaus haben die Mitglieder in den Anfangsjahren mit eigenen Händen errichtet. Das Spielfeld, das sie vom Klub ‚Boule d’Or‘ übernahmen, brachten sie nach ihrer Schicht auf Vordermann.“ Während unserer Unterhaltung trudeln nach und nach die Spieler ein. Bald sind Dutzende Menschen verschiedener Nationalitäten – Luxemburger, Italiener, Portugiesen, Spanier, Ex-Jugoslawen und Franzosen – in eine erste Partie Boule vertieft. Man versteht sich hervorragend, auch wenn man sich als Außenstehende wie beim Turmbau zu Babel vorkommt.

Von elf auf 100 Mitglieder

„Der Klub wurde 1982 von elf Escher Boule-Spielern gegründet. Heute zählen wir an die 100 Mitglieder“, erzählt Tintinger. „Eine ganze Reihe sind Lizenzierte, die auch Meisterschaftsspiele bestreiten. Wir sind dementsprechend sportlich ausgerichtet. Das hat aber Tradition. Seit seiner Gründung hat sich der ‚Boule-Pétanque Clair-Chêne‘ immer an den Luxemburger Meisterschaften beteiligt und auch internationale Turniere bestritten. Wir haben dieses Jahr die Boule-Szene hierzulande aufgemischt und werden nächstes Jahr in der ersten Division spielen.“ Doch der „B.P. Clair-Chêne“ habe sich keinesfalls exklusiv dem Sport verschrieben. Viele der Mitglieder würden sich als Freizeitspieler vergnügen. Eines sei aber klar: Alle, sowohl die Hobbyspieler als auch die Turnierspieler, seien mit größter Leidenschaft bei der Sache. Wer einmal auf das Schweinchen ziele, würde vom Boule-Virus befallen. Das erkläre dann vielleicht zum Teil den Zulauf, den das Pétanque- und Boulespiel momentan erleben.

Eben gesellen sich vier Hobbyspieler, Sonja Diederich, Joe Diederich, Marie-Josée Hein und Roberte Falchero, zu uns. „Wir kommen wöchentlich einmal zum Spielen. Wir schätzen die angenehm schattige Lage der Spielfelder, die Ruhe des Waldes, aber auch das gesellige Zusammensein. Dieser Klub hat einen sehr starken Zusammenhalt und jede Gelegenheit wird genutzt, um gemeinsam zu feiern, zu grillen oder gemütlich zu plaudern.“ Ein weiterer Spieler, der stolz die neue Klub-Uniform trägt, kommt angeschlendert. Es ist Patrizio Belpassi, der erst in diesem Jahr zum Klub gestoßen ist. „Ich wollte in der Meisterschaft mitspielen, und zwar in einem Klub, in dem Freundschaft, Fairness und geselliges Zusammensein großgeschrieben werden. Das alles habe ich beim ‚Boule-Pétanque Clair-Chêne‘ gefunden“, verrät uns der Pétanque-Spieler.

Bescheidene Wünsche

Als Jean-Paul Tintinger vor einem Jahr den Posten des Präsidenten übernahm, hatte er sich zum Ziel gesetzt, die talentierte Mannschaft zu motivieren und somit zu höheren sportlichen Ehren zu führen. „Mit dem Aufstieg in die erste Division ist mir dies gelungen. Die Spieler geben alles und wir sind jetzt in unserer Sportsparte ein ernst zu nehmender Klub. Des Weiteren wollte ich unsere Anlage verbessern und verschönern. Die ‚Buvette‘ wurde durch eine Terrasse wiederbelebt und das Klubleben durch regelmäßige Feste aufgepeppt. Ein erster wichtiger Schritt ist gemacht. Mein Dank gebührt allen freiwilligen Helfern, denen eine Stunde nie zu spät oder zu früh ist.“

Nun warte der Klub mit Zuversicht auf die Pläne der Gemeinde zur Aufwertung des Clair-Chêne-Waldes. Es sei wichtig, dass der Klub die bestehende Fläche behalte. Ein eventuell entstehender Spielplatz solle abgesichert und die Pétanque-Anlage durch einen eigenen Zugang bedient werden. „Die Boule-Kugeln sind fast 1 kg schwer. Das ist für herumlaufende Kinder gefährlich und macht das Trainieren für die Spieler unmöglich“, so Tintinger. Eine an die Waldlandschaft angepasste Halle würde es den Mitgliedern erlauben, auch im Winter zu trainieren oder ihrem Hobby zu frönen.“

Der soziale Gedanke

Maria Carvalho, Vorstandsmitglied und Inhaberin des Klubsitzes „Café au Viaduc“, betont, dass der B.P. Clair-Chêne als „Quartiersclub“ gegründet wurde und seinen familiären Charakter bis heute behalten konnte. Der Klub sei immer fester Bestandteil des Viertels, ein harmonischer Treffpunkt der unterschiedlichsten Nationalitäten, gewesen. Heute sei er ein Paradebeispiel gelebter Integration. „René Hoffmann, ein Schmelzarbeiter, war der eigentliche Initiator“, so Maria Carvalho. „Hinter seiner Idee steckte ein sozialer Gedanke. Ihm schwebte vor, den Jugendlichen und jungen Leuten des Viertels eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu bieten.“

Die Bevölkerung des Viertels habe damals hauptsächlich aus Schmelz- und Bauarbeitern bestanden. Beim Boule-Spiel sollten auch sie sich nach ihrer schweren Arbeit entspannen und zusammenfinden können. Zudem sollte ihnen der Zugang zu einer sportlichen Aktivität auf einfache Art und Weise ermöglicht werden. Für Essen war stets gesorgt und als Einstiegsgeschenk gab es ein Set Boule-Kugeln. Diesem sozialen Gedanken sei nun kürzlich neues Leben eingehaucht worden, so die passionierte Spielerin. In der Tat hat die „Fédération luxembourgeoise de boules et de pétanque“ den Klub damit betraut, den Kindern und Jugendlichen der umliegenden Schulen und Betreuungseinrichtungen Schnupperkurse anzubieten.

Es ist später Nachmittag geworden. Inzwischen hat sich neben dem Spielfeld auch die Terrasse gut gefüllt. Man kommt vorbei, um Neuigkeiten auszutauschen, ein kühles Bier zu trinken und gemütlich zusammenzusitzen. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Und so verabschieden wir uns mit einem Gefühl des Bedauerns, aber auch in der Gewissheit, neue Freunde gefunden zu haben. Graffiti-Maler Mac Lloyd hat es nach seinem dreitägigen künstlerischen Abstecher treffend formuliert: „Hier fühle ich mich wie in einer großen harmonischen Familie!“