Kunst- und Musiktherapeuten kämpfen in der Grauzone um Anerkennung

Kunst- und Musiktherapeuten kämpfen in der Grauzone um Anerkennung

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Um den Berufsstand der non-verbalen Therapeuten ranken sich viele Ungereimtheiten. Einerseits ist der Erfolg von Kunst-, Musik-, Tanz- und Theatertherapien unbestritten und wissenschaftlich belegt. Andererseits sind sie staatlich nicht anerkannt. Ein Gespräch mit Vertretern des Berufsstandes zeigt, wie groß die Problemzonen sind.

An den positiven Wirkungen der musischen Therapieformen zweifelt eigentlich niemand mehr. „Wie viel Musiktherapie gerade bei Demenz, das ja gerade ein ‚In‘-Thema ist, helfen kann, ist belegt“, sagt Cathy Schmartz, die Präsidentin der „Gesellschaft fir Musiktherapie zu Lëtzebuerg“ (GML) mit rund 80 Mitgliedern. Erfolge und Fortschritte bei Krankheiten oder psychischen Störungen wie Tinnitus oder Autismus seien bewiesen, so Schmartz.

Studien zu dem Thema belegen dies. „Während einer Kunsttherapie kommen ganz viele Themen hoch, die die Patienten bei der Psychologin nicht ansprechen, weil ihnen die Wörter fehlen“, bestätigt auch Rebecca Bremin (26) aus ihrer noch jungen Berufserfahrung als Kunsttherapeutin. Die Pflegeeinrichtungen haben das längst erkannt. „Viele Krankenhäuser werben damit, Kunst- und Musiktherapie anbieten zu können“, sagt Maria d’Elia, die Präsidentin der „Association luxembourgeoise des art-thérapeutes diplômés“ (ALATD) mit rund 40 Mitgliedern. „Diese Möglichkeit zu haben wird als Mehrwert angesehen“, sagt sie.
Krankenkasse zahlt nicht

Dem steht die mangelnde Anerkennung dieser Berufe gegenüber. Sie sind vom Staat nicht offiziell anerkannt, die Tarife nicht geregelt, die Krankenkasse übernimmt die Leistungen nicht. Das hat Auswirkungen auf mehreren Ebenen. Viele Patienten können sich die non-verbale Therapie, die aus eigener Tasche bezahlt wird, nicht leisten. „Ich finde es höchst unbefriedigend, dass so viele Menschen mangels Anerkennung unserer Arbeit keinen Zugang dazu haben“, sagt Schmartz, „diese Menschen haben oft nicht das Geld, uns zu bezahlen, obwohl wir helfen könnten.“ Die Therapeuten ihrerseits können von ihrer therapeutischen Arbeit alleine nicht leben. Sie brauchen ein zweites berufliches Standbein. „In einem Beruf, der nicht anerkannt ist, kann nicht eingestellt werden, so einfach ist das“, fasst Schmartz die Lage zusammen. Ihr zweites Standbein ist eine Festanstellung als Psychologin. Als Musiktherapeutin arbeitet sie freiberuflich in einer Praxis mit. In beiden Berufen hat sie mehrjährige Studien abgeschlossen.

Auch Rebecca Bremin sucht lange nach Arbeit. Nach vier Jahren Studium an der „Hochschule für Künste im Sozialen“ im deutschen Ottersberg und einem „Bachelor of Arts“ in der Tasche klopft sie wieder zurück in Luxemburg an viele Türen. „Interesse war da, aber auch direkt die Frage, was machen wir mit dir? Sprich: Wie bezahlen wir dich?“ Mittlerweile arbeitet sie als Freelancer und Teil des „Service psycho-social“ einen Tag in der Woche im „Centre de réhabilitation“ in Colpach. Krebspatienten und Menschen, die gerade einen Unfall oder Schlaganfall hinter sich haben und sich ins Leben zurückkämpfen, sind ihre Klientel. Bezahlt wird sie nicht von „Centre“ sondern von der „Fondation La Violette“.
Maria d’Elia (55) und Isabelle Toussaint Dartevelle (58) hingegen haben Glück gehabt. D’Elia hat eine feste Stelle als Kunsttherapeutin am „Hôpital Robert Schuman“. Sie bewirbt sich, als das Krankenhaus über von der „Caisse de maladie“ genehmigte Mittel für nichtmedizinisches Personal verfügt, und rutscht so rein. „Ich bin wahrscheinlich einer der ganz wenigen Fälle, die entsprechend ihrer Ausbildung bezahlt werden“, sagt sie. Ihren „Master of Arts“ hat sie als Aufbaustudium über zwei Jahre in den USA abgelegt. Ein Magisterstudium in den Fächern Kunsterziehung, Kunstgeschichte und Psychologie an der Universität München ging dem voraus.

Toussaint Dartevelle betreibt eine eigene Schule für musikalische Früherziehung, als die „Education différenciée“ (Ediff) an sie herantritt. Die in Frankreich ausgebildete Musiklehrerin mit einer dreijährigen Zusatzausbildung als Musiktherapeutin schließt die Schule, um bei der Ediff mitzuarbeiten, und unterrichtet parallel, das ist das zweite Standbein, am Konservatorium in der „Stad“. Der Kampf um Anerkennung dauert schon länger. Das zeigt ein Brief, den der damalige Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo (LSAP), heute Parlamentspräsident, im November 2012 an die ALATD schreibt. Er schreibt, dass Luxemburg nicht Vorreiter in der Anerkennung dieser Therapieformen sein will und begründet das zum einen mit der Größe des Landes und einer fehlenden „kritischen Masse“ von Wissenschaftlern und Bildungseinrichtungen für profunde Studien zu dem Thema.

Verankerung in Fortbildungen

Di Bartolomeo schreibt auch, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen ist, diese Therapieformen offiziell anzuerkennen. Das war vor sechs Jahren. Mittlerweile hat sich etwas getan. Gerade erst im Juni dieses Jahres hat das Familienministerium ein Fortbildungsangebot für Altenpfleger aufgelegt. Die 45-stündige Weiterbildung sieht mindestens achtstündige oder auf mehrere Tage angelegte Module für Kunst- bzw. Musiktherapie vor.

Das lässt diejenigen, die mehrjährige Studiengänge an renommierten Bildungseinrichtungen im Ausland absolviert haben, aufhorchen. Es entsteht der Eindruck, als könne man damit über mehrere Jahre ausgebildete Therapeuten ersetzen. „Wir haben es mit Menschen zu tun, die die Kontrolle über sich und ihr Leben verloren haben“, sagt Schmartz, „und ich frage mich, hat man nach so einem Modul wirklich das nötige Handwerkszeug für eine Therapie?“ Allerdings kommt die Integration dieser Therapieformen in eine Weiterbildung im Bereich „Psycho-gériatrique“ einer indirekten Anerkennung gleich.

Luxemburg steht mit der Nichtanerkennung dieser Berufsgruppe nicht allein da. Außer Österreich, Serbien, Großbritannien und den baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen hat bislang kein anderes europäisches Land die künstlerisch arbeitenden Therapeuten als eigenständige Berufe anerkannt.

Egal, wie man es dreht und wendet, es scheint wirklich so zu sein, wie Rebecca Bremin es formuliert: „Die Menschen sind offen dafür, aber das System nicht.“