Kopf des Tages: Joshua Wong stellt sich als Student gegen eine Supermacht

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Joshua Wong war gerade 17 Jahre alt, als das Time-Magazin ihn zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt erklärte. Mit seiner hageren Figur und dem ernsten Gesichtsausdruck entspricht der heute 22-Jährige zwar nicht dem Prototyp eines Charismatikers.

Doch Wong schaffte, was vor ihm noch keinem Hongkonger Teenager gelungen war: 2014 mobilisierte er in der „Regenschirm-Revolution“ Hunderttausende Studenten für den Protest gegen den wachsenden Einfluss Pekings und für freie Wahlen in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Für seinen Mut, sich der Supermacht China entgegenzustellen, wurde Wong international gefeiert.

Die Magazine Time, Fortune und Foreign Policy berichteten über das „Gesicht der Protestbewegung“, die Netflix-Doku „Teenager vs. Superpower“ widmete sich Wongs Engagement. Trotz seines bescheidenen Auftretens dürfte diese Charakterisierung auch dem Selbstbild Wongs entsprechen.

Mit der Geschichte von David gegen Goliath hat der 1996 in

ein christliches Elternhaus geborene Wong seinen friedlichen Feldzug gegen das übermächtige Peking verglichen, den er im zarten Alter von 13 Jahren mit einer Demonstration gegen eine Schnellzugverbindung zwischen Hongkong und Festland-China begonnen hatte. Mit 15 Jahren versammelte er erstmals die Massen hinter sich. 120.000 junge Menschen protestierten damals an seiner Seite gegen ein pro-chinesisches Bildungsprogramm.

Zehn Tage lang blockierten die Jugendlichen Hongkongs Parlament, dann ließ die Regierung das Programm fallen. Es war Wongs vielleicht größter Erfolg. Denn so groß die internationale Aufmerksamkeit gegenüber der „Regenschirm“Bewegung auch war: Die studentischen Proteste, die Wong 2014 an der Seite von Nathan Law und Alex Chow anführte, verliefen erfolglos. Peking blieb übermächtig, Wong kam ins Gefängnis.
Ob seine vorzeitige Haftentlassung gestern als versöhnliches Signal von Hongkongs Behörden an die Demonstranten zu werten ist, die derzeit zu Hunderttausenden gegen die Peking-treue Regierung auf die Straße gehen, blieb zunächst offen. Fest steht, dass die Haft Wong nicht verstummen ließ.

Kurz nach seiner Freilassung forderte Wong Regierungschefin Carrie Lam zum Rücktritt auf und kündigte an, „mit allen Hongkongern das bösartige Auslieferungsgesetz zu bekämpfen“. Das inzwischen auf Eis gelegte Gesetzesvorhaben sieht Auslieferungen nach Festland-China vor. Wongs Freilassung könnte die aktuelle Protestbewegung verändern, die bisher ohne Führungspersönlichkeit ist.

Noch aus dem Gefängnis schrieb Joshua Wong in einem Time-Beitrag vergangene Woche, sein „Mangel an Freiheit sei ein Preis“, den er „aus Liebe für seine Stadt“ zu zahlen bereit gewesen sei. Fraglich ist, ob er sich als Führungsfigur der neuen Protestbewegung etablieren kann. Mit seiner Partei Demosisto wirbt er für mehr Selbstbestimmung in Hongkong, nicht aber für die Unabhängigkeit von China. Diese rote Linie Pekings übertritt auch Wong nicht.