Kopf des Tages: David-Maria Sassoli, Italiens „Mister Tagesschau“ wird Präsident des Europäischen Parlaments

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Das Europäische Parlament hat einen neuen Präsidenten: Bis diese Woche kannte den Italiener David-Maria Sassoli außerhalb seiner Heimat kaum jemand. Der 63-jährige Sozialdemokrat und frühere TV-Journalist wurde gestern zum Nachfolger seines konservativen Landsmanns Antonio Tajani gewählt.

Der Spitzenjob kam auch für ihn unverhofft. Erst am Dienstagabend stellte seine Fraktion Sassoli auf – und durchkreuzte damit die Pläne der Staats- und Regierungschefs im großen EU-Personalpoker. Sassoli ist seit 2009 im Europaparlament. Seit 2014 war er einer der 14 Vizepräsidenten der EU-Abgeordnetenkammer und dabei zuständig für den Haushalt und die Mittelmeer-Politik. Als Mitglied des Verkehrsausschusses war er zudem Berichterstatter für die europäische Eisenbahnreform.

Dass diese nach drei Jahren komplizierter Verhandlungen 2017 unter seiner Ägide abgeschlossen wurde, vermerkt der Italiener nicht ohne Stolz auf seiner Website. Als Mitglied der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) gehört er der Opposition in Italien an, wo eine Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega an der Macht ist. Geplant war die Wahl Sassolis von Rom nicht. Denn beim EU-Gipfel zur Vergabe europäischer Spitzenposten diese Woche war noch ein Sozialdemokrat aus Bulgarien für den Parlamentsposten vorgesehen. Sassoli stellte klar, dass er seine Wahl auch als Zeichen der Unabhängigkeit des Parlamentes sieht.

„Ich bin kein Mann des Rates“, sagte er nach seiner Wahl mit Blick auf die Vertretung der Mitgliedstaaten. „Ich komme aus den Reihen des Parlaments.“ Sassoli wurde am 30. Mai 1956 in Florenz in der Toskana geboren. Nach dem Studium der Politikwissenschaft arbeitete er als Journalist, zunächst für Zeitungen und Nachrichtenagenturen und dann für den öffentlich-rechtlichen italienischen Rundfunk. Er entwickelte sich schnell zum vertrauten Gesicht für Millionen Italiener, als er die Abendnachrichten im Sender Rai Uno präsentierte – eine Art italienischer „Mister Tagesschau“.

2007 wurde er auch stellvertretender Direktor des Nachrichtenprogramms TG1. Am Ende seines ersten Mandats im EU-Parlament versuchte Sassoli 2013 den Sprung in die italienische Politik. Er bewarb sich in den Vorwahlen seiner Partei für die Kandidatur des Bürgermeisters von Rom, musste dann aber einem Parteifreund das Feld überlassen. Als Journalist ist Sassoli auch noch heute tätig. „Ich arbeite immer noch aktiv mit verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften zusammen“, sagt er.

Er ist auch Mitautor eines Buches über das Vorgehen der italienischen Regierung während der Entführung des Politikers Aldo Moro, der 1978 von den Roten Brigaden ermordet wurde. Sassoli versprach seinen Kollegen gestern ein modernes, transparentes und bürgernahes Parlament. „Nichts ist ohne Menschen möglich, nichts ist dauerhaft ohne Institutionen“, zitierte er Jean Monnet, einen der Gründerväter der EU.