Kontroversen in Stein: Die Geschichten hinter den Monumenten der Stadt Luxemburg

Kontroversen in Stein: Die Geschichten hinter den Monumenten der Stadt Luxemburg

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Denkmäler und Gedenktafeln gibt es zur Genüge in Luxemburg-Stadt. Sie sind mehr als ein Andenken an eine Person und repräsentieren fast immer die Interessen derjenigen, die sie errichten ließen. Viele der hauptstädtischen Monumente waren Gegenstand von Kontroversen.

Das imposante Denkmal zu Ehren der Prinzessin Amalia (1830-1872) am Rande des Stadtparks unweit des Boulevard Prince Henri provozierte in seiner Planungszeit fast einen diplomatischen Vorfall. Amalia war die Ehefrau von Henri, dem damaligen „Prince Lieutenant du Roi Grand-Duc“, Bruder des holländischen Königs Guillaume III. Da sie bei der Bevölkerung sehr beliebt war, kam es kurz nach ihrem Tod zu einer Privatinitiative, um ein Monument zu ihren Ehren errichten zu lassen. Einerseits war es als Würdigung gedacht, andererseits als Eingang in den Park. So erhielt sie bereits 1876 ihr Denkmal, und das vor ihrem Schwiegervater Guillaume II – das Monument auf dem Knuedler wurde erst 1884 eingeweiht – und ohne jemals Herrscherin gewesen zu sein. Der damalige holländische König Guillaume III soll nicht sehr erfreut darüber gewesen sein.

Um weder den König noch seinen Bruder, Amalias Ehemann Henri, vor den Kopf zu stoßen, hielt sich die damalige Regierung aus der Sache heraus und stellte lediglich das Grundstück zur Verfügung, das die Stadt Luxemburg verwalten wird. So kam es dazu, dass ein privates Denkmal auf staatlichem Terrain errichtet wurde.

Beim nächsten Beispiel fragt man sich, wieso es kein Denkmal gibt. In der Nähe des heutigen Kleidergeschäfts H&M befindet sich eine Gedenkplatte für François Laurent (1810-1887), einen luxemburgischen Jurist, der Karriere als Universitätsprofessor in Gent gemacht hatte. Er war sehr engagiert für die Trennung von Kirche und Staat, setzte sich für die (gratis) Schulpflicht und die Idee eines Schulsparbuchs ein. Auch forderte er, dass man auf den Friedhöfen nicht nach Religionszugehörigkeit, sondern gemischt begraben wird. Daneben hat er viel geschrieben: Neben Schriften über Zivil- und Völkerrecht verfasste er eine Geschichte der Menschheit von 13.700 Seiten. Doch für ein Monument reichte es nicht.

Interessant ist die Geschichte rund um das Dicks-Lentz-Denkmal auf dem Square Jan Palach nahe der place d’Armes. Auf Initiative des damaligen Staatsministers Paul Eyschen (1841-1915) wurden 1903 zwei luxemburgische Autoren, die sich zu Lebzeiten nicht besonders mochten, zusammen in einem Monument verewigt. Hierbei gibt es ein besonderes Detail zu beachten: Das Denkmal wurde von einem Luxemburger Architekten, Georges Traus, entworfen und von einem luxemburgischen Bildhauer, Pierre Federspiel aus luxemburgischem Stein geschaffen. Diese Verankerung der luxemburgischen Sprache mit Land und Boden war etwas Neues und wird von einigen als nationales Statement gesehen. Es sei quasi als Vorbereitung auf das Referendum von 1919 zu verstehen, erklärt der Stadthistoriker Robert Philippart dem Tageblatt: Die Forderung nach mehr Mitspracherecht des Volkes mittels eines universalen Wahlrechts und dem Gebrauch der luxemburgischen Sprache in der Chamber anstelle der französischen wurde quasi in Stein gemeißelt.

„De Renert“

Sehr kontrovers war auch die Entstehungsgeschichte einer Gedenkplatte für Jean-Antoine Zinnen (1827-1898). In einer Passage, die auf den Knuedler führt, befindet sich die Plakette aus dem Jahr 1927, die an den Komponisten unserer Nationalhymne erinnert. Sie ist dort angebracht, weil sich an der Stelle die Musikschule der Stadt Luxemburg befand, in der Zinnen unterrichtete. Sie wurde aber nicht vom Bürgermeister, sondern vom Schöffen Marcel Cahen eingeweiht: Zinnen bekam zu seinen Lebzeiten Streit mit den Stadtoberen.

Um ihn loszuwerden, haben diese die Musikschule ganz einfach geschlossen. Zinnen zog daraufhin zu seiner Schwester nach Neuilly-sur-Seine. Auf Initiative von Joseph Junck, Paul Metz und des allgemeinen Musikerverbands wurde sein Leichnam im Jahr 1900 nach Luxemburg zurückgebracht und auf dem „Nikloskierfecht“ auf Limpertsberg beigesetzt.
Neben dem Rathaus auf dem Knuedler steht eines der emblematischsten Denkmäler der Hauptstadt: der „Renert“. Die Geschichte um dieses Denkmal sei eine relativ komplizierte, erklärt Philippart. Michel Rodange (1827-1876) erhielt sein Monument erst 1932. Der Entwurf dazu stammte von Jean Curot, der bei einem Wettbewerb von einer internationalen Jury prämiert wurde.

1913 wurde zwar unweit des „Rousegäertchen“ eine Straße nach ihm benannt und 1927 fanden viele Feierlichkeiten zu seinem 100. Geburtstag statt, aber ein Denkmal erhielt er nicht. „Es wurde viel darüber gestritten“, berichtet Philippart. Die erste Anerkennung von Rodange im öffentlichen Raum erschien an der Fassade des früheren Hotel Carlton in der Dicks-Straße, wo sich lange die Redaktionsräume der Revue befanden. Dort ist auf der Hauswand eine Szene des „Renert“ zu sehen.

Bei diesem Monument stehen jedoch nicht das „Fiischen“ oder der Schriftsteller im Mittelpunkt. „Der ‚Renert‘ ist ein sogenanntes ‚monument secondaire‘. Der Hauptteil ist der Springbrunnen: Die Wasserversorgung ist wichtiger als das ‚Fiischen‘ und Michel Rodange“, erklärt Philippart. „Ein Monument ist nie neutral, es vertritt immer bestimmte Werte. Nicht die Person ist wichtig, sondern das, was die Person darstellt“, fügt der Stadthistoriker hinzu. Es vertrete die Interessen einer kulturellen, sozialen oder politischen Gruppierung und zeige, dass sich eine Gesellschaft aus vielfältigen Interessengruppen zusammensetzt.

Wenn Sie mehr über die Monumente der Hauptstadt, ihre Entstehungsgeschichten und die Kontroversen, die sie umgaben, erfahren wollen, erhalten Sie morgen die Möglichkeit. Im Rahmen einer Führung mit dem Stadthistoriker Robert Philippart erhalten Sie Hintergrundinformationen und Anekdoten rund um 15 Werke, darunter selbstverständlich das Guillaume-II-Reiterdenkmal auf dem Knuedler und die Monumente auf der place de la Constitution, allen voran die „Gëlle Fra“.


Info

„D’Amélie à Dicks – la controverse des monuments“
Stadtführung mit Robert L. Philippart, morgen Sonntag von 14.30 bis 16.00 Uhr
Treffpunkt: beim Amalia-Monument im Stadtpark Luxemburg
Sprache: Luxemburgisch
Preis: gratis
Organisator: Musée 3 Eechelen
Anmeldung:
robertphilippart@msn.com
Tel.: 42 82 82 29 / 621 21 54 24