Klangwelten: Wüstenstaub auf der Tanzfläche

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Albumbesprechung: Queens of the Stone Age – Villains

Vor einigen Jahren war ich auf einer Fete in Paris, auf der gerade „No One Knows“ lief, als die Polizei wegen nächtlicher Ruhestörung an der Wohnungstür klingelte und den Mieter bat, er möge doch diesen krachigen Metal bitte etwas leiser drehen. Der besagte Mieter entgegnete daraufhin nur, mit etwas Entrüstung in der Stimme und in einem recht belehrenden Ton, es handele sich hierbei keineswegs um Metal, sondern um die Queens of the Stone Age, die bekanntlich Stoner Rock machen.

Diese kleine Anekdote belegt, wie genau die QOTSA-Fans es mit der generischen Aura ihrer Band nehmen. Weswegen die Skepsis wohl teilweise groß war, als man ankündigte, der Produzent des neuen Albums „Villains“ wäre niemand Geringerer als Mark Ronson, der vorwiegend für die Produktion von Pop- und Tanzmusik verantwortlich zeichnet – so war Ronsons Erfahrungsspektrum bisher eher von Musikern und Bands wie Adele, Lady Gaga und den Kaiser Chiefs umrissen.

Dazu muss man aber bemerken, dass Frontmann Josh Hommes berufliche Karriere eigentlich eine Aneinanderreihung von fast blinden Vertrauensakten seitens des Publikums und der Kritiker darstellt: Man verlässt sich einfach auf Homme, ganz gleich mit wem er sich zusammentut.

Das Album-Cover

Josh und der Kairos

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Fast jede Zusammenarbeit von Homme hat ausgezeichnet funktioniert, sei es nun, ob man ihn als Produzent des dritten Arctic-Monkeys-Albums erleben konnte, er mit den Eagles of Death Metal ein drollig-chauvinistisches Projekt an der Seite von Jesse Hughes auf die Beine stellte, er mit Them Crooked Vultures eine der wenigen relevanten Superbands zusammen mit LedZeppelin-Bassist John Paul Jones und Schlagzeuglegende Dave Grohl gründete, auf dem letzten QOTSA-Album „Like Clockwork“ Elton John einlud (obwohl man den dann fast nicht heraushörte, aber was soll’s) oder kürzlich mit Iggy Pop an dessen Album „Post Pop Depression“ zusammenarbeitete.

Josh Homme inkarniert ein bisschen das griechische Konzept des Kairos – dem Mann gelingt es immerzu, im richtigen Moment zur richtigen Stelle von den richtigen Leuten umgeben zu sein. Auf dem neuen Album fließen die Erfahrungen, die im Laufe der eben erwähnten Zusammenarbeiten gesammelt werden konnten, auch allesamt in die Songs ein – die trotzdem wie immer unverkennbar nach den Queens of the Stone Age klingen. Weswegen auch die Zusammenarbeit mit Ronson ausgezeichnet funktioniert. Die Angst, die Queens würden jetzt zu viel nach Disco und nicht mehr genug nach Wüste klingen, ist in diesem Sinne illegitim, da die Musik der Queens immer schon äußerst tanzbar war.

Auf Album Nummer sieben sind sie (teilweise) einfach noch ein bisschen tanzbarer, wie es die erste Single-Auskopplung „The Way You Used to Do“ oder das temporeiche „Head Like a Haunted House“ überzeugend zeigen. Bei Ersterem gibt es typische QOTSA-Riffs, die mit etwas Glam, Boogie und mehr Druck angereichert sind, wohingegen Letzteres einfach die Geschwindigkeit gehörig ankurbelt und mit Pfeifarrangements, gehörigem Groove und schnellem Staccatogesang überzeugt.

Erstes Album seit Bataclan

Je nachdem, wie man es sieht, bringen die Queens mit „Villains“ entweder den wirbelnden Wüstenstaub und den knirschenden, schmutzigen Sand auf die Tanzfläche – oder sie spielen den Soundtrack zu einer einsamen Wüstendisco, in der kräftig abgetanzt wird. So geschehen beim ausgezeichneten Opener „Feet Don’t Fail Me“, der sich mit tribalen Rhythmen und Chören aufbaut, dann ein Sci-Fi-Keyboard darüberlegt, bevor ein grandioses Riff den Übergang zum eigentlichen Song ankündigt. Wer hier nicht, ganz gleich in welcher Alltagssituation er/sie sich gerade befindet, kräftig headbangt, hat von Rockmusik nichts verstanden.

Josh Homme vor vier Jahren bei einem Konzert in Utrecht

Auf „Villains“ verlassen die Queens sich verstärkt auf ein basisches, tanzbares Riff (siehe die eigentlich fast primitive Akkordreihenfolge von „Domesticated Animals“), über welches sich dann verdammt eingängige Gesangsmelodien und zunehmend komplexe Gitarrensoli legen, die zwar weniger scharf und präzise als auf „Songs for the Deaf“ klingen, dafür aber in ihrer Spielfreude immerzu begeistern können.

Überhaupt: Es wurde viel im Vorfeld darüber geredet, dass dies das erste Queens-Album seit den Attentaten im Bataclan ist. Man könnte den Albumtitel „Villains“ natürlich auf die Täter beziehen oder ihn als einen Kommentar zur aktuellen politischen Situation sehen.

Hedonistisches Kredo

Falls „Villains“ wirklich eine Reaktion zu den tragischen Attentaten sein sollte, dann kann Hommes Antwort darauf nur das hedonistische Kredo des Tanzes, des Vergessens im musikalischen Rausch der Riffs und Beats, der bedingungslosen Lebensbejahung sein. Diese Unbeschwertheit hört sich nicht nur in jedem Ton der Platte, sie zeugte auch schon im Vorfeld von einem fast gleichgültigen Umgang mit der eigenen Bandgeschichte. Um es anders zu formulieren: Die Queens müssen es niemandem mehr recht machen und können die Frage nach der eigenen Relevanz getrost mit ironischen Metavideos beantworten.

So geschehen in zwei im Vorfeld veröffentlichten Videoclips. Im ersten sieht man Josh Homme, der sich den üblichen neugierigen Fragen der Presse stellen soll. Dass er an einen Lügendetektor angeschnallt ist, schert ihn relativ wenig – er lügt sich munter durch das Interview mit einer stoischen Coolness, die ihresgleichen sucht. Im zweiten Clip wird dann jede Vorgängerplatte nach ihrer Meinung zum Jüngling „Villains“ befragt. „Songs for the Deaf“ will die neue Platte erst gar nicht hören, weil Nick (Olivieri, früherer Bassist, der wegen Drogenproblemen rausgeschmissen wurde, was in einer Band wie QOTSA schon ein bisschen was heißt) nicht drauf ist. Das erste Album fragt nur frech: Welches andere Album?

Homme in Lissabon

Musik für camouflierte Lederjackenträger

Dieses Spiel mit der eigenen Geschichte und mit den Erwartungen der Kritiker verlagert zwar nur die Frage der Relevanz von „Villains“, das den Bandsound eigentlich nur in Nuancen erweitert (mehr Tanzbarkeit, mehr Keyboards), gibt aber auch deutlich zu verstehen, dass sich die Queens einen feuchten Dreck darum scheren und uns auffordern, einfach nur die Qualität der gebotenen Songs zu genießen.

Es ist diese Verspieltheit, die auch musikalisch auf „Villains“ spürbar ist und es zu einem gleichermaßen kompakten und experimentierfreudigen Album macht. Die Songs bauen sich meist auf einem relativ simplen Fundament auf, über das sich allerdings komplexe Arrangements legen – Gitarrensoli, Streicher, Blasinstrumente, Synthies – und die auch manchmal, wie auf dem ausgezeichneten „The Evil Has Landed“ suspendiert und aufgebrochen werden. Es ist diese Spielfreude, die „Villains“ zu einem kohärenten Album macht – auch wenn sich z.B. „Un-Reborn Again“ etwas zu lange Richtung Klimax schleppt.

Dafür wird dann im Endspurt mit dem grandiosen Schlussteil des schon erwähnten „The Evil Has Landed“ und „Villains of Circumstance“ noch einmal kurzerhand aus dem Stegreif gezeigt, wie gut die Queens auch 2017 noch sind. Bei Letzterem zeigt sich dann, dass die Queens immer schon Musik machten für raubeinige Lederjackenträger, deren Balls-out-Attitüde eigentlich nur eine stoische Maske ist, die ihre Zerbrechlichkeit camouflieren soll.

Hören Sie in das neue Album rein: