Klangwelten: Von Luxemburg nach Japan

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In unserer Rubrik Klangwelten werden regelmäßig Alben rezensiert. Diesmal geht es um Blues, Soul, ein Coveralbum und eine japanische Band, von der Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben. 

Von Claude Molinaro und Yves Greis

The Fantastic Negrito
Please Don’t Be Dead

Xavier Amin Dphrepaulezz alias „Fantastic Negrito“ ist noch relativ unbekannt in unseren Gegenden, und bis vor einem Monat hatte auch ich weder seinen Namen noch irgendetwas von seiner Musik gehört. Doch als ich innerhalb kurzer Zeit auf zwei ausländischen Radiosendern eine Kritik seines neuesten Albums hörte und wenig später zwei Rezensionen las, war mein Interesse geweckt. Vor allem auch deswegen, weil drei Kritiker das Album himmelhoch lobten, während ein anderer es so auseinandernahm, als wäre es ein Album, das man unter keinen Umständen kaufen sollte, da es unter allen Erwartungen läge. Dass diese gewiss hoch lagen, ist klar, erhielt der Künstler erst 2017 für „The Last Days of Oakland“ den Grammy für das beste zeitgenössische Bluesalbum. The Fantastic Negrito macht Musik, die zwar nach Blues trieft, wie z.B. der Song „Bad Guy Necessity“, aber auch mal Ausflüge in den Funk macht, am besten zu hören auf „Bullshit Anthem“. Oder aber er mischt beides und fügt noch kräftige Soulelemente hinzu. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Song „The Duffler“.

Nach ein paar Liedern wird einem klar, dass Negrito viel zu erzählen hat. „Take that bullshit, turn it into good shit“ heißt es in dem erwähnten Lied „Bullshit Anthem“. Ein Motto, das sich wie ein roter Faden durch sein Werk zieht. Das Negative in seinem Leben und der Gesellschaft sind die Inspirationsquellen für seine Songs, bei denen man stets spürt, dass der Mann weiß, wovon er singt. Anscheinend soll er nach einem schweren Unfall drei Wochen im Koma gelegen und eine monatelange Rehabilitation benötigt haben. Nach dieser „Wiedergeburt“ habe er sich den neuen Namen zugelegt.

Blues ist für „the Fantastic Negrito“ zwar das Fundament seiner Musik, vor allem aber ist es für ihn eine Waffe. Seine Texte sprechen nicht von den Frauen, die ihn verlassen haben; sie sind so engagiert, wie man es eigentlich von Singer-Songwritern gewöhnt ist. Auf seiner Website prangert Negrito die Missstände, die die amerikanische Gesellschaft charakterisieren, offen an: Die Armen, die immer ärmer, und die Reichen, die immer reicher werden, Polizeigewalt, Amokläufe in den Schulen, die vielen Obdachlosen und vieles mehr. „Das ist nicht der amerikanische Traum“, sagt er. All dieser „Bullshit“ findet sich in seinen Texten wieder. Am 14. August tritt Negrito übrigens in Brüssel beim Summer Festival auf.

Will Wilde
Bring It On Home

Coveralben stellen wir in der Regel nicht vor, aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. „Bring It On Home“ ist ein Coveralbum der besonderen Art. Nicht weil Will Wilde uns damit einen guten Querschnitt durch den britischen Blues und Bluesrock der 1960er- und 1970er-Jahre anbietet, nein, das Besondere liegt darin, dass er in den Songs – allesamt von den Größten der Rockgeschichte – den Leadgitarren-Part mit seiner Mundharmonika übernimmt.

Wenn man dann noch weiß, dass bei dem von ihm gecoverten „I’m Your Witchdoctor“ (im Original von John Mayall & the Bluesbreakers) ein gewisser Eric Clapton die Leadgitarre spielte, wird man zumindest hellhörig. Wir jedenfalls wurden es.

Will Wilde ist ein gerade 30 Jahre alter britischer Mundharmonikaspieler, der sein Instrument jedoch beherrscht, als spiele er so lange, wie er alt ist. Auf einer Webseite des Bluesharp-Herstellers Seydel (Wilde spielt diese Marke) steht, Big und Little Walter – zwei Ikonen der Bluesharmonika – würden stolz auf ihn sein. Wilde spielt nicht nur gut, er hat auch das Kunststück fertiggebracht, sowohl Klassikern neues Leben einzuhauchen als auch dem Bluesrock selbst, einem Genre, in dem es Bands zuhauf gibt, deren Sound sich gleicht wie ein Ei dem anderen. Dabei ist es nicht so, dass er jedem Song bis zur Unkenntlichkeit seinen eigenen Stempel aufdrückt, sondern er hält sich mit seinen Versionen relativ nahe am Original.

Unter den elf Songs befindet sich mit das Beste, was die britische Bluesszene zu bieten hat oder hatte, wie z.B. „Bad Penny“ von Rory Gallagher, „Parisienne Walkways“ von Gary Moore, „Politician“ von Cream, daneben aber auch „Yer Blues“ der Beatles und Jethro Tulls „Locomotive Breath“. Aus der Rahmen fällt „The Wizard“ von Black Sabbath, kein Bluessong, aber auf dem ist schon im Original Mundharmonika zu hören. Der Titelsong ist-übrigens die Led-Zeppelin-Version eines Songs vom Bluesübervater Willie Dixon.

Soul Return
Soul Return

Die Band war einer der Headliner des Blues ’n’ Jazz Rallye und dank einer vorteilhaft positionierten Bühne in den Rives de Clausen auch eine der Gruppen, die das größte Publikum um sich versammeln konnte. Doch auch ohne die geografischen Umstände hätten die Festivalbesucher die Band wohl aufgesucht, denn sie gab an dem Abend harten Bluesrock zum Besten. Ganz im Gegensatz zu ihrem ersten Album „Soul Return“, das vorigen März erschien, auf dem die Gruppe es eher ruhig angeht: weniger Rock, dafür aber umso mehr Blues.

Spricht man von „Soul Return“, dann muss man vor allem die Stimme der Band erwähnen, die Sängerin und Bluesharp-Spielerin Kellie Rucker, eine schmächtige Frau, deren kraftvolle Stimme mit einem rauen Klang (der Vergleich mit Janis Joplin drängt sich auf) irgendwie nicht richtig zum kleinen Körper passt, aber umso mehr zum wuchtigen Groove, den ihre Kollegen hinlegen: Gitarrist J.J. Holiday, Schlagzeuger Michael Barsimanto (beide ehemalige Mitglieder der in Kalifornien beliebten Band Imperial Crowns) und Bassist Dal Martino.

Ihr Debütalbum ist wie gesagt nicht so rockig wie ihr Auftritt, darum aber umso abwechslungsreicher: Bluesrock mit viel Countryklängen wie in „Life of Crime“ und „Only Love Can Save Us Now“, Slowblues wie „Kiss Me“ oder fetziger Bluesrock wie „FYI“.

The GazettE
Ninth

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Sie noch nie im Leben von der japanischen Band the GazettE gehört haben. Anfang der 2000er-Jahre gab es eine kleine, aber aktive Gruppe von Leuten, die Fans der japanischen Stilrichtung Visual Kei waren. Der Stil besteht aus Gitarrenmusik, Schlagzeug, Kostümen, viel Make-up und androgynen Musikern. Die Bands aus dieser Zeit hießen Malice Mizer, Kagerou, Dir En Grey oder eben the GazettE. Letztere ist eine der wenigen, die sich bis in die Gegenwart erfolgreich halten konnte.

the GazettE waren m.E. immer die Visual-Kei-Band, die am meisten nach Heavy Metal geklungen hat, und diese Tradition führt die Band auch mit dem neunten Studioalbum „Ninth“ weiter. Tatsächlich hat sich die Band seit den ersten Alben musikalisch kaum verändert – was in diesem Fall etwas Gutes ist.

Sänger Ruki wechselt, begleitet von seinem Rockensemble, (immer noch) nahtlos von balladenhaften Passagen zu seinem bombastischen (japanischen) Schreigesang.
Um es in eine Kategorie zu packen: „Ninth“ ist solider Alternative Metal. International konnten the GazettE mit „Ninth“ auch bereits Erfolge feiern. Das Album schaffte es nach Veröffentlichung im Billboard World Chart auf Platz sieben.