Wer folgt Juncker nach? EU-Parlament will nur eigenen Kandidaten als Kommissionschef

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Im Machtgerangel um Brüsseler Spitzenposten gibt es eine erste Festlegung: Das neue Europaparlament will nur einen der Partei-Spitzenkandidaten zum Nachfolger von Kommissionschef Juncker wählen. Das ist vor allem eine Kampfansage.

Das Europaparlament positioniert sich bei der Besetzung von EU-Spitzenposten selbstbewusst gegen die Staats- und Regierungschefs: Die Fraktionsvorsitzenden einer Mehrheit der Abgeordneten einigten sich am Dienstag darauf, ausschließlich einen der Europawahl-Spitzenkandidaten zum Chef der mächtigen EU-Kommission zu wählen. Das teilte Parlamentspräsident Antonio Tajani nach einer gemeinsamen Sitzung mit. Der französische Präsident Emmanuel Macron und einige andere EU-Spitzen würden diesen und andere Posten gerne frei bestimmen. Kurz vor dem EU-Sondergipfel am Dienstagabend war die Einigung der Fraktionsspitzen somit vor allem eine Ansage an die EU-Staats- und Regierungschefs.

Der EVP-Politiker Manfred Weber ist mit der Entscheidung vom Dienstag einen Schritt weiter auf dem Weg an die Spitze der EU-Kommission: Er sieht sich als Chef der größten Fraktion, der Europäischen Volkspartei, als Favorit. Am Dienstag betonte er, nun müsse jedoch erst einmal über Inhalte gesprochen werden. Er sei bereit, mit allen pro-europäischen Parteien zu verhandeln. Die übrigen Parteien haben allerdings zum Teil eigene Kandidaten. Und sie legten sich noch nicht auf Weber als Person fest. „Die Mehrheit hat klargemacht, dass an dem Spitzenkandidaten-Prozess als Orientierungspunkt nichts vorbeigeht“, sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Udo Bullmann. Dies sei „ein klares Signal an den Europäischen Rat: Versucht es erst gar nicht.“ Bullmann stellte sich weiter hinter den Niederländer Frans Timmermans, der als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten in den Wahlkampf gegangen war.

Drei Kandidaten wollen Kommissionschef werden

Hinter das Prinzip des Spitzenkandidaten stellten sich am Dienstag neben der EVP und den Sozialdemokraten auch die Grünen und die Linken. Vor allem die Linken hatten bislang Vorbehalte. Die scheidende Fraktionschefin Gabi Zimmer forderte nun, die Verhandlungen der kommenden Wochen müssten transparent geführt werden. Zudem betonte sie wie auch Bullmann, dass erst über Inhalte und dann über Posten gesprochen werden müsse. Die Staats- und Regierungschefs wollen am Abend erstmals über die Personalien beraten. Sie haben zwar das offizielle Vorschlagsrecht für den Posten des Kommissionschefs. Anschließend muss das Parlament jedoch mehrheitlich zustimmen. Noch komplizierter wird es dadurch, dass auch andere EU-Topposten besetzt werden müssen: etwa der von EU-Ratschef Donald Tusk oder der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Bestenfalls soll ein ausgewogenes Paket herauskommen, das Herkunft, Geschlecht, Parteizugehörigkeit und Alter berücksichtigt.

Nach der Europawahl fühlt sich das Parlament angesichts der hohen Wahlbeteiligung gegenüber den Staats- und Regierungschefs in seiner Position gestärkt. „Die deutlich erhöhte Wahlbeteiligung in ganz Europa beweist, dass die europäische Demokratie lebendig ist“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der Präsident der EU-Kommission führt eine Behörde mit rund 32 000 Mitarbeitern. Die Funktion ist grob vergleichbar mit der eines Regierungschefs, die EU-Kommissare sind wie ein Kabinett mit verschiedenen Themengebieten. Die Kommission legt Gesetzesvorschläge vor und überwacht die Einhaltung von EU-Recht.

Die EVP wurde trotz herber Verluste bei der Europawahl wieder stärkste Kraft. Aber auch Webers sozialdemokratischer Gegenspieler Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager machen sich Hoffnung auf den Spitzenposten. Nach der Europawahl kommen die beiden Volksparteien – EVP und Sozialdemokraten – erstmals in der Geschichte des Parlaments nicht mehr auf eine Mehrheit. Bislang haben sie in Brüssel vieles in einer informellen Koalition unter sich ausgemacht. Nun brauchen sie neue Partner. Für eine Mehrheit sind 376 Stimmen nötig.