Jugendliche als Spiegel ihrer Region: Junge Erwachsene akzeptieren Korruption und vertrauen EU

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10.000 Jugendliche in zehn Balkanstaaten hat die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung zu ihrem Weltbild befragt. Das Ergebnis: Die Sehnsucht nach Europa geht mit dem Hang zur harten Hand gepaart.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Ob schon in der EU oder noch in deren Wartesaal: der Emigrationsaderlass junger Arbeitskräfte macht fast allen Staaten Südosteuropas zu schaffen. Wie tickt die Jugend zwischen Adria und Schwarzen Meer, was sind ihre Sorgen, Probleme und Hoffnungen?
10.000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren in zehn Balkanstaaten hat die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung zu ihrem Weltbild befragt. Die Ergebnisse der nun vorgelegten „Jugendstudie Südosteuropa“ zeigen die befragten Jugendlichen nicht nur als Kinder, sondern auch als Spiegel der Region: Die Sehnsucht nach Europa geht mit dem Hang zur harten Hand gepaart; Korruption ist gefürchtet, aber scheint akzeptiert; und der Emigrationsdrang hält an.

Die nach der Weltwirtschaftskrise 2008 angezogenen Jugendarbeitslosenraten sind in den letzten Jahren zwar gesunken, bewegen sich aber nicht nur in Kosovo (43 Prozent) und Albanien (39 Prozent) auf nach wie vor hohem Niveau.

Vor allem materielle Sorgen sind es denn auch, die den Alltag der Jugendlichen auf dem Balkan prägen. Korruption, Verarmung, soziale Ungerechtigkeit und Arbeitslosigkeit sind die am häufigsten genannten Hauptängste. Gleichzeitig werden korrupte Praktiken und das berüchtigte Vitamin B als Überlebensmittel auf dem Arbeitsmarkt resigniert hingenommen.

Bosnier zufriedener als Slowenen

„Gekaufte“ Zensuren und Examen zählen laut 80 Prozent der befragten Serben zum Schul- und Universitätsalltag und sind selbst in den EU-Staaten Kroatien (49 Prozent), Rumänien (51 Prozent), Slowenien (58 Prozent) und Bulgarien (70 Prozent) ein vertrautes Phänomen.
Die Mitgliedschaft in einer Partei halten nicht nur junge Bosnier (77 Prozent), Mazedonier (73 Prozent) und Serben (72 Prozent) bei der Jobsuche für wichtig. Selbst in den EU-Staaten Slowenien (67 Prozent) oder Kroatien (79 Prozent) glaubt die Mehrheit, dass „Beziehungen zu Menschen an der Macht“ bei der Stellenjagd wichtig seien.

Auffällig ist, dass die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen in ärmeren Staaten wie Kosovo oder Bosnien merklich höher ist als im reicheren Slowenien oder Kroatien. Der persönliche Erfolg und die Familie haben einen höheren Stellenwert als politisches oder gesellschaftliches Engagement.

Obwohl das Vertrauen in die EU klar über dem in die eigenen Regierungen liegt, fällt der Hang zum starken Mann auf: Der Anteil derer, die sich einen starken „Leader“ wünschen, hat sich in einigen Staaten seit 2008 gar vervierfacht.

Der Drang in die Emigration hat sich nur bei den EU-Mitgliedern der Region deutlich abgeschwächt, ist aber bei den EU-Anwärtern unvermindert hoch. Hauptsächlich sind es wirtschaftliche Gründe, die Balkan-Jugendliche sehr lange bei den Eltern wohnen lassen. Auffallend ist der hohe Anteil der Befragten, die ihre Beziehungen zu den Eltern dennoch als gut preisen: Knapp hinter Musik-Hören wird die gemeinsam mit der Familie verbrachte Zeit gar als populärste Freizeitbeschäftigung genannt – deutlich vor dem Ausgehen mit Freunden.

Studie:
http://library.fes.de/pdf-files/id-moe/15277-20190408.pdf