Interview mit Generaldirektor Paul Schroeder (Teil 1): So hat sich die Kritik am CGDIS entwickelt

Interview mit Generaldirektor Paul Schroeder (Teil 1): So hat sich die Kritik am CGDIS entwickelt

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Das CGDIS („Corps grand-ducal d’incendie et de secours“) besteht seit dem 1. Juli 2018. Die Zusammenlegung der 100 Einsatzzentren des Landes und die Professionalisierung des Rettungswesens haben seitdem für viel Diskussionsstoff gesorgt. Besonders die Freiwilligen fühlten sich von der Reform außen vor gelassen. In einem zweiteiligen Interview mit dem Tageblatt erzählt Generaldirektor Paul Schroeder, wie sich die Situation entwickelt hat, wie der Tornado als größter gemeinsamer Einsatz gemeistert wurde und was die nächsten Schritte in Richtung mehr Zufriedenheit sind.

Tageblatt: Wie haben sich die Unzufriedenheiten innerhalb des CGDIS seit den Anfängen entwickelt?

Paul Schroeder: Für mich ist es schwierig, das objektiv zu beantworten. Aus meiner Sicht geht der Großteil der Freiwilligen in die richtige Richtung. Die ganze Reform war im Grunde eine Forderung, die von den Einsatzkräften kam. Sie alle wissen, dass es so, wie es war, nicht hätte weitergehen können. Deswegen glaube ich, dass die Mehrheit mit der generellen Ausrichtung einverstanden ist. Es gibt aber einen Unterschied zwischen dem Zufriedensein mit der generellen Situation, also damit, das Rettungswesen zusammenzuführen und zu professionalisieren, und dem Zufriedensein mit der konkreten Umsetzung.

Wo genau lagen die Probleme, die eine Reform unumgänglich gemacht haben?

Der Ursprung der Reform war noch nicht einmal die Anzahl der Freiwilligen, die übrigens nur leicht rückläufig war, sondern die Feststellung, dass ihre Verfügbarkeit massiv zurückgegangen ist. Wir mussten pro Jahr zehntausende von Bereitschaftsstunden einbüßen. Als Staat hatten wir die Pflicht, darauf zu reagieren. Wir müssen schließlich sicherstellen, dass es ein Rettungswesen gibt, das immer einsatzbereit ist, wenn die Menschen Hilfe brauchen. Die Reaktion konnte eigentlich nur die Professionalisierung sein – um so die Zeit, die bei den Freiwilligen verloren gegangen ist, mit Hauptberuflichen zu kompensieren.

Dieses neue Zusammenspiel von Hauptberuflichen und Freiwilligen ist eine Herausforderung.

Absolut. In diesem Maße gab es das vorher nicht, weil in vielen Zentren nur Freiwillige waren. Sowohl sie als auch die Hauptberuflichen mussten sich an die Situation gewöhnen. Das ist eine Sache von gegenseitigem Respekt. Der Hauptberufliche darf sich nicht über den Freiwilligen stellen. Der Freiwillige darf im Gegenzug nicht sein schmutziges Geschirr nach einem Einsatz liegen lassen und einfach gehen, mit dem Argument, der Hauptberufliche könne es wegräumen, denn der werde schließlich dafür bezahlt. In den meisten Fällen funktioniert dieser gegenseitige Respekt. Aber natürlich: Wo Menschen sind, menschelt es und das äußert sich auch manchmal in Konflikten. Das sind neue Herausforderungen, mit denen das Management nach der Reform klarkommen muss.

Gibt es Maßnahmen, wie diese Konflikte gelöst werden?

Dort, wo es Spannungen gibt, greifen wir individuell ein. Wir haben eine Abteilung, die für die Freiwilligen zuständig und gleichzeitig eine Art Kummerkasten ist. Diese Abteilung bekommt potenzielle Spannungen meistens als Erstes mit. Wenn wir davon erfahren, gehen wir dahin und reden mit den Betroffenen. Die verschiedenen Zonen-Chefs sind zudem ein wichtiges Bindeglied zwischen der Direktion und dem Einsatzfeld. Wenn es im Norden in einem Zentrum Spannungen gibt, ist das relativ weit von uns entfernt.

Was hilft noch?

Was viel zur reibungslosen Zusammenarbeit von Freiwilligen und Hauptberuflichen beiträgt, ist ein gemeinsamer Korps-Geist. Dass sich alle gemeinsam mit der Idee des CGDIS identifizieren: Wir sind da, um zu helfen. Im Juli sind wir durch den Tornado in Petingen und Käerjeng sowie die vielen Wald- und Feldbrände extrem häufig gerufen worden. Die Tatsache, dass bei diesen Einsätzen so viele Einheiten zusammengearbeitet haben, hat dazu beigetragen, dass alle zusammengeschweißt wurden. Zusätzlich konnten die Freiwilligen die Vorteile der Reform in der Umsetzung erleben und sehen, dass ihnen dabei geholfen wird, im Notfall die bestmögliche Hilfe leisten zu können.

Was sind die Vorteile der Reform bei einem solchen Einsatz?

Ein banales Beispiel ist die Verpflegung. Wir konnten schnell reagieren und vorausschauend planen. Was auch viel besser klappt, ist die Ablösung, damit die einzelnen Personen nicht stundenlang in einem Einsatz sind. Wenn jemandem etwas passiert, er sich verletzt oder sogar angegriffen wird, können wir da sein und helfen. Diese Details zeigen jedem, dass das CGDIS ihnen konkret das Leben vereinfacht. Das stellen die Einsatzkräfte ja auch fest.

Gibt es Punkte, die noch verbessert werden müssen?

In der Umsetzung gibt es bestimmt Dinge, die heute noch nicht so funktionieren, wie wir es uns vorstellen. Gäbe es einen Punkt, den ich ändern könnte, dann wäre das die gesamte Informatik mit den verschiedenen Programmen. Wir sind gerade dabei, diese zu entwickeln und umzusetzen, um auch den Freiwilligen auf der administrativen Ebene die Arbeit leichter zu machen. Da waren wir nicht so weit vorangeschritten, wie ich es mir gewünscht hätte. Wir haben die Freiwilligen tatsächlich mit neuen Vorschriften und Dienstmitteilungen bombardiert.

Sie verstehen also, dass das viele frustriert hat.

Ja, das kann ich verstehen. Davor hatte jedes Einsatzzentrum seine eigenen Regelwerke. Wir haben 100 Zentren im Land und jedes hat so funktioniert, wie es für die jeweiligen Mitarbeiter am besten geklappt hat. Es gab den direkten Kontakt mit der jeweiligen Gemeinde, die geholfen hat. Von einem Tag auf den anderen mussten wir den Menschen eine uniforme Funktionsweise mitteilen. Plötzlich wussten sie nicht mehr, wie etwas geht, von dem sie zuvor eigentlich genau Bescheid wussten. Auf der anderen Seite waren wir gezwungen, ihnen zu diktieren, wie es ablaufen muss. Und sogar wenn wir jeweils die Regel genommen hätten, mit der die meisten Zentren funktionieren, hätte es immer noch eine Minderheit gegeben, die eine andere Regel befolgte. Uns wurde vorgeworfen, das wäre von oben herab gewesen – und das war es auch. Wir konnten das aber nicht basisdemokratisch ausarbeiten, weil wir einfach nicht die Zeit dazu hatten.

Wird diese einheitliche Funktionsweise im Nachhinein mithilfe der Einsatzkräfte verbessert?

Daran arbeiten wir derzeit. Im März hatten wir ein erstes „Forum des cadres“, bei dem wir die Betroffenen zusammengerufen haben, um Feedback zu erhalten. Diejenigen, die im Einsatz sind, werden eingebunden. Wenn wir bemerken, dass Dinge nicht so funktionieren, wie wir uns es vorgestellt haben, werden wir nachbessern. Generell wird es aber so bleiben. Wir sind nun einmal eine zentrale Organisation mit einer Direktion, die entscheiden muss, welche Strategie und welches Ziel befolgt werden.

Auch um die Abfindungen gab es Diskussionen.

Hier gab es das gleiche Problem. Die meisten Zentren hatten ihre eigene Art, wie sie diese berechnet haben. Als wir das einheitlich gestaltet haben, gab es natürlich Freiwillige, die schlechter weggekommen sind. Was das angeht, sind wir zusammen mit einer Arbeitsgruppe von Einsatzkräften dabei, zu diskutieren, welcher Weg für jeden am besten und vor allem am gerechtesten ist. In der Arbeitsgruppe sind um die 15 Menschen vertreten, darunter Rettungskräfte, Feuerwehrleute, Verantwortliche, Personen aus den verschiedenen Spezialgruppen und Mitarbeiter aus dem ganzen Land. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die Regionen im Land ticken – und das obwohl Luxemburg so klein ist. Vermutlich wird es selbst nach den Nachbesserungen noch den einen oder anderen geben, der unzufrieden ist. Aber bei 4.200 Menschen ist das nicht auszuschließen.

Am Mittwoch erscheint der zweite Teil des Interviews mit Paul Schroeder. Darin geht der Generaldirektor genauer auf die Arbeit während des Tornados ein, schildert, wie die gleiche Situation vor der Reform hätte aussehen können, und bietet einen Einblick in die anstehenden Projekte des CGDIS.