In Belgien dürfen sogar Kinder um den Tod bitten

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Belgien hat eines der liberalsten Sterbehilfe-Gesetze der Welt. Seit fünf Jahren können unter bestimmten Umständen sogar Kinder um den Tod bitten. Die Regel ist noch immer heftig umstritten.

Ein Kind wurde neun Jahre alt. Ein zweites starb mit elf. Und das dritte wurde 17. Sie alle waren unheilbar krank. Und sie alle entschieden sich bewusst fürs Sterben. Vor fünf Jahren hat Belgien die aktive Sterbehilfe auf Minderjährige ausgeweitet, ohne Altersgrenze. Mindestens drei Mal wurde sie seither angewendet.

In der EU einmalig

Die belgische Regelung ist in der EU einmalig. In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe ab zwölf Jahren erlaubt, in Luxemburg nur bei Volljährigen. In Belgien dürfen Erwachsene seit 2002 um ihren Tod bitten, in Deutschland ist aktive Sterbehilfe dagegen komplett verboten. Passive Sterbehilfe – das Abschalten von Apparaten – und indirekte Sterbehilfe, bei der starke Medikamente Schmerzen lindern und als Nebenwirkung das Sterben beschleunigen, sind zulässig.

Die Ausweitung des belgischen Gesetzes vor gut fünf Jahren löste heftige Diskussionen aus. Kann ein Siebenjähriger die Dimension dieser Entscheidung begreifen? Kann eine Neunjährige etwas Abstraktes wie Schmerz bewerten? Noch während der Abstimmung im belgischen Parlament am 13. Februar 2014 rief ein Zuschauer „Mörder“ in den Saal. Als 2016 der erste Fall bekannt wurde, schaltete sich der Vatikan ein. Das Gesetz nehme Kindern das Recht auf Leben, hieß es.

Die freie Wahl

Die staatliche Sterbehilfe-Kommission sieht das anders. Obwohl die Regel nur wenige Kinder betreffe, sei sie sinnvoll, heißt in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr. So hätten Minderjährige die freie Wahl und ein Mitspracherecht beim Ende ihres Lebens. „Das Wichtigste ist, dass das Kind die Entscheidung trifft“, sagt die Anwältin Jacqueline Herremans, die der Kommission angehört, der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Für diese Entscheidung sei zwar nicht jedes Kind reif genug. Aber: „Wir sprechen über Kinder, die Wochen oder Monate im Krankenhaus verbringen. Die sind reifer als andere.“ Herremans ist grundsätzlich für aktive Sterbehilfe. „Das sollte die Freiheit jedes Einzelnen sein“, sagt sie. „Aber niemand sollte diese Freiheit haben, ohne ausreichend informiert zu sein.“

Tom Mortier sieht in der belgischen Regelung hingegen alles andere als Freiheit. Seine depressive Mutter habe 2012 ohne sein Wissen um Sterbehilfe gebeten – erst am Tag nach ihrem Tod sei er darüber informiert worden. „Das Problem in unserer Gesellschaft ist offensichtlich, dass wir die Bedeutung des Um-einander-Kümmerns vergessen haben“, sagt Mortier. Seine Mutter habe seit vielen Jahren an Depressionen gelitten, aber sei ansonsten gesund gewesen. Derzeit prüft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Fall.

Unheilbare Krankheit und starke Schmerzen

Bei den bislang bekannten Minderjährigen-Fällen litt ein Patient an der Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose, ein anderer hatte bösartige Tumore im Kopf und der Dritte litt an der Duchenne-Muskeldystrophie, einer bestimmte Art des Muskelschwunds.

Das belgische Sterbehilfe-Gesetz erlaubt Ärzten die Tötung auf Verlangen von erwachsenen, unheilbar kranken Patienten, wenn Mediziner ein unerträgliches Leiden bescheinigen. Auch bei Kindern ist eine unheilbare Krankheit Voraussetzung. Der junge Patient muss unter starken Schmerzen leiden, die kein Medikament lindern kann. Ein Psychologe muss bezeugen, dass er urteilsfähig ist und in der Lage, sich aus freien Stücken fürs Sterben zu entscheiden. Die Eltern müssen zustimmen.

Seitdem Sterbehilfe in Belgien 2002 eingeführt wurde, steigen die Fallzahlen kontinuierlich. 2004 waren es 349 Fälle, 2017 schon 2309. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisiert, dass die belgische Gesellschaft sich an Sterbehilfe gewöhnt habe – dazu habe auch die Diskussion darüber geführt. Allein von 2012 auf 2013 – also als über die Ausweitung auf Minderjährige diskutiert wurde – sei die Fallzahl um fast 400 auf 1807 gestiegen. „Das macht schon betroffen.“

2300 Sterbehilfe-Fälle

Während die aktive Sterbehilfe von französischsprachigen Patienten in Belgien vergleichsweise wenig genutzt wird – 2017 gab es 517 Fälle -, ist das bei den Flämisch sprechenden Patienten anders (1792). Die Niederlande – 2002 das weltweit erste Land, das aktive Sterbehilfe zuließ – sei für die benachbarten Flamen „trauriger Vorreiter des Tabubruchs“, sagt Brysch.

Herremans zufolge haben die flämischen Ärzte von der Erfahrung ihrer Kollegen aus den Niederlanden profitiert. An französischsprachigen Universitäten werde sich jedoch auch heute noch viel weniger mit dem Thema befasst. Für Berührungsängste zur Sterbehilfe gebe es viele Gründe.

Wegen des Sterbehilfe-Gesetzes würden sich mittlerweile jedoch immer mehr Belgier mit dem Tod auseinandersetzen – und auch über Themen wie Palliativmedizin sprechen. In einem kleinen Land wie Belgien mit gut 11 Millionen Einwohnern seien bei rund 2300 Sterbehilfe-Fällen schließlich schon viele Menschen auf die ein oder andere Art – etwa als Angehöriger, Pfleger oder Arzt – damit in Berührung gekommen.

Jacques Zeyen
8. Februar 2019 - 10.34

Das Tabu-Thema Tod raubt dem Menschen den Verstand. Er will sich nicht damit abfinden,dass er absolut gleichsteht mit Pflanzen und Tieren,denn wir kommen alle aus derselben Ur-Suppe. Er sucht also nach dem Ewigen Leben im Jenseits,weil im Diesseits ist noch niemand von den Toten auferstanden oder hat sein Verfallsdatum wesentlich überschritten. Seit die Zahl der Wunder wegen des Durchbruchs der Wissenschaften und der Allgemeinbildung,beträchtlich geschrumpft ist,hat der Mensch die Möglichkeit sich seiner einmaligen Chance des Lebens gewahr zu werden. Er wird sich bewusst,dass er nicht geboren wurde um zu leiden,sondern um das Leben nach Möglichkeit auszukosten. Wenn es nun das Schicksal eines Menschen ist zu sterben,trotz moderner Medizin,dann ist es keinesfalls sein Schicksal sein zu leiden wenn es keine Heilung mehr gibt. Wie unerträglich ein Leiden ist wird wohl der Betroffene am besten wissen,die Unheilbarkeit kann allein vom Arzt festgestellt werden. Ein Mensch der entscheidungsfähig ist,egal welchen Alters,sollte dann auch die Hilfe bekommen die er verlangt.Wir sind fähig uns die schlimmsten Schmerzen zuzufügen,aber mit der Erlösung vom Leiden haben wir Schwierigkeiten,auch wenn wir darum gebeten werden.