Im Sumpfgebiet: Trotz Ibiza-Gate kommen die Parteifinanzen in Österreich nicht unter staatliche Kontrolle

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Das Ibiza-Video hat Österreich strengere Regeln für Parteispenden beschert. Doch der Hüftschuss des Parlaments war mehr von parteipolitischem Kalkül als vom Streben nach wirklicher Kontrolle getrieben.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Seit vor knapp zwei Monaten das in einer Villa auf Ibiza heimlich gefilmte Gespräch veröffentlicht wurde, in dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen detailliert die Möglichkeiten illegaler Parteispenden erklärt, ist in Österreichs Politik kein Stein auf dem anderen geblieben. Neben dem Sturz der ÖVP-FPÖ-Regierung hatte Ibiza-Gate vor allem eine intensive Diskussion über die Trockenlegung des Parteispendensumpfes zur Folge.

Denn Straches Anleitung zu verbotenen Spendenaktivitäten hatte eine reale Grundlage. Das bestehende System begünstigte die Verschleierung der Parteifinanzen, vor allem deren Herkunft. Allerdings geriet zunächst weniger die FPÖ als Auslöser des Skandals ins Visier, sondern die ÖVP als bevorzugtes Ziel spendierfreudiger Industrieller. Schon im Wahlkampf 2017 war Stefan Pierer ein großes Thema: Der Industrielle, zu dessen Firmenimperium der bekannte Motorradhersteller KTM zählt, half mit 436.000 Euro, den Weg von Sebastian Kurz (ÖVP) ins Kanzleramt zu ebnen. Doch wie sich nun herausstellte, war Pierer gar nicht der vermeintliche Rekordspender: Klaus Ortner, Großaktionär des Baukonzerns Porr, bedachte die ÖVP im letzten Wahlkampf mit 2.000 Euro mehr.

Barriere gegen Spendenflut

Erfahren hat die Öffentlichkeit das seinerzeit freilich nicht. Denn eine gesetzliche Pflicht zur sofortigen Offenlegung von Großspenden bestand erst ab 50.000 Euro. Ortner hat seine 438.000 Euro nicht auf einmal gespendet, sondern gestückelt in Tranchen von knapp unter 50.000 Euro. Die ÖVP hatte zwar höchste Transparenz gelobt und solche Tricksereien geleugnet. Wie man nun weiß, war das nicht die ganze Wahrheit.

Jetzt soll mit solchen Praktiken Schluss sein. Seit dieser Woche gilt ein im Eilverfahren durchgepeitschtes Gesetz, das die Parteifinanzierung auf neue Füße stellt – und vor allem die ÖVP trifft. Denn nun darf niemand mehr als 7.500 Euro pro Jahr an eine Partei spenden und keine Partei insgesamt mehr als 750.000 Euro jährlich annehmen. Spenden müssen ab 2.500 Euro sofort offengelegt werden, Spenden aus dem Ausland sind überhaupt verboten. Zudem wird eine Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro pro Partei mit einer Strafe von bis zu 150 Prozent des überzogenen Betrages belegt.

750.000 statt 13 Millionen Euro

Auch das trifft besonders die ÖVP, die 2017 mit 13 Millionen Euro den Ausgabenrekord hielt und erst gestern dafür vom Rechnungshof angezeigt wurde. Die Strafe wird auf Basis der alten Rechtsgrundlage mit einer Million Euro milde ausfallen. Leistet sich die ÖVP auch im aktuellen Wahlkampf eine derartige Kostenüberschreitung, wird es empfindlich teuer.

Es ist wenig verwunderlich, dass die neue Parteienfinanzierung nicht mit Zustimmung der ÖVP zustande gekommen ist. Vielmehr haben sich SPÖ und FPÖ zusammengetan und das Gesetz mit ihrer Mehrheit gegen den Willen der Türkisen beschlossen.

Die durchaus allgemein begrüßte Begrenzung der Spendenflut hat allerdings einige Schönheitsfehler. Zentraler Kritikpunkt etwa der Antikorruptionsorganisation Transparency International ist der Verzicht auf Kontrollbefugnisse für den Rechnungshof. Diesem müssen die Parteien zwar ihre Spenden und Wahlkampfkostenbilanzen melden, doch die Daten auf Plausibilität überprüfen darf er auch künftig nicht. Außerdem werden zwar Teilorganisationen der Parteien in den Rechenschaftspflicht einbezogen, nicht aber Vorfeldorganisationen, welche vor allem bei der SPÖ eine große Rolle spielen.

Noch schnell eine Großspende

Die Sozialdemokraten kommen nämlich so gut wie nie in die Verlegenheit, Großspender melden zu müssen, profitieren dafür aber von speziellen Vereinskonstruktionen.

Das „Wiener Kulturservice“ etwa ist Mitveranstalter des alljährlichen Donauinselfestes, eines Großevents, für den die Stadt Wien jedes Jahr 1,8 Millionen Euro Förderung gewährt. Laut einem Rechnungshof-Rohbericht verwendet der SPÖ-nahe Verein, der auch das Wiener 1.-Mai-Fest ausrichtet, einen Teil der Gelder für Parteiwerbung. In diesem Fall ermittelt nun die Korruptionsstaatsanwaltschaft ebenso wie gegen Vereine im Umfeld der FPÖ und der ÖVP.

Keinen Ansatzpunkt hat die Justiz dagegen auch nach dem neuen Gesetz gegen die Umgehung des Wahlkampfkostenlimits durch die Auslagerung von kostenintensiven Aktivitäten an nahestehende, offiziell aber von der jeweiligen Partei abgekoppelte Vereine.

Vor allem die liberalen Neos werden nicht müde, die neuen Regeln als völlig unzureichend zu brandmarken. Sie sind es aber auch, die krasse Umgehungstatbestände aufzeigen. Wenige Stunden vor Inkrafttreten des Gesetzes hat der Industrielle Hans-Peter Haselsteiner den Neos am Montag noch schnell 300.000 Euro überwiesen – das 40-Fache dessen, was er jetzt noch spenden darf. Und die Neos wollen künftig auch „fördernde Mitglieder“ aufnehmen. Deren höherer Mitgliedsbeitrag gilt nicht als Spende und fällt somit nicht unter die gesetzliche Deckelung. Man darf davon ausgehen, dass auch die anderen Parteien ähnlichen Einfallsreichtum entwickeln werden, um das Spendensumpfgebiet vor dem Austrocknen zu bewahren.

Grober J-P.
14. Juli 2019 - 13.52

Moorleichen halten länger. Sogar das Geld in ihren Taschen bleibt intakt. Die Spenden dienen doch nur zum Erhalt einer gutfunktionierenden Demokratie. Wir sollten uns so langsam dran gewöhnen.