„Ich bin stolz auf diese Uni“ – Ein Gespräch mit Rektor Stéphane Pallage

„Ich bin stolz auf diese Uni“ – Ein Gespräch mit Rektor Stéphane Pallage
Foto: Jean-Claude Ernst / fgg

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Neun Monate nach seinem Amtsantritt feierte Rektor Stéphane Pallage am Freitag seine erste „Rentrée“, einen Semesterstart, der in den großen Linien auch schon seine Unterschrift trägt. Dies umso mehr, als der gebürtige Belgier, mit langjähriger kanadischer Erfahrung, laut eigenen Aussagen selbst mittlerweile „in Luxemburg angekommen ist“.

Während die Studenten erst ganz allmählich zum Frühstück antreten und die Räumlichkeiten in Augenschein nehmen, in denen sie die nächsten Jahre verbringen werden, ist in der obersten Etage der „Maison du savoir“ bereits Hochbetrieb. Die Besucher geben sich die Klinke zum Büro des Rektors geradezu in die Hand. Dennoch wirkt Stéphane Pallage entspannt, weder der Besucherandrang noch der Beginn des neuen Studienjahres scheinen ihn zu stressen.

„Sorry, es geht nicht anders“, sagt er und bittet in sein Büro, von wo aus man einen wunderbaren Ausblick auf das neue Stadtviertel von Esch hat.

Tageblatt: Herr Rektor, Sie werden in einer knappen Stunde die Neuankömmlinge der Uni Luxemburg zum Anfang des Studienjahres hier in Belval begrüßen. Trägt diese „Rentrée“ bereits Ihre Handschrift?
Stéphane Pallage: Ich hoffe doch sehr. Der Semesterstart an der Universität ist der Anfang von allem, er erlaubt alle Träume und Höhenflüge. Ich jedenfalls bin begeistert von dieser Uni, die ihren Studenten viele Perspektiven bietet und ihrem Ehrgeiz keine Grenzen setzt. Hier ist Platz für jeden ihrer Träume.

Ist diese Definition des Hochschulstudiums nicht allzu romantisch? Die Wirklichkeit ist doch viel härter?

Ich wehre mich gegen die Vorstellung, dass die Universität die Studenten aussondert, dass einem mit 18 Jahren als Erstes Angst vor einem Misserfolg gemacht wird. Natürlich muss man hart arbeiten, um auf der Uni Erfolg zu haben.
Aber man muss auch träumen dürfen und die Möglichkeit bekommen, sich diese Träume zu erfüllen. Wer unter diesem Impuls versucht, das Unmögliche wahr zu machen, der steht auf der richtigen Seite. Ich sage den Studenten bei der Begrüßung: Schaut euch um – vielleicht sitzt hier die künftige luxemburgische Premierministerin oder einer der nächsten Nobelpreisträger unter euch.

Welche Mittel nehmen Sie in die Hand, um diesen Traum wahr werden zu lassen? Die Methoden Ihrer Vorgänger oder eine eigene Vorgehensweise?
Sowohl als auch. Ich wurde bei meinem Amtsantritt stark belächelt, als ich die Uni Luxemburg mit einem Schmuckstück verglich. Ich halte aber nach wie vor an diesem Bild fest. Nach 15 Jahren Existenz ist die Uni zwar noch sehr jung, sie hat jedoch schon viel Profil gewonnen und sie hat noch immer ein beeindruckendes Potenzial.

Unsere Universität hat es geschafft, eine interdisziplinare Kultur aufzubauen, das Zusammenleben und -arbeiten verschiedener Disziplinen. Das gibt es kaum an den anderen Universitäten, die traditionell in Silos organisiert sind. Die Mathematiker arbeiten dort mit Mathematikern zusammen, die Wirtschaftsfachleute bleiben unter sich, genau wie die Juristen.

In Luxemburg ist das nicht der Fall. In den drei interdisziplinären Zentren der Uni sitzen jeweils ganz unterschiedliche Wissenschaftler zusammen. So entstehen Forschungseinheiten, deren Arbeiten Luxemburg auf die Weltkarte setzen. Das ist für das „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“ (LCSB) der Fall genauso wie für das „Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust“ (SnT), wo Statistiker, Informatiker und Experten für künstliche Intelligenz ihr Wissen vereinen.

Bei dieser Art von Arbeiten springen die Funken, dabei entstehen die besten Ideen und Resultate. Diese Zusammenarbeit lag von Anfang an gewissermaßen in der DNA der Uni Luxemburg und unterscheidet uns von allen anderen, die ich kenne. Diese Kultur und die der Exzellenz werden wir weiterführen.

Verbesserung eher als Innovation?
Es gibt auch Neuerungen. So haben wir uns bei der Vorstellung der Luxemburger Weltraumagentur, Anfang der letzten Woche, verpflichtet, diese mit einem interdisziplinaren Master zu begleiten. Mit derartigen innovativen Forschungsprojekten können wir dann auch bei den internationalen Fonds Fördergelder beanspruchen. Auch das Medizinstudium werden wir ab 2020 als kompletten Bachelor anbieten.

Sind das die Vorboten einer kompletten Universität?
Ich glaube, wir sind besser beraten, wenn wir auf den von uns auf hohem Niveau betreuten Gebieten bleiben und versuchen, hier die Nase vorn zu behalten und die Bestmöglichen zu sein.

Der Rücktritt Ihres Vorgängers und Ihre Ankunft in Luxemburg standen unter einem schlechten Stern. Der Uni wurde ein schlechter Umgang mit ihren Geldern vorgeworfen, zum Teil war von Misswirtschaft die Rede. Haben Sie diese Probleme mittlerweile im Griff? Sind sie gelöst?
Zuerst möchte ich betonen, dass es keine Geldschwierigkeiten gab. Die Haushaltsbilanz von 2017 ist ausgeglichen, alle Konten sind im Gleichgewicht. Die Erklärung für die finanziellen Probleme ist übrigens ganz einfach. Vergleichen Sie die Anfänge der Uni mit einem Start-up, das seit seiner Gründung vor 15 Jahren sehr schnell gewachsen ist, so dass die Verwaltung nicht immer Schritt halten konnte. Das Hauptproblem war, den komplexen Unihaushalt aufzustellen. Inzwischen haben wir uns verwaltungstechnisch neu organisiert, wir haben die notwendigen professionellen Infrastrukturen, um unsere Arbeit zu machen.
So gesehen macht mir die Kritik keine Angst, vor allem, weil die Fakten ihr widersprechen. Nicht zuletzt, weil der geschäftsführende Rektor und der Aufsichtsrat das Schiff sehr gut gesteuert haben.

Bleibt die Uni auch unter Ihrer Führung eine Forschungsuniversität eher als eine Lehranstalt, so wie das bislang der Fall war?
Es gibt keine Universität ohne Forschung. Genauso notwendig ist aber auch ein fortschrittlicher Unterricht, der die Studenten auf ihre Zukunft vorbereitet. Wir setzen dabei sehr stark auf neue Formen des Unterrichts, die vor allem den neuen Technologien viel Platz machen.

Die universitäre Lehre ist gegenwärtig im Wandel. Die Zeit der großen Hörsäle, in denen die Dozenten sozusagen von der Kanzel herab dozierten, ist vorbei. Es wird eher in kleinen Gruppen gearbeitet, wobei der Student aktiv in die Arbeiten impliziert ist.

Ich selbst habe einen großen Teil meiner Studien in den USA und in Kanada absolviert, ich kenne diese Methoden. Ich war begeistert, diese Form von Unterricht in Luxemburg wiederzufinden. Wir wollen auch in Zukunft diese Gruppenarbeit fördern, bei der der Student nicht nur vom Dozenten lernt, sondern auch aus der Erfahrung seiner Kommilitonen heraus und mithilfe der neuen, digitalen Technologien. So hat er alle Instrumente in der Hand, um seine Träume wahr zu machen.

In vier Wochen wird hier in Luxemburg gewählt. Welche ist Ihre Botschaft an die Parteien, die sich zur Wahl stellen? Welches sind Ihre Wünsche an den neuen Minister für Hochschule und Forschung?
Dass auch weiterhin in Forschung und Lehre investiert wird. Die Regierungen sind seit der Gründung der Uni Luxemburg immer sehr großzügig gewesen, und das trägt Früchte, denn so halten wir international in wissenschaftlicher, technischer und pädagogischer Innovation Schritt. Die Forschungsakteure sind zudem mehr denn je zur Teamarbeit bereit und das fördert die Innovationskraft weiter.

Die Universität ist zeitweilig immer noch am Rande der Gesellschaft, das Viertel Belval bleibt in vielen Köpfen ein fremdes, häufig ungeliebtes oder völlig unbekanntes Anhängsel von Esch. Was sollten wir tun, damit sich diese Gesinnung ändert und die Universität in der Gesellschaft ankommt?
Ich selber gehe auf die Leute zu, meine Kollegen und ich versuchen, als Botschafter unserer Arbeit aufzutreten und diese zu bewerben. Ich bin jederzeit bereit, über die Uni und ihre Arbeit zu sprechen. Das kann in einem Service-Club oder in einer Vereinigung sein. Das kann ich aber auch in einer Sekundarschule machen, wo ich den Schülern erklären kann, wie unsere Arbeit aussieht und wo sie sich später vielleicht einbinden können.

Wir müssen unsere Arbeit greifbar machen, den Dialog mit der Gesellschaft suchen. Für unsere Wissenschaftler ist es natürlich wichtig, dass sie in hochkarätigen Fachpublikationen über ihre Arbeiten berichten können. Wir brauchen aber auch ein Echo in den hiesigen Medien und beim breiten Publikum.

Es ist wichtig, dass wir uns nicht vom Stadtzentrum von Esch abtrennen. Zwischen uns und dem Zentrum liegt ein wichtiges Stahlwerk, das hochwertige Spundwände produziert und das ich auch nicht infrage stellen will – das aber häufig als Trennungslinie verspürt wird.
Vielleicht sollte man im Rahmen von Esch 2022 weiter über eine Seilbahn nachdenken, die die beiden Stadtteile von Esch auf attraktive Weise annähern könnte. Wir sind hier (in Belval; Anm. der Red.) an einem sehr attraktiven Standort, der – wenn alle Forschungsakteure hier gruppiert sind – Dreh- und Angelpunkt der Innovation sein wird.