Ich bin dann mal weg: Ein Gap Year als bereichernde Erfahrung

Ich bin dann mal weg: Ein Gap Year als bereichernde Erfahrung
Foto: Marco Goetz

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Der Sekundarunterricht hat in Luxemburg wieder begonnen. Auch für die Abschlussklassen. Auf sie wartet am Ende des Schuljahres ein wichtiges Examen. Wohl alle wollen bestehen. Und was dann? Was tun, wenn man dann (noch) keine Lust auf Studium oder Beruf hat?

Ein Gap Year ist eine gute und nützliche Alternative. Mit Faulheit oder Nichtstun habe es nichts zu tun, erklären Nathalie Schirtz und Raymonde Bauer vom SNJ in Luxemburg sowie Sybille Schmitz vom AIFS in Bonn, die Gesprächspartnerinnen für unsere Reportage. Möglichkeiten gibt es viele. Zum Beispiel Au-pair, Work and Travel, Freiwilligendienst in Luxemburg oder im nahen oder entfernteren Ausland. Die Kosten sind relativ. Wer überwiegend reisen und Spaß haben möchte, zahlt dementsprechend. Wer bereit ist, während seiner Auszeit zu arbeiten, kann je nachdem sogar ins Ausland reisen, ohne selbst komplett dafür aufkommen zu müssen.

Die jungen Leute sollen in die Welt ziehen, ihren Horizont erweitern, selbstständiger werden, Verantwortung übernehmen und mit dem, was sie erlebt haben, zurückkommen, vielleicht auch mit einem Stück gelebter Solidarität, das sie dann weitervermitteln können, sagen die Verantwortlichen vom SNJ und vom AIFS.

Ein Gap Year, ob nun zwölf Monate lang oder kürzer, sei niemals verlorene Zeit, sondern stets ein Gewinn – für Charakter und Lebensplanung, für Studien und Berufsauswahl. Na denn, nichts wie los! Wer sich im Sommer 2020 ins Abenteuer stürzen möchte, sollte jetzt schon mit den Vorbereitungen beginnen.

Fast schon die Qual der Wahl

Das American Institute For Foreign Study (AIFS) ist ein Spezialist auf dem Gebiet des Gap Year. In 22 Ländern der Welt, von Kanada bis Neuseeland, kann man mit der 1964 in den USA gegründeten Organisation reisen, studieren, soziale Projekte unterstützen oder arbeiten.

Das für Luxemburg zuständige AIFS-Büro liegt in Bonn. Francesca hat am Telefon bereits erste Informationen gesammelt sowie einen Termin vereinbart – und fährt nun dorthin. Frau Sybille Schmitz vom AIFS begrüßt sie. Das Büro in Bonn ist weitläufig und erinnert besonders im Eingangsbereich an eine moderne Jugendherberge. Alles weist darauf hin, dass hier ein Startpunkt ist. Wohin die Reise gehen soll, wird individuell festgelegt. Auch inwiefern man die Assistenzdienste vom AIFS in Anspruch nehmen möchte. Die Organisation plant die ganze Reise mit fast allem Drum und Dran und kann die Teilnehmer dank Partnern auch direkt vor Ort betreuen. Besonders Eltern dürften das zu schätzen wissen. „Eltern haben oft mehr Fragen als die Jugendlichen“, sagt Sybille Schmitz.

„We bring the world together“

Das AIFS wurde 1964 von einem Engländer und seiner französischen Frau in den USA gegründet. Die Vision damals wie heute: „We bring the world together“. „Wir wollen Verständnis füreinander schaffen“, erzählt Sybille Schmitz. Aus dieser Vision sind dann unterschiedliche Programme entstanden, die heute angeboten werden. Zum Beispiel: Au-pair.

Diese Option scheint sehr beliebt zu sein. Man lebt in einer Gastfamilie, erlebt den Alltag in einem fremden Land, verbessert seine Sprachkenntnisse und schließt neue Freundschaften. Über AIFS kann man als Au-pair nach Kanada, Australien, Neuseeland, China oder in die USA reisen. Schmitz erklärt Francesca, dass man nicht ins kalte Wasser geworfen wird, sondern in einer Gruppe mit anderen Au-pairs reist. Vor Ort wird man in Empfang genommen und während sogenannter „Orientation Days“ einige Tage lang gemeinsam auf das große Abenteuer vorbereitet.

Als Au-pair in die Welt

Dann gibt es auch „Work and Travel“. Im Grunde genommen ähnelt das Prinzip hier jenem des Au-pairs, nur dass man sich nach den Orientierungstagen vor Ort selbst nach einer Unterkunft und einem Job umschauen muss. Aber keine Angst: Wenn nötig, leistet das AIFS hier Schützenhilfe. Partner vor Ort können dabei behilflich sein, Jobangebote zu finden, sich bewerben muss man allerdings natürlich selbst. In vielen Ländern gibt es auch spezielle Joblisten für Work and Traveller. Man kann beispielsweise als Erntehelfer in den Weinbergen arbeiten, auf dem Feld, auf einer Baustelle oder als Kellner. Einige Teilnehmer sind mit dem Zug unterwegs, andere mit einem geliehenen Auto, zu Fuß oder mit dem Bus. Das Interesse an diesen Programmen nimmt jedenfalls stark zu.

Ähnlich verhält es sich mit Adventure Trips, einer Art mehrwöchiger Gruppenreise, mit Surfcamps in Australien sowie mit dem Freiwilligendienst. Zu Letzterem gehört zum Beispiel das Sammeln von Plastikmüll in Sansibar, das Pflegen von Meeresschildkröten oder ein Schnuppersemester an ausländischen Universitäten wie jenen in Costa Rica oder auf Bali. Was das Abenteuer kosten wird, hängt von den Wünschen der Teilnehmer ab, also davon, ob sie mehr reisen als arbeiten wollen oder umgekehrt. Work and Travel gibt es übrigens ab 2.000 Euro, Flug inklusive.

Infos aus erster Hand

Wichtig ist, dass man sich rechtzeitig Gedanken darüber macht, was man gerne machen möchte – vor allem wegen des Visums. Hier stellen sich so einige Fragen: Muss es ein Arbeitsvisum oder ein Touristen- bzw. Studentenvisum sein? Je nach Land gibt es unterschiedliche Prozeduren – die Visen müssen dementsprechend oft eine ganze Weile im Voraus angefragt werden, manchmal muss man sie auch in Brüssel abholen. Wer sich für eine Reise als Au-pair meldet, muss zudem eine Art Leumundszeugnis zusammenstellen. Alles in allem muss man also viel beachten – und sich am besten schon darum kümmern, bevor der große Examensstress losgeht.

Die Menschen, die im Bonner Büro arbeiten, haben selbst diverse Auslandserfahrungen gemacht, können also aus erster Hand informieren. So wissen Daria und Johanna genau Bescheid, wie lange Francesca als Au-pair in welchem Land arbeiten darf. In Neuseeland zum Beispiel darf man nur drei Monate bei derselben Gastfamilie bleiben. In den USA sind es schon 12 Monate.

Francesca scheint auch sehr an einem Auslandssemester interessiert zu sein. Da weiß Katarina Bescheid, erteilt Auskunft und holt ein paar Broschüren – „zum Durchstöbern“. Besonders bei Auslandssemestern sei es wichtig, sich früh zu entscheiden und anzumelden, sagt Katarina. Studieren im Ausland ist recht teuer, vor allem wegen der hohen Studiengebühren. „Wie suche ich mir ein College aus?“, fragt Francesca. „Auf der Webseite gibt es ausführliche Angebote. Da kann man sich umschauen, sich dann beim College selbst informieren oder mit dem AIFS darüber reden“, antwortet Katarina.

Vielfältige Beratung

Wie Francesca nehmen sich viele Jugendliche einen Termin im Bonner Büro. Daneben gibt es Tage der offenen Tür, Messen, Infoabende zu spezifischen Themen und natürlich die Webseite. Auch auf den sozialen Medien sind Informationen zum AIFS zu finden, auf Instagram gibt es Fotos und auf YouTube Filme. Im Februar nächsten Jahres findet im Büro in Bonn übrigens ein Treffen ehemaliger Teilnehmer statt.

Die Beratung ist immer kostenlos. „Wir beraten dich so, dass du die beste Zeit im Ausland hast und für dich dein bestes Programm findest“, so Sybille Schmitz. Sie weist auf die vielen positiven Rückmeldungen der Teilnehmer aus den verschiedensten Bereichen hin. Probleme gebe es eher selten – und wenn sie auftauchen, beispielsweise wenn ein Kurs am College verlegt wurde, dann wird versucht, Abhilfe zu schaffen. Das gilt natürlich ganz besonders, wenn jemand anruft und über Heimweh klagt. Das lege sich aber oft ganz schnell und schlage in Fernweh um – und zwar an dem Tag, an dem die Rückreise angetreten wird.

Entschieden hat sich Francesca nach den Gesprächen in Bonn noch nicht. Soll sie auch nicht, so die Leute vom AIFS. Erst mal soll sie alle Informationen verdauen und sich dann entscheiden. Vielleicht ja auch zum Beispiel für eine der unzähligen Kombinationsmöglichkeiten: reisen, arbeiten, lernen und vor allem genießen. „Das klingt gut“, meint Francesca.


Raus in die weite Welt

 

Wer sich an einem Freiwilligendienst in Luxemburg oder Europa sowie an Projekten der Luxemburger Kooperationshilfe interessiert, der wird beim SNJ („Service national de la jeunesse“) fündig, umfassend informiert und beraten. Zudem sind im Prinzip alle Kosten gedeckt.

Grob gesehen bietet der SNJ zwei Möglichkeiten, um die Welt zu entdecken und sich zu engagieren. Es gibt, so erklären Raymonde Bauer und Nathalie Schirtz vom SNJ, zum einen den Freiwilligendienst in Luxemburg sowie in Europa und zum anderen ein Engagement im Rahmen der Kooperationshilfe mit den Zielländern des Großherzogtums. Für beide Optionen soll man 18 Jahre alt und in Luxemburg wohnhaft sein (Nationalität spielt keine Rolle). Ein Schulabschluss ist nicht zwingend erforderlich. Wer interessiert ist, kann sich über volontaires.lu informieren und/oder an alj@snj.lu schreiben.

Hilfreich sind auch die Infoveranstaltungen, die monatlich stattfinden: Alle zwei Monate im Forum Geesseknäppchen in Luxemburg-Stadt (die nächste ist am 2. Oktober um 12 Uhr) und in den Monaten dazwischen an verschiedenen Orten im Land (zum Beispiel am 6. November um 14.30 Uhr in der Jugendherberge in Esch/Alzette). Ein Teilnahmezertifikat für die Schule kann ausgestellt werden. Während 90 Minuten gibt es umfassende Informationen über Kooperationshilfe.

Kooperationshilfe

Hierbei geht es um den Freiwilligendienst im Rahmen der Projekte mit den Zielländern der Luxemburger Kooperationshilfe. Gemeinsam mit dem SNG und dem „Cercle des ONG“ finden Gespräche statt, um ein passendes Projekt auszuwählen und die Aufgaben vor Ort zu definieren. Diese Projekte dauern mindestens sechs Monate und maximal ein Jahr. Mit der betreffenden ONG wird festgelegt, wann es losgeht: Nach Südamerika, wo man unter anderem im Tourismusbereich oder mit Straßenkindern oder in Frauenhäusern arbeiten kann. Oder nach Afrika oder Asien, wo man sich beispielsweise im Jugendbereich engagieren kann.

Die zweite Option führt nicht ganz so weit weg und die Mindestdauer beträgt nur drei Monate. Es gibt die Möglichkeit eines Freiwilligendienstes in Luxemburg oder in einem anderen europäischen Land beziehungsweise in verschiedenen EU-Nachbarländern. Gemeinsam mit dem SNJ kann man sich aus einer europäischen Datenbank sein Projekt (zum Beispiel Umwelt oder Soziales) nach Verfügbarkeit aussuchen.
Um die Kontakte zu erleichtern, werden vor Ort Kurse in der landesüblichen Sprache angeboten.

Kostendeckend

Für beide Optionen gilt, dass sie kostendeckend sind, man also selbst eigentlich nichts bezahlen muss. Flugticket, Visum und Impfungen werden bis zu 1.600 Euro bezahlt. Zudem gibt es ein Taschengeld und Zulagen für Essen, Wohnen und Transport. Zusätzlich übernimmt der Staat die Gesundheits- und Pensionskasse sowie eine Unfallversicherung. Weitere Details werden vor der Abreise bei zwei obligatorischen Vorbereitungsseminaren geklärt.


3 Fragen an: Julie Faha, 19, Au-pair in Neuseeland

Warum hast du dich nach dem Abitur für ein Gap Year entschieden?
Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Ich weiß immer noch nicht wirklich, was ich denn nun eigentlich mit meinem Abschluss anfangen soll. Ich bin mir sicher, dass ich studieren will, aber die Frage ist halt was. Ich will nichts überstürzen, also nicht einfach nur das Erstbeste wählen. Deshalb sammle ich jetzt erst einmal Erfahrungen als Au-pair in Neuseeland.
Dann ist es so, dass ich nicht zu den Leuten gehören will, die später sagen „Hätte ich das bloß auch gemacht!“. Für mich ist das Gap Year auch eine Art Challenge. Ich möchte Neues erleben, neue Menschen und eine neue Kultur entdecken. Ich möchte meine eigenen Grenzen und Ängste überwinden. Wann gibt es dafür eine bessere Zeit als jetzt, wenn man noch jung ist?

Wie ist deine Erfahrung als Au-pair in Neuseeland bisher gewesen?
Für mich war es am Anfang etwas schwerer als erwartet. Man muss sich an die Gastgeber-Familie gewöhnen – und auch sie muss sich an mich gewöhnen. Vor allem bei Kids ist das nicht ganz einfach, denn die wollen mich als Au-pair auch gerne mal „testen“. Es gibt Tage, an denen alles super klappt, aber auch welche, an denen gar nichts geht und man sich am liebsten ins Zimmer verkriechen würde, was man dann aber natürlich nicht machen kann. Aber man merkt schnell, dass es bergauf geht! Ich habe mit meiner Gastgeber-Familie echt Glück gehabt. Meine Gast-Eltern sind beide rücksichts- und verständnisvoll, wenn ich mich mal unsicher fühle – und auch die Kids sind mir nach so kurzer Zeit schon ans Herz gewachsen. Wichtiger Tipp: Kommunikation ist alles! Wenn man sich unsicher fühlt, behält man es oft für sich, doch ich muss immer wieder feststellen, dass es einem so viel besser geht, wenn man mit jemandem darüber redet!

Wie sieht es aus mit dem Heimweh?
Ich denke, das hängt von Person zu Person ab. Ich persönlich bin ein Familienmensch und habe oft Heimweh. Während der ersten Tage habe ich oft an meiner Entscheidung, so lange von zu Hause wegzubleiben, gezweifelt – aber ich merke, dass auch das immer seltener vorkommt, je mehr ich mich einlebe. Es gibt natürlich immer wieder Höhen und Tiefen, aber auch hier hilft es, mit der Familie darüber zu reden. Außerdem ist es wichtig, unter Leute zu kommen, sich mit anderen Au-pairs zu treffen, Sachen zu unternehmen. Mir hilft das sehr!


3 Fragen an: Sarah Jacoby, 19, arbeitet und reist jetzt

Abitur in der Tasche – und jetzt?
Ich mache „Work & Travel“ in verschiedenen Ländern in Europa.

Warum?
Um mich vom Examensstress zu erholen und den Kopf freizubekommen. Mir gefällt es, aus dem gewohnten Umfeld rauszukommen und meinen Horizont zu erweitern. Außerdem will ich Erfahrungen sammeln, die ich nicht machen könnte, wenn ich sofort studieren würde.

Und nach deiner Europatour?
Nach meiner Europatour möchte ich im Ausland studieren – wenn ich den passenden Studiengang finde.

 

Kontakte: 

 

– Freiwilligendienst in Luxemburg und Europa
sowie in den Zielländern der Luxemburger Kooperationshilfe:
Infos: volontaires.lu,
Kontakt: alj@snj.lu
– Europäisches Jugendportal: europa.eu/youth
– Gap Year mit AIFS:
Info: aifs.de,
Kontakt: info@aifs.de

Laird Glenmore
20. September 2019 - 9.57

Mein jüngster war auch ein Jahr lang in Phönix ( Arizona ) auf der Highschool ich weiß nicht was daran verkehrt sein soll wenn jugendliche sich aus eigenen Stücken weiterbilden, besser als ein Jahr in Indien um sich jeden Tag voll zudröhnen.

Realist
19. September 2019 - 14.10

Kee Problem, léif Jonk. Amuséiert iech roueg ee Joer laang mat "work an travel". Mer lescht aal Dëlpesssen aus der Baby-Boomer-Generatioun ginn alleguer gäer nach e Joer méi laang schaffen.