Elend und Schulden – Hinter den Kulissen endet die Strahlkraft von Paris

Elend und Schulden – Hinter den Kulissen endet die Strahlkraft von Paris

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Paris strahlt. Paris hat ein großes kulturelles Angebot, in Paris kann man viel sehen. Natürlich muss man in Paris einkaufen. Wer gezielt ein Wochenende oder einige Tage mehr in Frankreichs Hauptstadt ist, der fährt mit großen Eindrücken wieder nach Hause. Hinter die Kulissen der Stadt und auf ihre Schwierigkeiten blickt kein Tourist wirklich.

Da es im Bahnhof wieder einmal Schwierigkeiten gab, fuhr der TGV an ihm vorbei auf den Schienen der S-Bahn zum Bahnhof Austerlitz. Mehr oder weniger unfreiwillig wurde den Fahrgästen dabei ein Gesicht von Paris präsentiert, das man nicht so gerne zeigt. Schmutzige Hochhäuser mit vergitterten Fenstern, mit der Wäsche auf dem Balkon, den Fahrrädern dort oder auch Schränken. Es ist nicht ganz das Paris, das man kennt und das gerne nach außen hin gezeigt wird.

Kommt der Zug wirklich im Bahnhof Montparnasse an, führt am späten Nachmittag der Weg unweigerlich an einer Familie vorbei, die auf den Boulevards dort seit Jahren auf Pappe schläft. Wer regelmäßig in Paris ist, durfte zusehen, wie ein Baby dieser Familie auf der Straße groß wurde.

Flüchtlinge wohnen in Zelten

Wer auf dem Weg zur Luxemburger Botschaft hinter dem großen Marsfeld entlanggeht, der kommt an der „Ecole militaire“ vorbei und kann zusehen, wie das riesige Gebäude nach und nach verfällt. Und wer letztlich zum Canal Saint-Martin geht, der wird dort immer wieder Zelte wie jene sehen, die es bei Decathlon für billiges Geld zu kaufen gibt. Es sind Flüchtlinge, die sich dort niedergelassen haben und von privaten Organisationen betreut werden.

Nicht anders geht es im Viertel rund um die Porte de la Chapelle zu, das Flüchtlingen geradezu als Angebot überlassen wird. Paris, das wird deutlich, ohne dass man groß suchen müsste, kommt mit seinen sozialen Problemen nicht mehr zurecht. Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat zwar ein Gebäude für die Aufnahme von Asylsuchenden zur Verfügung gestellt, das aber nicht ausreicht.

Ein Kreislauf der in Paris beginnt und endet

Paris ist ein Opfer der unterschiedlichen Zuständigkeiten. Der Innenminister lässt die Camps räumen, die sich dort bilden und sich schnell wieder füllen. Die Bürgermeisterin darf Unterkünfte zur Verfügung stellen, hat deren aber nicht genügend. Eigentlich müsste auch abgeschoben werden, wird es aber nicht. Und: In Paris finden sich diejenigen wieder, die in Unterkünften in der Provinz waren, sich aber vor der Registrierung drücken wollen, weil sie Angst vor der Abschiebung haben. Es ist ein Kreislauf, der in Paris beginnt und endet und  den niemand unter Kontrolle hat.

Familien auf der Straße, Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge sind aber nur ein äußeres Zeichen für vieles, was in Paris nicht stimmt. Die Großstadt hat auch ein Problem mit dem Müll, der die Ratten geradezu magisch anzuziehen scheint. Seit der Überflutung der Straßen im Jahr 2016 haben sich die Tiere aus dem Untergrund nach oben begeben und sie bleiben dort auch.

100 neue Müllmänner

Anne Hidalgo hat sich in einer langen Rede vor dem Rat der Stadt mit dem Problem auseinandergesetzt. 100 neue Müllmänner wurden eingestellt, neue Müllsammel-Touren eingerichtet. Gelöst ist das Problem nicht. Im Gegenteil. Die Vorsitzende der Fraktion der Republikaner im Rat der Stadt, Florence Berthout, klagt an: Das Budget für die Stadtreinigung ist von 149 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 133 Millionen Euro 2016 geschrumpft. Der Raum, der in die Zuständigkeit der Stadtreinigung fällt, ist dagegen um 30 Prozent größer geworden. Umfragen ergeben: Die Mehrheit der Pariser glaubt, ihre Stadt sei nicht sauber.

Die Bürgermeisterin an sich scheint zu einem Problem geworden zu sein. Die Stadt erstickt im Verkehr. Die Luft wird nicht besser – und das trotz eines stetigen Kampfes gegen die Autos. Die Verschuldung steigt stetig an. Und Verträge, die die Bürgermeisterin schließt, stellen sich als schlecht verhandelt oder widersprüchlich heraus. So ist die Verteilung von Strafmandaten für falsch geparkte Autos und nicht bezahlte Parkplätze einem privaten Unternehmen anvertraut worden, von dem es heißt, dass es auch nicht gerechtfertigte Strafmandate veranlasst habe.

Weihnachtsmarkt abgeschafft

Der Vertrag über Mietautos, die man sich in den Straßen mieten konnte, wurde gekündigt. Die Stadtverwaltung sieht sich derzeit mit einer Forderung von mehreren Hundert Millionen Euro konfrontiert. Mit den Mietfahrrädern wird das nächste Problem auf die Bürgermeisterin zukommen, weil das beauftragte Unternehmen bisher nicht geliefert hat. Hidalgo hatte als Nachfolgerin des nicht unbeliebten Bürgermeisters Delanoë eine breite Autobahn vor sich und hätte nur Erfolg haben sollen. Stattdessen ist sie heute zu einer Person geworden, die polarisiert.

Die Bürgermeisterin lädt die Pariser zwar zum Schwimmbad mit Strand an den Ufern der Seine ein. Aber dort fuhren früher Autos, die nun auf den Straßen für Staus sorgen. Hidalgo zitiert eine ungenannte Studie, wonach nun weniger Autos in Paris fahren, die aber sollen keine freie Fahrt mehr haben. Ein Taxi vom Nordbahnhof zum Bahnhof Montparnasse braucht heutzutage 20 Minuten länger und kostet nicht mehr unter 30 Euro. Taxifahrer und Fahrgäste sind verärgert. Ganz abgesehen vom Kampf gegen den Diesel, für den die Pariser Bürgermeisterin eine Vorreiterin geworden ist.

Terrassen und Grünflächen statt Autos und Lkw

Die Anti-Auto-Politik in Paris wird von ihr konsequent fortgesetzt. Große Plätze wie Nation, Bastille, Italie, Gambetta, Panthéon und auch place de la Madeleine sollen für Fußgänger zugänglicher werden. Dort sollen Terrassen angelegt werden und Grünflächen entstehen. Anne Hidalgo will die Stadt einer Austeritätskur unterziehen, bei der sie die Maßstäbe setzt. Der Weihnachtsmarkt im unteren Bereich der Champs-Elysées wurde abgeschafft. Auch das Riesenrad im Jardin des Tuileries an der place de la Concorde musste weichen.

Beides passte nicht zum Niveau der Straße und des Platzes, heißt es aus dem Rathaus. Der Veranstalter verlangt Schadensersatz in Höhe von acht Millionen Euro und verweist darauf, dass der Weihnachtsmarkt und das Riesenrad 15 Millionen Menschen angezogen hätten und Paris 700.000 Euro Standmiete kassiert haben soll, die nun wegfallen.

Immer mehr Schulden

Dabei kann die Stadt jeden Cent gebrauchen. Die Schulden steigen drastisch. Vom Beginn ihrer Amtszeit bis 2017 stiegen die Schulden von 3,4 auf 5,16 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 sollen sie bei 7,5 Milliarden Euro liegen, lauten Schätzungen. Eigentlich sollten die Steuern nicht angehoben werden, hatte Hidalgo versprochen. In Wirklichkeit spült die Touristensteuer 55 Millionen in die Stadtkasse. Zweitwohnungen, die in Paris zum Problem geworden sind, werden mit einer um 20 Prozent erhöhten Wohnsteuer belegt. Die Parkgebühren werden um 180 Prozent angehoben. Die Steuer auf Besitz-Umschreibungen ist von 3,5 auf 4,5 Prozent erhöht worden. Im Wissen um die Kosten der Olympischen Spiele, die 2024 in Paris stattfinden sollen, sprach sie sich öffentlich gegen eine Bewerbung aus.

Der Tourist merkt von alledem wenig. Die Pariser umso mehr. Und sie werden unwillig. Das Lager des Staatspräsidenten denkt daran, die Situation zu nutzen. Der Sprecher der Regierung, Staatssekretär Benjamin Griveaux, streitet offiziell zwar ab, sich für den Sessel des Bürgermeisters zu interessieren. Seine Bemühungen sind aber so offensichtlich, dass der Wahlkampf um den Sessel von Anne Hidalgo längst begonnen hat.

Anne Hidalgo

Ana Maria Hidalgo, geboren am 19. Juni 1959 in San Fernando in Spanien, wird im Alter von 14 Jahren in Frankreich naturalisiert und erhält die französische Staatsbürgerschaft. Sie kehrt in ihr Geburtsland zurück, um zusätzlich die spanische zurückzuerhalten. Von 2001 bis 2014 ist sie stellvertretende Bürgermeisterin in Paris. Bei den Kommunalwahlen 2014 wird sie neue Bürgermeisterin in der französischen Hauptstadt.
Anne Hidalgo ist seit 2004 mit dem Politiker Jean-Marc Germain verheiratet. Das Ehepaar hat ein Kind. Aus einer früheren Beziehung hat die Bürgermeisterin zwei Kinder, die 1986 beziehungsweise 1988 geboren wurden. Anne Hidalgo hat einen Master in Sozial- und Arbeitswissenschaften sowie einen Doktorgrad in Sozialwissenschaften. Sie beginnt ihr Berufsleben als Arbeitsinspektorin und wird 1991 als Leiterin des nationalen Instituts für Arbeit berufen. Ihre politische Karriere beginnt sie mit der sozialistischen Arbeitsministerin Martine Aubry, die in Frankreich die 35-Stunden-Woche einführt.

An den Toiletten....
13. August 2018 - 18.23

...erkennt man wie "magnifiqe" nicht nur die Hauptstadt ist. Da haben sogar die Italiener sie überholt. Letztes Jahr sind wir wegen mehrerer Unfälle auf dem Weg nach Versailles über Stalingrad umgeleitet worden. Wir bekamen mit der Angst zu tun.