/ Heftige Debatten in der Chamber: Wie die Fraktionen auf das Regierungsprogramm reagieren
Nach der Vorstellung des Regierungsabkommens und somit der politischen Prioritäten von Blau-Rot-Grün für diese Legislaturperiode durch Staatsminister Xavier Bettel am Dienstag fanden am Mittwoch die entsprechenden Debatten im Parlament statt.
Den Reigen der Redner eröffnete die neue CSV-Fraktionssprecherin Martine Hansen, für die es demnach eine parlamentarische Feuerprobe war, ebenso übrigens wie für den neuen Parlamentspräsidenten Fernand Etgen. Beide hatten es am Mittwoch nicht leicht. Hansen, die sich wohl bewusst kämpferischer als ihr Vorgänger in der Funktion geben wollte, wurde mehrmals unterbrochen, hauptsächlich von Regierungsvertretern, und zum Schluss ihrer Intervention kam es gar zu fast schon tumultartigen Szenen, die der Präsident nur mit viel Mühe überbrücken konnte und bei denen ausgerechnet der ADR-Abgeordnete Gast Gibéryen als Verteidiger der parlamentarischen Rechte auftrat.
Jedenfalls versuchte sich Hansen an einer umfassenden Kritik der Regierungserklärung, die sie als „visionslos“ qualifizierte. Wirtschaftswachstum sei wohl ein Leitmotiv der Koalition und die CSV verschließe sich diesem Prinzip nicht, wolle aber eher ein nachhaltiges Wachstum, das die Produktivität steigere.
„Pafen“
Nachdem sich die Fraktionschefin der CSV – wie sie versprach – ein letztes Mal mit der Arithmetik des Wahlausgangs beschäftigt hatte, die laut ihr der CSV den Auftrag zur Regierungsbildung gab, und sich darüber entrüstet hatte, dass ihre Partei während des jüngsten LSAP-Kongresses als „Pafen“ bezeichnet wurde – dies sei keine Basis für ein gutes Klima der parlamentarischen Zusammenarbeit –, kritisierte sie die Zusammensetzung der Regierung, die personell zu stark besetzt sei, entgegen der Ankündigungen der drei Parteien.
Alsdann startete sie ihre eigentliche Offensive gegen das Regierungsprogramm, dem sie zwar eine Reihe positiver Punkte abgewinnen konnte – „sympathische Maßnahmen“, wie sie sich ausdrückte –, das aber äußerst viele Studien, Analysen, vage Absichtserklärungen usw. enthalte. Die Finanzierung aller Projekte dieses „Schönwetterpakets“ sei nicht garantiert, Rücklagen, ein „Apel fir den Duuscht“, seien nicht vorgesehen.
Staatsschuld
Die Staatsschuld sei unter der Dreierkoalition in absoluten Zahlen gewachsen und auch das aktuelle Ziel einer Verschuldung unter 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sei nicht gerade ambitioniert.
Unter den Punkten, die sie anschließend kritisierte, war u.a. der kostenlose öffentliche Verkehr, der die Mobilitätsprobleme nicht löse, der Bildungsbereich, in dem jetzt ein Bildungstisch einberufen werde, nachdem Minister Meisch „fünf Jahre getan habe, was er wollte“, sowie die mangelnde Behandlung in der Regierungserklärung des Themenbereiches Landesplanung.
Bei der geplanten Cannabis-Legalisierung mahnte sie Vorsicht an – der Gebrauch der Freizeitdroge solle nicht banalisiert werden – und bei der Diesel-Problematik forderte sie Aufklärung über die Absichten der Regierung vor dem anstehenden Autofestival. Immerhin kündigte sie eine konstruktive Oppositionspolitik ihrer Fraktion an. Nachdem das oben beschriebene Durcheinander mehrerer Redner beruhigt werden konnte, verteidigte DP-Fraktionschef Eugène Berger das Regierungsabkommen, das für mehr Gerechtigkeit im Lande sorgen werde.
Die Finanzierbarkeit der Projekte sei gegeben, die Vision sei sehr wohl vorhanden. Luxemburg sei das erste Land weltweit, das einen kostenlosen öffentlichen Verkehr anbiete, was schließlich auch ein Anreiz zu dessen Nutzung sei. In Sachen Mobilität würden aber auch mehrere neue Umgehungsstraßen realisiert. Berger sprach u.a. auch die Reform der Grundsteuer an: Nur für Spekulanten, nicht aber für Eigenheimbesitzer würde diese Abgabe erhöht werden, zerstreute er diesbezügliche Befürchtungen.
100.000 Stimmen
LSAP-Fraktionspräsident Alex Bodry beschäftigte sich eingangs seiner Intervention ebenfalls mit der Frage der wahltechnischen Arithmetik und betonte, die CSV habe insgesamt 100.000 Stimmen verloren, die Koalition deren 150.000 hinzugewonnen, was die Dreierkoalition legitimiere. Er prognostizierte dem Land im Übrigen, künftig eine politische Landschaft mit einem multipolaren Parteiensystem zu erleben, das die Diversität der Meinungen widerspiegele und in dem Regierungen von zwei Parteien immer schwieriger würden.
Er ging aber auch auf den „Pafe“-Vorwurf Hansens ein, erklärte, dass nur ein einzelner Delegierter diese Betitelung während des Kongresses benutzt habe, und räumte ein, dass diese Bezeichnung für die Christsozialen früher durchaus üblich gewesen sei – auch in seinem Elternhaus. Mittlerweile, wie auf dem Düdelinger Mittelalterfest erlebt, würden selbst „Pafen“ die „Pafen“ als „Pafen“ bezeichnen … Es sei dies aber nicht mehr der übliche Sprachgebrauch in seiner Partei.
Nach solchermaßen läuternden Einführungsworten verteidigte Bodry die Koalition, der es auch wichtig gewesen sei, dass das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht werden könne.
„Eng Majoritéit ass eng Majoritéit“
Am Nachmittag eröffnete Josée Lorsché, Fraktionssprecherin der Grünen, den Reigen der Redner. Die Finanzen ansprechend gab sie zu bedenken, dass jeder jetzt nicht investierte Euro in Umwelt und Mobilität in Zukunft mehr Geld kosten würde. Sie ging auf eine Reihe der geplanten Maßnahmen ein und betonte u.a., dass Lärmschutz und das Vorgehen gegen die Lichtverschmutzung künftig eine größere Rolle spielen werden.
Das Kulturressort sei unter der letzten Regierung ins Straucheln geraten … Eine Gesellschaft brauche Kultur so nötig wie die Luft zum Atmen, wolle sie nicht der Barbarei verfallen, so Lorsché, die in diesem Kontext volles Vertrauen in ihre Parteikollegin Sam Tanson ausdrückte.
Für die ADR meinte Gast Gibéryen zum Wahlausgang schlicht: „Eng Majoritéit ass eng Majoritéit“, und trat so als Schlichter bei den unterschiedlichen Rechnungsstrategien von CSV und Mehrheit auf. Er monierte, dass im Rahmen des angestrebten Wachstums keine Aussagen zu den negativen Auswirkungen dieses Wachstums im Programm zu finden seien.
Monieren um das Geld
Marc Baum („déi Lénk“) stellte die Kohärenz des Regierungsabkommens in Frage, verwies auf den zu großen ökologischen Fußabdruck Luxemburgs, darauf, dass Wachstum nicht unendlich sein kann, und machte wenig Verbindliches im Abkommen aus. Dabei bliebe bei niedrigerer Besteuerung von Haushalten und Betrieben nur ungezügeltes Wachstum als Finanzierungsquelle der Projekte aus.
Gilles Roth (CSV), der unter anderen Voraussetzungen wohl gerne Finanzminister geworden wäre, bezweifelte danach die Finanzierbarkeit der Projekte und monierte die Staatsschuld, die nicht abgebaut würde. Sven Clement (Piraten) sieht u.a. Forderungen seiner Partei (Digitalisierung, Schutz der Whistleblower …) erfüllt, sieht die Staatsschuld aber ebenfalls kritisch.
Zu viele Projekte zielten nicht auf das Wohlbefinden der Menschen ab, sondern auf Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Nachdem Léon Gloden (CSV) die Polizeireform kritisiert hatte und Fernand Kartheiser (ADR) auf die Rolle des Parlamentes eingegangen war und sich in Familienpolitik geübt hatte, nahmen Xavier Bettel und mehrere seiner Kollegen Stellung zu aufgeworfenen Fragen.
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Der neue Armee-resp.Verteidigungsminister braucht sehr viel Fingerspitzengefühl!