Harry Domela, der falsche Prinz – ein wenig bekannter Hochstapler in Luxemburg

Harry Domela, der falsche Prinz – ein wenig bekannter Hochstapler in Luxemburg

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Harry Domela war ein talentierter Hochstapler, der es bis zu einem Hohenzollern-Prinzen schaffte. Genau wie der Hauptmann von Köpenick, der Schuster, der nach Luxemburg ausgewandert war, erreichte auch der falsche Prinz Harry Domela unser Land, als es für ihn brenzlig wurde.

Von Roby Fleischhauer

Der 2014 verstorbene deutsche Schriftsteller und Journalist Werner Liersch hat sich mit dem abenteuerlichen Leben des Harry Domela beschäftigt.

Harry Domela wird 1905 in dem lettischen Dörfchen Grusche als Deutschbalte geboren. 1919 wird er Kindersoldat in dem im Baltikum kämpfenden Freikorps „Brandis“. Nach Auflösung des Korps gilt Domela in seiner Heimat als Hochverräter und für die Deutschen als Ausländer. Die deutschen Behörden verweigern ihm den Pass, den er braucht, um Arbeit zu finden. So wie der Hauptmann von Köpenick braucht er Papiere. Er schlägt sich mit Beschäftigungen durch, für die keine benötigt werden: Ziegeleiarbeiter, Hausbursche, Bettler, Schnellzeichner, Vertreter, Gärtner. Er hungert und friert. Zu der Zeit kommt er auf die Idee, sich „von Liven“ zu nennen, da er aus Livland stammt. Bei seiner Arbeitssuche stößt er auf den Grafen Hardenberg, der dem vermeintlichen Standesgenossen Unterstützung anbietet. Ab dem Zeitpunkt beginnt seine Hochstaplerkarriere.

Harry Domela (M.) profitierte von seinem Bekanntheitsgrad, wurde Schauspieler und erwarb sogar ein Kino

Von Rolle zu Rolle wird er mutiger. Bei der schlagenden Verbindung der „Saxo-Borussen“ in Heidelberg tritt er als „Prinz Liven, Leutnant im vierten Reiterregiment in Potsdam“ auf. Die betrunkenen Borussen sind begeistert über den leibhaftigen Prinzen in ihren Reihen. In Erfurt ist er der „Baron Korff“. Im „Erfurter Hof“ hält man ihn für einen verkappten Hohenzollern-Prinzen, gar den Sohn des Kronprinzen. Der vermeintliche Prinz findet Eingang in die höchsten Gesellschaftsschichten: Er wird zu Empfängen, Theaterbesuchen, Autofahrten und der einen oder anderen Hasenjagd eingeladen.

Obwohl er versucht, Kontakt zu hohen Reichswehroffizieren zu knüpfen, die ihn vor Entlarvung schützen sollten, muss er flüchten und wird im Januar 1927 in Köln festgenommen. Während der sieben Monate Gefängnis schrieb er ein Buch mit dem Titel „Der falsche Prinz – Leben und Abenteuer des Harry Domela“. Das Buch wird ein Erfolg. So wie beim falschen Hauptmann von Köpenick lacht ganz Europa über die leichtgläubige, hochnäsige wilhelminische Adelsgesellschaft.

Harry Domela profitiert nun von seinem Bekanntheitsgrad und wird Schauspieler. Große Zeitungen drucken seine Zeichnungen und Artikel. Er erwirbt ein Kino, mit dem er jedoch pleitegeht. Anschließend wird er mehrere Male wegen Anschuldigung des Landesverrats festgenommen und wieder freigelassen. Brenzlig für ihn wird es, als Hitler an die Macht kommt. Vorsichtshalber geht der Homosexuelle mit einem falschen Pass nach Holland und nennt sich Victor Zsajka. Dort engagiert er sich in der kommunistischen Partei.

Spanienkämpfer

Von nun an wird es abenteuerlich. In dieser Vorkriegszeit werden gefälschte Identitäten überall gejagt. In Deutschland durch die Gestapo, in Westeuropa durch die Fremdenpolizei, in Russland durch den NKWD. Im Sommer 1936 ist Domela in Paris, als er den holländischen Schriftsteller Jeff Last – Homosexueller und Kommunist wie er – kennenlernt. Beide wollen im spanischen Bürgerkrieg der bedrohten Republik zu Hilfe eilen. Last ist eng befreundet mit dem französischen Schriftsteller André Gide, der wiederum zum Literaturzirkel der Luxemburgerin Aline Mayrisch im Schloss Colpach gehört. Aline Mayrisch de Saint-Hubert, Gattin des Luxemburger Industriemagnaten Emile Mayrisch, hatte zu dieser Zeit eine ganze Reihe von Schriftstellern aus allen Ländern um sich geschart, die sich im Schloss der Mayrisch in Colpach (heute Genesungszentrum des Roten Kreuzes) trafen.

Der falsche Prinz alias Harry Domela …

Harry Domela scheint in Spanien einen tapferen Kampf gegen die Faschisten geführt zu haben. Mit dem Stierkämpfer Manolo besteht er so manches Gefecht, bis dieser von einer Bombe getötet wird. 1939 bricht die internationale Brigade zusammen und Domela überschreitet als Kapitän der spanischen Volksarmee die Grenze nach Frankreich, wo er sogleich in Saint-Cyprien interniert wird. Dort überlebt er in schrecklichen Verhältnissen.

Sein Freund Last wendet sich an André Gide, mit der Bitte, ihn aus dem Lager zu holen. Gide kann tatsächlich für seine Entlassung sorgen. André Gide versucht jetzt Aline Mayrisch dazu zu bewegen, Domela behilflich zu sein.

Aufenthalt in Mondorf

Der leider in diesem Jahr verstorbene Cornel Meder hat sich eingehend mit Aline Mayrisch und ihrem Literaturzirkel beschäftigt. Er schildert die Begegnung Domelas mit der „grande dame“ und dessen Aufenthalt in Luxemburg in „Galerie 2“ von 1992. „Nach seiner Befreiung im Mai 1939 fährt Domela nach Paris, wo Maria Rysselberghe, eine der Autorinnen des Literaturzirkels Mayrisch, ihm die nötigen Anweisungen gibt. Er soll sich mit dem Zug nach Longwy begeben, wo ein Privatfahrer der Frau Mayrisch ihn abholen werde. Tatsächlich erwartet man ihn in Longwy, doch er wird nicht nach Colpach, sondern nach Mondorf gefahren. Der Fahrer, der sich als Sekretär der ’geheimnisvollen Frau‘ Mayrisch zu erkennen gibt, zahlt das Hotelzimmer für eine Woche voraus, gibt Domela eine Telefonnummer, verspricht ihm, in einer Woche wiederzukommen und lässt ihn allein.

… und der richtige Prinz Wilhelm von Preußen

Domela schreibt später, er habe weder gewusst, wer die Mayrisch war, noch, ob diese wusste, wer er war. Erst 14 Tage später taucht der Sekretär wieder auf, und erst dann erfährt Domela, dass Frau Mayrisch eine reiche, mit Pierre Herbart befreundete Dame sei, die keineswegs genannt werden wolle.

Einmal glaubt er, sie selber zu sehen – die ’Audienz‘ dauert nur drei Minuten –, die Frau ist sehr freundlich, sehr zuvorkommend, stellt viele Fragen – als Domela antworten will, erhebt sie sich und geht. Und Domela kommentiert, er habe sich seine Befreiung ganz anders vorgestellt – noch hat er die Lagerkleidung am Leib, auch habe er Läuse gehabt – und wenn er im Speisesaal erschien, seien die eleganten Kuristen erstarrt. Immerhin habe sein Zimmer 40 Franken pro Tag gekostet und er sei der Ansicht, dass, wer so viel Geld ausgeben könne, auch darüber nachzudenken habe, wie man seinem Gast Kleider und Unterwäsche verschafft, damit sich dieser nicht zu schämen braucht. Und, konstatierte Domela, das Schlimmste sei, man habe ihn in dem einzigen faschistischen Hotel am Ort untergebracht.“

Domela war tatsächlich im Hotel-Pension Bellevue untergebracht. Nach zwei Monaten legte André Gide seinem Freund Jeff Last nahe, den „Victor Zsajka“, wie er sich nannte, dazu zu bewegen, sich anderweitig einen Aufenthalt und einen Broterwerb zu suchen.

Domelas weiterer Aufenthalt ist nicht leicht nachvollziehbar. Er soll sich hauptsächlich in Südamerika aufgehalten haben. In Venezuela soll er ein bescheidenes Leben als Gymnasiallehrer geführt haben. Seine falsche Identität versagte ihm auch dort einen legalen Pass. Seine kafkaeske Geschichte wurde in mehreren Büchern geschildert. Doch seine Homosexualität und seine kommunistische Gesinnung waren auch später ein Dorn im Auge der Gesellschaft. Seine Zeit als Prinz Wilhelm von Preußen jedoch hatte ganz Europa amüsiert.