Halbzeit im Wahlkampf: Warum es für die CSV am Ende noch eng wird

Halbzeit im Wahlkampf: Warum es für die CSV am Ende noch eng wird
Erst der Umbau, dann die Neubesetzung: Das Parlament im Wandel.

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Die Chamber wird umgebaut, die Politiker liegen am Strand und die wenigen Bürger, die noch in Luxemburg sind, flüchten vor der Hitze. Es herrscht Stillstand. Zeit also, um eine Zwischenbilanz des Wahlkampfes zu ziehen. Eine Analyse.

Stell dir vor, es ist Wahlkampf – und keiner kriegt’s mit. Am 14. Oktober bitten die Parteien zur Parlamentswahl, das ist nicht mehr lang hin. Eigentlich müssten da jetzt die politischen Lager hochgradig mobilisiert sein. Heiß geführte Debatten, leidenschaftlicher Streit, kämpferische Parolen gehören üblicherweise zum Wahlkampf. Stattdessen haben sich alle Parteien gerade in den Sommerurlaub verabschiedet.

Und es ist nicht davon auszugehen, dass sich danach viel ändern wird. Denn salopp gefragt: Wer sollte es tun? Die Regierungsparteien werden kaum ein Interesse daran haben, sich gegenseitig zu schwächen und der CSV Angriffsfläche zu bieten, ADR und „déi Lénk“ fehlt es an Gewicht, um öffentliche Debatten zu dominieren – und Claude Wiseler wird an seiner Hinhalte-Strategie festhalten. Denn sie gilt als Garant seines Erfolgs.
Seit 2016 ist Claude Wiseler offiziell Spitzenkandidat der CSV, inoffiziell war es schon im Oktober 2013. Als Jean-Claude Juncker geschasst wurde, und Luc Frieden der Vatermord nicht gelang, war Wiseler „last man standing“, wie Jürgen Stoldt ihn damals treffend in der Zeitschrift „forum“ bezeichnete. Wiseler war nicht befleckt von Affären, galt innerparteilich als loyaler Leutnant und verkörperte mit seinem unaufgeregten und sachlichen Auftreten den geeigneten Konsenskandidaten einer Volkspartei, die sich politisch in der Mitte verorten will.

Niemand zweifelte seither ernsthaft daran, dass Wiseler 2018 die CSV in die Wahlen führen würde. Auch nicht, als zu Beginn des Jahres Viviane Reding den Machtkampf wagte. Wiseler selbst ließ sich, nach außen hin, nicht davon beeindrucken. Er ignorierte Reding, versuchte den Konflikt einfach auszusitzen. Selbst als Reding öffentlich von einem „Tandem“ an der Spitze der CSV sprach, was ein klarer Affront gegenüber Wiselers Führungsrolle war, ließ er sich nicht reizen und Reding ins Leere laufen.
Seine Appeasement-Politik sollte sich bewähren: Reding überschätzte sich, und ganz Luxemburg hörte dabei zu. Sie bezeichnete sich auf RTL als Alleskönnerin, als Universaltalent. Das kann man schon so machen, aber wenn man ungefragt in einen Ring steigt und niemand folgt, wirkt dieses Imponiergehabe irgendwie befremdlich.

Passendste Strategie

Erfolg wird in der Evolutionstheorie als „Survival of the Fittest“ bezeichnet. Treffender ist eigentlich die deutsche Übersetzung: „das Überleben der Passendsten.“ Nicht die beste, sondern die passendste Strategie führt zu Erfolg. Und erfolgreiche Strategien werden reproduziert. Wer es weniger mit Evolutionstheoretikern hat: Im Fußball spricht man vergleichbar von „Never change a winning team“.

Wiseler wird an der passendsten Strategie, die ihn an die Spitze der Partei gebracht hat, festhalten. Denn aus seiner Perspektive gibt es schlichtweg keinen Grund, davon abzurücken. Die Umfragen sind gut bis hervorragend, er muss den Vorsprung nur ins Ziel bringen.

Und der Blick ins Nachbarland Deutschland zeigt, dass unaufgeregte Politik bei christlichen Volksparteien wirkt. Angela Merkel praktiziert seit Jahren diesen Stil. Sie steht für ein besonders Maß an Unaufgeregtheit, was manche auch gerne als „Langeweile“ bezeichnen. Noch kürzlich hat sie CSU-Politiker Horst Seehofer trotz maximaler Provokation einfach ins Leere laufen lassen. Auch im Wahlkampf pflegt sie stets die gleiche Taktik: So inhaltlos wie möglich, so konkret wie nötig. Niemand soll sie auf irgendetwas festnageln können. An Inhalten soll keine Koalition scheitern.

Fehlende Inhalte

Auch die CSV hat sich bis jetzt inhaltlich im Wahlkampf zurückgehalten. Wiseler spricht von abstrakten Begriffen wie Wachstum, „Logement“ und Mobilität. Es gibt zwar einen „Plan“, aber was genau dieser sein soll, weiß niemand so recht. Immer schön vage bleiben.
Das gilt im Übrigen auch für die anderen Parteien. Die DP verspricht mit ihrer „Sowohl-als-auch“-Politik jedem alles. Das kann man sowohl als liberal bezeichnen – aber auch als populistisch. Die LSAP setzt auf das Schlagwort „soziale Gerechtigkeit“, verspricht aber nur Maßnahmen kosmetischer Natur. Und „déi gréng“ haben ein Programm vorgestellt, das vor allem Wärme und Verantwortung vermittelt. Kurz: Durch Inhalte werden die Wahlen nicht entschieden, an ihnen wird auch keine Koalitionsbildung scheitern.

Dabei könnte jedoch dieser inhaltlose Wahlkampf gerade zum Problem für die CSV werden. Denn was, wenn der Bürger keinen Grund für einen Politikwechsel erkennen kann? Wenn er keinen Sinn darin sieht, anders als 2013 zu wählen? Wenn er sich denkt: „Never change a winnig team“?

Und was, wenn sich die aktuelle Dreierkoalition trotz Bodrys Bedenken ganz einig darin ist, weiterzumachen? Wenn auch sie an ihrer erfolgreichen Strategie festhält? Dann könnte die CSV im Oktober erneut die klar stärkste Partei sein, aber dennoch wieder mit leeren Händen dastehen.

Hört man sich beim Spitzenpersonal von DP, LSAP und „déi gréng“ um, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Fortführung der Dreierkoalition geben, sofern es rechnerisch irgendwie möglich ist – also auch bei 31 Sitzen.
Dafür spricht alleine schon die Personalfrage. Die aufgeblähte Koalition mit 18 Regierungsvertretern macht Platz für Nachzügler in der Chamber. Viele Kandidaten der Mehrheitsparteien haben demnach ein pragmatisches Eigeninteresse an einer Weiterführung der Koalition: Sie wollen im Parlament bleiben bzw. in der Regierungsverantwortung.

Zudem erinnern sich die Koalitionäre gerade wieder an die Geschichte der Gambia-Gründung. Für alle Beteiligten war 2013 ein großer Coup. Ein politischer Schachzug, mit dem nur wenige gerechnet haben. Eine Wiederholung dieses Coups wäre der Beleg dafür, dass die Dreierkoalition kein Zufallsprodukt ist. Sondern, dass sie das Ergebnis einer erfolgreichen, einer passendsten Strategie war.

Etwas ist jedoch sicher: Im Oktober wird sich zwischen Dreierkoalition und CSV eine Strategie als die passendste herausstellen – und eine nicht.

roger wohlfart
6. August 2018 - 17.02

Wer schert sich schon bei dieser Backofenhitze um den Wahlkampf ? Wenn der politische Herbst genauso heiss wird, werden sich noch so manche verbrennen, vor allem die Flügel !