Polizei im Wandel der ZeitGewerkschaftskritik und Personalmangel beschäftigen Polizeigeneraldirektor Philippe Schrantz

Polizei im Wandel der Zeit / Gewerkschaftskritik und Personalmangel beschäftigen Polizeigeneraldirektor Philippe Schrantz
Seit 2015 ist Philippe Schrantz Generaldirektor der Polizei. Mitte Dezember wird er den neuen Deontologie-Kodex vorstellen. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die großherzogliche Polizei dürfte sich in der größten Umbauphase seit der Fusion von Polizei und Gendarmerie befinden. Zum einen die Polizeireform, welche nötig ist, um alle Herausforderungen unserer Zeit und der nahen Zukunft zu meistern. Zum anderen der akute Personalmangel. Das alles müsse man mit ruhigem Kopf angehen, so der Polizeigeneraldirektor im Gespräch mit dem Tageblatt. Die aktuelle Situation beschönigt Philippe Schrantz nicht. Die Kritik der Gewerkschaft findet er bedauerlich, von der Form her. Er äußert aber auch ein gewisses Verständnis.

Ruhe. Wenn sich Polizeigeneraldirektor Philippe Schrantz dieses Jahr etwas wünschen könnte, dann wäre es Ruhe: „Damit man sich auf die eigentlichen Aufgaben der Polizei konzentrieren kann.“ Diese Ruhe ist zurzeit aber nicht gegeben.

Die Polizeigewerkschaft übt scharfe Kritik an der Polizeileitung, zuletzt letzte Woche bei der Delegiertenversammlung des SPFP („Syndicat professionel de la force publique“). Die Aussagen der Gewerkschaft scheinen den Polizeigeneraldirektor nicht wirklich aus der Ruhe zu bringen. „Global habe ich Verständnis für Gewerkschaftsarbeit, ich war selbst 18 Jahre lang gewerkschaftlich aktiv.“

Schrantz bedauert aber die Form der geäußerten Vorwürfe. Das sei umso bedauerlicher, weil er erst vor kurzem mit dem Gewerkschaftspräsidenten Pascal Ricquier zusammengesessen habe: „Da haben wir alle Karten auf den Tisch gelegt, gesehen, dass noch nicht alles perfekt ist, dass nachgebessert werden muss, aber dass wir uns auf dem guten Weg befinden.“

Noch einige Knackpunkte

Die weitere Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft sieht Philippe Schrantz nicht infrage gestellt: „Ich habe das Glück, dass ich vom Charakter her nicht nachtragend bin. Unsere Tür bleibt weiterhin offen, obwohl ich es bedauere, besonders in der wichtigen Rekrutierungsphase in der wir uns jetzt befinden, dass wir solche Sachen in der Öffentlichkeit austragen.“

Was die Arbeitszeitreglung anbelangt, habe man als Polizei bereits bei Vorliegen des Gesetzes und auch schon vorher gesehen, dass es für die Polizei so nicht anwendbar sei, wenn sie ihre Mission gewissenhaft erfüllen möchte. Daraufhin gab es viele Diskussionen, die dann zum sektoriellen Abkommen geführt haben, das Mitte Juni unterschrieben wurde. Bei einer ersten Analyse vor ein paar Tagen sei festgestellt worden, dass alles nicht so schlecht sei, es aber noch ein paar Knackpunkte gebe.

Kein Fälschen von Arbeitszeiten

Was die Zahlen anbelangt, auf die sich die Gewerkschaft beruft, wenn sie von Fälschung spricht, kann der Polizeigeneraldirektor nur darauf verweisen, dass man die Zahlen benutzt hat, die man von den einzelnen Einheiten im Land geliefert bekommen hat. „Da weiß ich nicht, ob jedes Komma stimmt, aber die Tendenz ist klar.“ Den Vorwurf der Fälschung weist Schrantz jedenfalls von sich.

Das Arbeitszeitabkommen müsse eins zu eins umgesetzt werden, darauf poche auch Minister François Bausch. Aber, so Schrantz: „Wir kommen aus Gewohnheiten, die über Jahrzehnte in der Polizei bestanden haben. In dieser großen Verwaltung kann es dann schon mal etwas länger dauern, aber wir arbeiten aktiv daran.“

Gesellschaftlicher Wandel

Es hat sich einiges verändert, seitdem Philippe Schrantz in den späten 80er und frühen 90er studiert hatte und zur Polizei gekommen war. Er stimmt zu, dass in der Gesellschaft heute vieles gerne infrage gestellt wird. Das passt aber nicht immer zum Gehorsamkeitsverständis, das aus der Tradition der Armee herrührt.

„Es geht darum, einen goldenen Mittelweg zu finden.“ Wie früher könne es aber nicht mehr funktionieren, deshalb sei in der Polizeireform transversales Denken als zentrales Element verankert worden, so Schrantz. Zum Beispiel, dass Entscheidungen auf der möglichst niedrigsten Ebene genommen werden, dass auf Augenhöhe diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht werden.

Datenbanken

Polizei braucht Datenerfassung, das ist die Grundlage ihrer Arbeit, wie überall auf der Welt bei der Polizei, betont Schrantz. Wohl gibt es eine gesetzliche Basis für diese Datenbanken. Die Diskussion ist deshalb, nach welchen Regeln die Daten genutzt werden dürfen. Was überhaupt erfasst werden darf, wie lange es gespeichert bleibt, wer Zugang hat und wie Kontrollmechanismen aussehen, um nachvollziehen zu können, warum einer etwas überprüft hat und ob alle Regeln respektiert wurden. Nach wie vor soll bis Weihnachten ein erster Textentwurf vorliegen.

Der Personalmangel bleibt das vorrangige Problem der Polizei. Das haben Polizeileitung, Gewerkschaft und Regierung erkannt und wollen handeln. „Wie viele es sind, hängt im Endeffekt auch davon ab, wie sich die Gesellschaft entwickelt, welche neue Missionen auf die Polizei zukommen, wie der gesetzliche Rahmen die Polizeiarbeit erleichtert oder erschwert. All das spielt eine Rolle, damit wir nachher sehen, ob wir genug Leute haben oder nicht. Tatsache ist, dass wir momentan nirgendwo genug Leute haben.“

Zukünftige Rekrutierung

Die rasante Entwicklung der Gesellschaft sei einer der Gründe des Personalmangels. Philippe Schrantz gibt aber auch ein Beispiel dafür, wie neue Gesetze einen höheren oder längeren Personalaufwand erfordern: „Ein ’einfacher‘ Ladendieb hat heute das Recht auf einen Arzt, einen Anwalt oder einen Übersetzer. So kommt es, dass wir nun Stunden brauchen für etwas, das wir sonst in einer halben Stunde abwickeln konnten.“

„Mit diesem Ansatz können wir absolut leben“, sagt Schrantz und antwortet damit auf den Vorschlag der Gewerkschaft, die Armee aufzuwerten, damit diverse Berufe direkt aus ihr rekrutieren können. Auch die Idee einer sogenannten Schule in Uniform gefällt dem Generaldirektor der Polizei. Er weist darauf hin, dass es sie seit langem schon in Belgien gibt und gut funktioniert. Keinen Zweifel lässt er daran, dass die schulische Ausbildung wichtig ist, damit die Polizei sich den Herausforderungen dieser Zeit stellen kann.

Der Sprachtest

Eine der Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, um mehr Leute rekrutieren zu können, ist der Sprachtest. Die drei Landessprachen plus Englisch stellen in den Examen oft eine hohe Hürde dar. Weil Polizisten im direkten Umgang mit Bürgern sind, kann auf die Sprachen nicht verzichtet werden. Die Art, wie sie gelehrt und getestet werden, könne aber angepasst werden.

Die Polizei öffnen für andere EU-Bürger, sei ein sensibles Thema, so Schrantz, aber rein arithmetisch betrachtet und in Anbetracht des Bevölkerungswachstums denke er, dass in absehbarer Zukunft diese Frage gestellt werden muss: „Wir rekrutieren Luxemburger. Das ist ein Pool an Leuten, der bald weniger als 50 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmacht, und wir sind nicht die einzigen, die in dieser Gruppe rekrutieren.“ Diese Frage müsse also gestellt werden, allerdings nicht auf Kosten der Sprachkenntnisse der Polizisten und vor allem auch des Luxemburgischen als Sprache der Polizei unter anderem in der internen Kommunikation.

Neuer Deontologie-Kodex

Mitte Dezember wird der neue Deontologie-Kodex vorgestellt. Warum braucht es den? „Ganz einfach, weil wir unseren Leuten sagen wollen, du bist Polizist und das hier ist der Rahmen, der für dich als Polizist wichtig ist. Es geht um das Bild, das die Polizei in der Bevölkerung abgeben soll.“ Ein gutes Vorbild, nicht nur in der Dienstzeit, soll es sein, wenn man den Generaldirektor richtig versteht: „Die Gesellschaft hätte gerne eine Polizei, die vertrauenswürdig ist.“

Philippe Schrantz kann sich vorstellen, einen anderen Beruf auszuüben. Mit Menschen müsse es aber immer zu tun haben und „etwas, wo ich einen Sinn für mich selber sehe“. Sinn der großherzoglichen Polizei sei es, mit zum Funktionieren des Landes beizutragen, dass die Leute in einem sicheren Land leben können.
Wenn es Philippe Schrantz nachgeht, dann möchte er diese Aufgabe gerne schon noch ein paar Jahre machen, denn: „Die Polizei ist ein bisschen mein Leben!“