Georges Droessaert – Ein Leben für die Sozialdemokratie

Georges Droessaert – Ein Leben für die Sozialdemokratie

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Wenn es Anfang des vorigen Jahrhunderts, als noch keine große Gewerkschaft in Luxemburg existierte, einen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, für bessere Arbeitsverhältnisse auf den Schmelzen und gegen klerikale Einflussnahme gab, wenn es einen gab, der selber in ärmlichen Verhältnissen lebte, aber alles hergab, um der Gewerkschaft zum Durchbruch zu verhelfen, war es Georges Droessaert

Von Roby Fleischhauer

Kompromisslos und uneinsichtig führte er seinen Kampf zuerst in der Hauptstadt und dann ab 1906 in Differdingen. Dabei war er selber kein Arbeiter, sondern unabhängiger Schuster von Beruf. In seinem Laden zuerst in der Bahnhofstraße in Luxemburg und dann in der Wangert- und in der Werkstraße in Differdingen gab es neben Schuhen unzählige Broschüren und Bücher zum Thema Sozialdemokratie und Gewerkschaft. Wahrscheinlich schadete das seinem Geschäft, denn trotz Anzeigen im Armen Teufel warf die „Schnellsohlerei“ kaum genug ab, um seine Gattin Gabrielle Boekstal und seine beiden Söhne Maurice und Alain zu ernähren.

Diese „sozialdemokratische“ Zeitung erschien zum ersten Mal am 29. November 1903. Sie trug als Untertitel: „Der Wahrheit zu Ehr, den Armen zum Schutz, den Mächtigen zum Trutz“. Gründer waren Jean Schaack-Wirth, Jacques Thilmany und Georges Droessaert. Die beiden Letztgenannten waren auch Gründungsmitglieder der „sozialdemokratischen“ Partei. Der arme Teufel setzte sich vehement für die Armen und die von der Gesellschaft Benachteiligten ein.

Klerikale und Intellektuelle als Gegner

Hauptgegner waren der Klerikalismus und die „Intellektuellen“ um den Vorsitzenden der „sozialdemokratischen“ Partei, den späteren Minister Dr. Michel Welter. Da es in Luxemburg zu diesem Zeitpunkt noch keine richtige Arbeitergewerkschaft gab, die den „Kampf des Proletariats gegen die Allgewalt des Kapitals“ führen konnte, wandte sich Georges Droessaert an die deutsche „Metallarbeitergewerkschaft“, damit sie Zweigstellen in Luxemburg und vor allem im Süden des Landes einrichten solle.

Es fanden auch etliche Propagandaveranstaltungen mit deutschen Rednern vor allem in Differdingen statt. Doch wenige wollten Mitglied werden. Eine große Enttäuschung für die Schreiber des Armen Teufels. Schon in der Schule würde man den Arbeitern das Denken abtrainieren. Deshalb interessierte sich die Mehrheit der Arbeiter ihrer Meinung nach kaum für eine Arbeitervertretung. Im Jahre 1910 verließ Georges Droessaert den Armen Teufel, weil dieser ihm nicht revolutionär genug war, und gründete die Freiheit im Verlag J.P. Schütz aus Niederkorn. Wie Henri Wehenkel im Jahr 2005 schrieb, wurde die Freiheit beschlagnahmt, weil es ein ausgesprochen anarchistisches Blatt war. In ihrer „Geburtserklärung“ heißt es: „Wir sind antiparlamentarisch, wir sind antipatriotisch, wir sind antimilitaristisch.“ Die Staatsanwaltschaft konfiszierte das Blatt. Die Nummern der Freiheit befinden sich deshalb nicht in der Nationalbibliothek, wo sie hingehören würden, sondern in den Räumlichkeiten der Fremdenpolizei, wie Henri Wehenkel feststellen musste.

Kein Luxemburger Pass für Droessaert

Georges Droessaert versuchte bereits im Jahr 1905, in den Gemeinderat von Hollerich gewählt zu werden. Seine Kandidatur wurde jedoch nicht angenommen, weil er nicht die Luxemburger Nationalität besaß. In Differdingen versuchte er 1908, die Luxemburger Nationalität zu erlangen. Bei dieser Prozedur gibt der Gemeinderat sein Gutachten an die Kammer ab, die über die Annahme entscheidet. Der Differdinger Rat sprach sich jedoch einstimmig gegen diese Naturalisierung aus. Außerdem war Droessaert im Jahre 1906 zu einer Geldstrafe von 75 Franken verurteilt worden, „pour attaque directe et méchante contre le culte catholique“.

Erst 1909 gelang es ihm, Luxemburger zu werden, wahrscheinlich mit Hilfe der liberalen und sozialistischen Abgeordneten. In der Freiheit gebärdete sich Georges Louis Droessaert als regelrechter Anarchist: „Generalstreik“, „Sabotage“, „Fuchsjagd“, „Abschaffung des Kapitalismus“ sind Stichwörter seiner Artikel. Der Staatsanwalt dachte laut über die Ausweisung des Aufrührers nach, der bereits im Jahre 1905 beim großen Streik in Lothringen-Luxemburg eine Rolle gespielt hatte. Doch Droessaert war ja jetzt Luxemburger und konnte also nicht mehr ausgewiesen werden.

Die politische Karriere

Beim Streik der italienischen Gastarbeiter in Differdingen im Januar 1912, der bekanntlich mit vier Toten und sechs Schwerverletzten endete, war Georges Droessaert beständig an vorderster Front. Er hielt eine Brandrede auf dem Marktplatz und forderte die Italiener auf, nicht aufzugeben, bis sie Genugtuung erhalten hatten.

Bei der Beerdigung von Jos Debortoli in Niederkorn wetterte er gegen den Kapitalismus, der schuld am Tod dieses Arbeiters war. Debortoli war allerdings kein Streikender. Seine Neugierde hatte ihn nach der Schicht im „Thillebierg“ an den Ort des Geschehens am Portal der Schmelz getrieben. Und dort traf ihn eine verirrte Kugel.

Beim großen Streik von 1917, zu dem der neugegründete „Berg-und Hüttenarbeiterverband“ aufgerufen hatte, agitierte Georges Droessaert wieder, wo er nur konnte. Die Deutschen, denen daran gelegen war, diesem Streik in der Nähe der Front Einhalt zu gebieten, verhafteten ihn und klagten ihn des Hochverrats an. Er wurde zu zehn Jahren Festungshaft verurteilt. Nach dem Krieg kam er wieder frei, war allerdings krank und komplett ruiniert. Er führte Klage gegen den Differdinger  Polizeikommissar, den er verdächtigte, ihn bei den Deutschen denunziert zu haben.

Seit 1920 im Differdinger Gemeinderat

Da die entsprechenden Dokumente in Trier nicht mehr auffindbar waren, verlief das Ganze im Sand. Nachdem Droessaert sich sechsmal erfolglos den Landeswahlen gestellt hatte, wurde er schließlich 1920 in den Differdinger Gemeinderat gewählt. Dort bildete er mit Krieps, Biever und Hoffmann die „sozialistische Gemeinderatsgruppe“, die dem Bürgermeister Emile Mark das Leben schwer machte. U.a. wurde der Vorwurf, der Bürgermeister habe beim Streik von 1912 auf die Arbeiter schießen lassen, immer wieder aufgewärmt. Beim großen Streik von 1921 stellte sich die Gruppe resolut auf die Seite der Streikenden und lieferte dem Bürgermeister regelrechte Redeschlachten, so dass dieser mehr als einmal die Sitzung unterbrechen musste.

Droessaert schloss sich im Januar 1921 der neu gegründeten kommunistischen Partei an und wurde im Jahr 1924 noch einmal in den Rat gewählt. Dort blieb er bis 1928.
Am 29. Juni 1931 zog Georges Droessaert nach Paris, wo er 1949 im Alter von 76 Jahren verstarb. Er wurde auf dem Père-Lachaise-Friedhof beerdigt.