Gegen den Trend: OGBL will Position der Arbeitnehmer in Luxemburg ausbauen

Gegen den Trend: OGBL will Position der Arbeitnehmer in Luxemburg ausbauen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Etwa die Hälfte der Beschäftigten in Luxemburg unterliegt einem Kollektivvertrag; eine ungenügende Quote laut OGBL. Die Gewerkschaft sieht nun einen guten Zeitpunkt, um auf die Bedeutung der Tarifverträge und die Notwendigkeit des Ausbaus der gesetzlichen Möglichkeiten für die Gewerkschaftsarbeit hinzuweisen. Am Donnerstag (25.10.) traf eine Delegation mit den potenziellen Koalitionären zusammen, am Abend fand eine Konferenz mit 15 Berufssyndikaten statt.

Lesen Sie zu diesem Thema auch das Editorial von Robert Schneider

Bereits am Morgen erläuterten OGBL-Präsident André Roeltgen und der Hauptkoordinator der Syndikate und Verantwortliche für die Tarifpolitik, Nico Clement, die Sichtweise der Gewerkschaft während einer Pressekonferenz. Mit Beispielen aus der gewerkschaftlichen Realität vervollständigten David Angel (Handel), Lena Batal (Finanzsektor) und Patrick Freichel (Industrie) das Bild, das sowohl Aspekte einer Bilanz als auch einen Ausblick mit Forderungen an Politik und insbesondere an die Regierung bot.

Wie André Roeltgen erklärte, sei zurzeit keine gute Periode für die Gewerkschaften, und das europaweit: Rechte und Instrumente der gewerkschaftlichen Arbeit würden infrage gestellt. Dies sei der falsche Weg; immerhin sei das Kollektivvertragswesen auch im Interesse der gesamten Wirtschaft, durch dieses würden Produktivität und Innovation in den Betrieben steigen und es handele sich um einen Beitrag zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit und damit um einen Impfstoff gegen das Gift jener politischen Bewegungen, die zurzeit mit Ausgrenzungsparolen auf Stimmenfang gehen.

Die Infragestellung der Rechte der Gewerkschaften geschehe nicht punktuell mit einzelnen Gesetzestexten, sondern werde als schleichender Prozess erlebt. Es reiche schon, dass bestehende Gesetze nicht verbessert würden und so den sich verändernden Bedingungen in der Arbeitswelt nicht mehr gerecht würden.

253 Betriebe oder Sektoren verfügen hierzulande über einen Kollektivvertrag. Rund 50 Prozent der Arbeitnehmer sind somit tarifvertraglich abgesichert. Dies bedeute aber auch, dass die Hälfte der Beschäftigten ohne auskommen müssen, was zu einer Zersplitterung der Betriebswelt führe.

Deshalb sei es wichtig, Verbesserungen im Kollektivvertragswesen zu fördern, eine Aufgabe für die Politik, die gesetzliche Anpassungen, die zu einer besseren tarifvertraglichen Abdeckung führen, umsetzen solle.

Dass in allen Betrieben Kollektivverträge ausgehandelt werden (rund 1.000 stehen noch aus), sei dabei illusorisch, da dies allein schon die personellen Möglichkeiten der Gewerkschaft übersteige. Zusätzliche sektorielle Verträge seien der zu beschreitende Weg.

Schlichtungsamt, Warnstreiks …

Mögliche und notwendige Verbesserungen sieht der OGBL so in einer Professionalisierung des nationalen Schlichtungsamtes („conciliation“) inklusive neuer Definitionen bei Arbeitskämpfen (etwa die Auslegung des Begriffs „Litige collectif“).

Auch die Spielregeln bei bestehenden Kollektivverträgen müssen angepasst werden. So habe die Tendenz etwa im Finanzsektor dramatisch zugenommen, aus Mitarbeitern sog. „cadres“ zu machen, die dann nicht mehr unter die tarifvertraglichen Bestimmungen fallen. Auch solle die sog. „Friedenspflicht“, die gewerkschaftliche Aktionen wie zum Beispiel Warnstreiks während der Schlichtungsperiode verbietet, kritisch unter die Lupe genommen werden.

Allgemein verlangt die Gewerkschaft, den politischen Rahmen so zu gestalten, dass das Kollektivvertragswesen aufgewertet wird. Als Beispiel hierfür nannte Roeltgen die Zeitsparkonten im privaten Sektor. Das nun vorliegende Gesetzesprojekt, von dem er hoffe, dass es von einer neuen Regierung schnell durchs Parlament gebracht werde, sehe vor, dass die Abmachungen zur Regelung dieser angesammelten Arbeitszeit innerbetrieblich im Rahmen von Kollektivverträgen ausgearbeitet oder aber im Rahmen von sektoriellen Abmachungen mit den Gewerkschaften definiert werden. Dies sei der richtige Weg, die passende Methode. Sollten solche Zeitsparkonten in den Betrieben ohne Tarifverträge angeboten werden, riskiere dies „egal wat“ zu werden.

Tarifwesen mit Imageproblem

Die breite Öffentlichkeit, so Nico Clement, sei sich der Bedeutung des Kollektivvertragswesens nicht bewusst, das eigentlich immer nur in Konfliktsituationen thematisiert würde.

Die arbeitsrechtliche Basis bestehe dabei rein aus den Vorgaben zu 25 Urlaubstagen, einem nicht-qualifizierten und einem qualifizierten Mindestlohn. Alles, was darüber hinaus gehe, hänge – außer bei den wenigen Ausnahmen von extrem hoch qualifizierten Mitarbeitern – von dem Verhandlungswissen und Geschick einer starken Gewerkschaft ab. Arbeitnehmer, die allein mit einer Unternehmensführung verhandeln, seien immer in einer Position der Schwäche. Für all diese Personen sei nur das Indexsystem ein Garant gegen soziale Härtesituationen.

Lesen Sie zum Thema auch unseren Leitartikel.

Das Aushandeln eines Tarifvertrages sei hingegen eine Diskussion auf Augenhöhe; die Position des Salariats verbessere sich dramatisch. So sei es denn auch selbstverständlich, dass angesichts der anstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt, etwa durch die Digitalisierung, die Gewerkschaften eine tragende Rolle spielen müssten.

Arbeitszeit, Lohn, Qualität der Arbeit, Weiterbildung seien Themen, die sich nicht ohne Einfluss der Gewerkschaften im Sinne des Salariats weiterentwickeln, so Clement, der abschließend auch an die im März anstehenden Sozialwahlen und deren Bedeutung erinnerte.

Teilaspekte der tarifvertraglichen Errungenschaften und der aktuellen Kämpfe wurden dann von den oben erwähnten Gewerkschaftssekretären dargelegt, die Thesen der Vorredner sollten somit anhand der betrieblichen Realitäten praktisch untermauert, den Forderungen anhand von Beispiel Nachdruck verliehen werden.

Am Abend dann wurde das Thema vor mehreren hundert Gewerkschaftern aus den 15 Berufssyndikaten ausführlich behandelt, auch eine Art Einstimmung auf die Sozialwahlen, die gut vier Monate vor dem Termin den OGBL bereits intensiv beschäftigen.


 

Lohn und Arbeitszeit: Erste Erfolge und Perspektiven

Am Rande der gestrigen Meinungsoffensive für den Ausbau der Tarifautonomie befragten wir den OGBL-Präsidenten André Roeltgen zu der unlängst begonnenen Lohnoffensive und zur Arbeitszeitverkürzung, die auch im Wahlkampf eine Rolle spielte.

Ja, positive Lohnabschlüsse habe es in letzter Zeit eine Reihe gegeben, vor allem da, wo der OGBL aus einer mehrheitlichen Position heraus verhandeln konnte. So vor wenigen Tagen im Bausektor, wo insgesamt eine Lohnsteigerung von bis zu 4 Prozent erstritten werden konnte. Auch den Pflegebereich nannte Roeltgen, wo Nachholbedarf herrschte und ohne den mittels Streik erreichten Abschluss der Sektor wohl vor Personalnot gestanden hätte. Der OGBL-Präsident erinnerte aber auch an die Forderung nach einem höheren Mindestlohn.

In Sachen Arbeitszeit stehe die Forderung nach der sechsten Urlaubswoche. Viele Arbeitnehmer in Betrieben mit Kollektivvertrag würden bereits hiervon profitieren können, so dass die allgemeine Umsetzung bezahlbar sei. Was die Reduzierung der Wochenarbeitszeit betrifft, so will der Präsident keine Stunden nennen. Er könne sich einen prozentualen Abbau vorstellen, wobei fünf Prozent weniger Wochenarbeitszeit für die meisten eine 38-Stunden-Woche bedeuten würde.