Gefährliche Parallelen: „Babylon Berlin“ und der Aufstieg des Rechtsextremismus

Gefährliche Parallelen: „Babylon Berlin“ und der Aufstieg des Rechtsextremismus

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Eigentlich spielt die deutsche Kriminal-Fernsehserie „Babylon Berlin“, die zurzeit unter anderem in der ARD zu sehen ist, im Berlin der 1920er-Jahre. Aber jene Bilder der politischen Radikalisierung dieser Zeit, die sich gleich in mehreren Lagern abspielte, können nicht nur als Erinnerung an längst vergangene Zeiten gelten. Der Serie, die unter der Regie von Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten entstand, wohnt mehr Aktualität inne als vielen lieb ist.

Von Alexander Birkel

Schaut man sich die Kriminal- und Historien-Serie „Babylon Berlin“ aufmerksam an, so kann plötzlich der Eindruck entstehen, dass man diese schonungslosen Bilder von randalierenden und marodierenden Nationalsozialisten, gegen die Demokratie und den Rechts- sowie Sozialstaat und dessen Organe agierenden national-völkischen Gruppierungen und der ausufernden Polizeigewalt doch schon irgendwoher kennt.
Allerdings nicht aus einer Serie, die ja zuallererst mit einer spannenden Handlung über zwielichtige Gestalten, skrupellose Gangster, eiskalte Auftragsmörder und leidenschaftliche Revolutionäre unterhalten will. Sondern aus den aktuellen Nachrichten. Unwillkürlich fühlt man sich an den in den westlichen und auch östlichen Ländern um sich greifenden Rechtsruck erinnert. Der getragen wird durch rechtspopulistische Parteien wie den „Front National“ (FN) in Frankreich, die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Deutschland, die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in Polen und die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) in Österreich.

Man denkt an die Menschenjagd in Chemnitz, während deren ein völlig enthemmter rechter Pöbel, von der Polizei ungehindert, durch die Straßen zog und jeden Menschen, den man als „nicht deutsch“ einstufte, verfolgte. Man denkt auch an das rheinland-pfälzische Kandel und die dort zahlreich stattfinden Demonstrationen gegen Flüchtlinge. Bei jener Szene in „Babylon Berlin“, in der Polizeieinheiten mit Schlagstöcken auf demonstrierende linke Demonstranten einschlagen, fallen einem sofort die Bilder des G20-Gipfels und anderer Demonstrationen ein. Hier sei nur einmal an die Gewalt gegen friedliche Aktivisten im Hambacher Forst erinnert. Die Liste jener linkspolitischen Aktionen, bei denen Aktivisten vonseiten der Polizei eine unnötige und gar unverhältnismäßige Gewalt erfahren, lässt sich bedauerlicherweise lange weiterführen.

Auf dem rechten Auge blind

Auch dass die Polizei in der Serie rechte Straftäter milder behandelt, ja gar in nicht wenigen Fällen kaum gegen sie vorgeht, lässt gewisse Parallelen zu aktuellen Situation erkennen. Man denke nur an die Causa Maaßen und den enormen Fokus des Verfassungsschutzes auf den Linksextremismus, wohingegen die Beamten auf dem „rechten Auge“ eher blind zu sein scheinen. So spricht der Berliner Polizeipräsident in „Babylon Berlin“ von der „roten Gefahr“, welche die Demokratie bedrohe und der man alle Kräfte entgegenstemmen müsse. Die Gefahr durch die SA-Truppen und Nationalisten scheint jedoch kaum wahrgenommen zu werden. Ebenfalls tauchen viele nationalistisch und zutiefst antidemokratische Militärs und Polizisten auf, eine deutliche Anspielung auf den verbreiteten Rechtsextremismus und Nationalismus in der heutigen Bundeswehr, sowie bei diversen Polizeibeamten, egal ob in regulären Polizeieinheiten oder bei Spezialeinheiten und Angehörigen von Landeskriminalämtern.

Ebenfalls wird das Verhalten der Presse, wenn auch nur am Rande, beleuchtet. Während in unserer Gegenwart gewisse Zeitungen, wie beispielsweise im extremen Fall die Bild-Zeitung und in einem weniger krassen Ausmaß die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), oft in das gleiche „Horn“ wie die Rechten blasen und Stimmung gegen Linksaktivisten und sonstige demokratische Kräfte machen oder gar wie bei der FAZ Rechten eine Plattform bieten, so wird auch in der Serie die Berichterstattung der Zeitungen in ein kritisches Licht gerückt.

Ein Beispiel hierfür ist, dass nach den Krawallen am 1. Mai 1929 die Schuld der KP und deren Anhängern zugeschoben wird, hingegen werden die am Einsatz beteiligten Polizisten, die sogar im Dienst unbeteiligte Zivilisten erschossen oder angeschossen haben, als Helden gefeiert. Verdeutlicht wird dies in einer Szene, in der ein Polizist, dessen Sohn ihm beim Spielen mit der Dienstwaffe in sein Bein schoss, vom Polizeipräsidenten der Stadt Berlin vor den Vertretern der Presse als Held präsentiert wird, der in Ausübung seiner Pflicht von gewalttätigen Kommunisten verletzt worden sei.

Was die eigentliche Handlung dieser historischen Krimiserie angeht, so kann sie in zwei Stränge gegliedert werden. Der erste Strang dreht sich um den Kriminalkommissar Gereon Rath (Volker Bruch), der aus Köln in die Hauptstadt kommt und bald mit der Stenotypistin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) in einen Fall um Waffenschmuggel gerät. Der zweite Strang folgt dem russischen Revolutionär Alexej Kardakow, der davon träumt, Stalin zu entmachten und von stalinistischen Auftragsmördern verfolgt wird.

Insgesamt wartet „Babylon Berlin“ also nicht nur mit einer warnenden Botschaft aus einer vergangenen Epoche auf, die dem Publikum die Gefahren des Rechtsextremismus, Nationalismus und Raubtierkapitalismus schmerzlich schockend vor Augen führt. Sondern auch mit einer spannenden Kriminalgeschichte mit für deutsche Verhältnisse actionreichen Thrillerelementen. Und die starke Persönlichkeit der weiblichen Figur Charlotte Ritter bringt sogar einen feinen Orkan Feminismus in diese Serie. Das tut besonders gut, mangelt es doch heutzutage immer noch sehr vielen Serien (und Filmen) an starken Frauenfiguren.

roger wohlfart
15. November 2018 - 19.03

Diese Serie ist hochaktuell. was heute hauptsächlich in manchen ostdeutschen Städten abgeht erinnert total an die Vornazizeit der 1920er Jahre. Adolf und Co. lassen güssen ! Leider nichts aus der Geschichte gelernt.