ÖsterreichFür Spaß die falsche Zeit: Die Omas gegen rechts mögen süß wirken, meinen ihre Sache aber todernst

Österreich / Für Spaß die falsche Zeit: Die Omas gegen rechts mögen süß wirken, meinen ihre Sache aber todernst
Haben die Medienaufmerksamkeit auf ihrer Seite: Die Omas gegen rechts demonstrierten am Freitag in Wien mit gegen den Akademikerball der rechten Burschenschaften Foto: Editpress/Armand Back

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In Wien ist es ein alljährliches Ritual. Während sich in der Hofburg, der ehemaligen kaiserlichen Residenz und dem jetzigen Sitz des Bundespräsidenten, Österreichs schlagende Burschenschaften zum Akademikerball treffen, wird draußen protestiert. Auch am vergangenen Freitag war das nicht anders. Seit drei Jahren aber mischen sich bis dahin unerwartete Gäste unter die Demonstranten.

Am späten Freitagnachmittag trudeln sie nach und nach ein. Langsam füllt sich das Hinterzimmer eines Lokals im neunten Wiener Bezirk. Von hier aus sind es zu Fuß nur wenige Minuten bis zur Universität, wo um sechs die Demonstration gegen den Akademikerball loszieht. Der Akademikerball, zu dem die radikal rechte Partei FPÖ einlädt, gilt als gesellschaftlicher Höhepunkt für Österreichs Rechtsextreme. Andere bezeichnen diesen Abend, an dem die deutschnationalen Burschenschafter mit ihren Uniformen, Mützen und Gesichtsnarben, einer Folge des Einweihungsrituals bei schlagenden Studentenbünden, zum Feiern in die Hofburg kommen, spöttisch als Höhepunkt des Wiener Faschings.

Im Hinterzimmer des Lokals werden letzte Vorbereitungen getroffen. Und es wird noch diskutiert. Gut 30 ältere Frauen haben sich dort versammelt, trinken heißen Kakao, Tee oder Kaffee. Sie alle eint, dass sie sich einsetzen wollen für die Gesellschaft. Sie alle sind bei der Initiative Omas gegen rechts – und leisten Widerstand nicht trotz, sondern wegen ihres Alters.

Wenn die Mitte auf der rechten Seite landet

Monika Salzer, 1948 geboren und selber Großmutter, hat die Omas gegen rechts gegründet. Vor drei Jahren war das. Auslöser, sagt die Systemische Psychotherapeutin und ehemalige Pfarrerin, war damals die Regierungsbeteiligung der rechtsextremen FPÖ. Doch das Schlimme an der jetzigen Regierung sei, dass „Bundeskanzler Sebastian Kurz in dieselbe Sprache verfällt wie schon die FPÖ“. Die österreichische Mitte sei „auf der rechten Seite gelandet“. Ihre Generation und sie wollten sich „das nicht gefallen lassen, dieses Diktat der Rechten“. Monika Salzer lächelt und schiebt die wohl wichtigste Aussage gleich hinterher: „Wir meinen das ernst, wir haben große Angst für unsere Jungen, ein Spaß ist uns das nicht!“

Gegen sechs, vor dem Uni-Hauptgebäude, haben sich rund 2.000 Demonstranten versammelt. Von einem Lieferwagen mit offener Ladefläche dröhnt Punkrock. Die roten Fahnen der Kommunisten sind unübersehbar. Junge Leute mit Kapuzenpullis rufen „Alerta!, alerta!, antifascista!“, Achtung, Achtung, hier kommen die Antifaschisten. Business as usual auf einer Demo gegen Rechte. Mittendrin stehen Monika Salzer und die anderen Omas gegen rechts, verteilen noch schnell ihre Schilder und singen sich ein mit ihrem Oma-Lied. „Omas, Omas, uns braucht das ganze Land, wir kämpfen für die Kinder und machen Widerstand. Omas, Omas, die Wölfe dieser Welt verkaufen uns’re Zukunft heut’ schon für das große Geld“ – und bilden so einen Kontrast zum Rest des Demozuges.

Ein Kontrast, auf den sich die Kameras der Fernsehanstalten und die Pressefotografen stürzen. In der kurzen Zeit ihres Bestehens sind die protestierenden Seniorinnen zu einem Aushängeschild des Widerstands gegen rechts geworden. Alle finden sie irgendwie süß. Das weiß Monika Salzer. Genau wie sie weiß, dass diese Beliebtheit sie bekannter macht, was wiederum der Verbreitung ihrer Anliegen zugute kommt. Aber auch deswegen betont sie erneut, wie ernst sie und ihre Mitstreiterinnen ihren Protest meinen. „Wir sind zwar relativ locker geworden durch unser Alter“, sagt Monika Salzer, ihre Botschaft sei aber „kein larifari“.

„Ohne Demokratie gibt es gar nichts“

Monika Salzer geht es auch darum, dass die Generationen ihrer Eltern und Großeltern mit ihren Kämpfen für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung nicht umsonst gelitten haben. Sie fühlten sich als Generation, die profitiert hat, seien aber „auch wegen der Traumata unserer Eltern, die wir mitzutragen hatten, keine leichte, keine leichtlebige Generation“. Jetzt gehe es um die Zukunft der eigenen Kinder. Darum, diesen eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Für Monika Salzer ist das „existenziell mit der Demokratie verbunden“. Ohne Demokratie gebe es keine Menschenrechte, keine Gleichberechtigung. „Ohne Demokratie gibt es gar nichts.“

Dieses Demokratieverständnis und die Bereitschaft, es auf der Straße zu zeigen, haben die Omas gegen rechts nun zu Linksextremen gemacht. Zumindest dem Verfassungsschutz aus Oberösterreich zufolge. Dieser hat die Ortsgruppe der Omas in seinem „Handlungskonzept gegen Extremismus“ als „linksradikal“ eingestuft. Wie alle anderen Teilnehmer an den wöchentlichen Donnerstagsdemonstrationen gegen rechte Auswüchse in der Regierung auch.

„Schlagende Omaschaft“: Am Freitag wurde gegen die schlagenden, oft deutschnationalen Burschenschaften demonstriert 
„Schlagende Omaschaft“: Am Freitag wurde gegen die schlagenden, oft deutschnationalen Burschenschaften demonstriert  Foto: Editpress/Armand Back

Nach Bekanntwerden dieser Maßnahme und dem folgenden Aufschrei wurde die Einstufung zwar zurückgenommen. Monika Salzer ist trotzdem entsetzt, vor allem, da zurzeit keiner weiß, ob die Omas gegen rechts nicht auch den Verfassungsschützern in anderen Bundesländern Österreichs als „linksradikal“ gelten. „Moderne, aufgeklärte Frauen der 68er-Generation, die wir sind, sind linksradikal? Also wo kommen wir denn da hin?“, fragt sich Monika Salzer. Die Omas seien links der Mitte, aber überparteilich. Linksradikal, das sei „absurd“.

Seniorinnen im Visier des Verfassungschutzes

Aber auch das ist Österreich und ebenfalls Europa zu Beginn des Jahres 2020. Während Rechtsradikale an symbolträchtigem Ort feiern dürfen, landen Menschen, die sich friedlich für Demokratie und gegen Faschismus einsetzen, im Generalverdacht der Linksradikalität im Visier von Staatsschützern.

Dass Rechtsradikale in der Hofburg ihr größtes Fest veranstalten dürfen, ist in Monika Salzers Augen „schädlich für Österreich“. Es sei „unethisch, einen solchen Ort für so etwas herzugeben“. Also gehen die Omas gegen rechts weiter auf die Straße. Auch an diesem kalten Freitagabend im Januar wieder. Immer auf die Gefahr hin, mit ihrem Widerstand die Rechten in der Wahrnehmung vielleicht größer erscheinen zu lassen.

Die Frage sei ja immer, so Monika Salzer: „Gibt man denen die Ehre oder nicht?“ Eine Frage, die sich die Medienlandschaft Österreichs offensichtlich weniger eindringlich stellt. Am Donnerstagabend zogen zahlreiche Journalisten zu einem Auftritt des aus der FPÖ geschassten und politisch erledigten ehemaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, der die vorherige Regierung zum Einsturz brachte, indem er sich heimlich dabei filmen ließ, wie er in der Hoffnung auf die Machtergreifung einer ihm unbekannten Frau auf Ibiza die halbe Republik verkaufen wollte. Am Freitagabend traf irgendwann auch der Chef der rechtsextremen Identitären in der Hofburg ein. Alle Kameras stürzten sich auf ihn und die Mikrofone brachten seine Botschaften wieder einmal in die Wohnzimmer der Österreicher. Die Omas gegen rechts halten mittlerweile mit ihrer eigenen Popularität dagegen. Auch unter der neuen türkis-grünen Koalition bleibt das Land gespalten.


Drei Fragen an: Monika Salzer, Gründerin der Omas gegen rechts 

Monika Salzer hat mit „Omas gegen rechts. Warum wir für die Zukunft unserer Enkel kämpfen“ auch ein Buch über ihr Engagement verfasst. 
Monika Salzer hat mit „Omas gegen rechts. Warum wir für die Zukunft unserer Enkel kämpfen“ auch ein Buch über ihr Engagement verfasst.  Foto: Editpress/Armand Back

Tageblatt: Wofür setzen sich die Omas gegen rechts ein und wo gibt es sie überall?

Monika Salzer: An erster Stelle kämpfen wir für vier Belange: die Erhaltung der Demokratie, des Rechtsstaates, des Sozialstaates und für die Gleichberechtigung der Frau. Gegründet wurden die Omas auf Facebook Ende 2017 und als Verein Anfang 2018. Mittlerweile gibt es uns in allen neun Bundesländern Österreichs, aber auch zahlreich in Deutschland sowie in der Schweiz und in Südtirol.

Wie sehen Sie die Rolle der älteren Frau in der Gesellschaft und wieso Omas gegen rechts und nicht auch Opas?

Die Opas sind ja mitgemeint. Aber eigentlich sind die Omas gegen rechts aus einer Frauenidee heraus entstanden und meinen Großmüttern und Urgroßmüttern geschuldet. Am Tag der Beerdigung meiner Mutter habe ich mir noch einmal deren Bilder angesehen. Diese Initiative ist dann aus einem Gefühl der Verbundenheit mit früheren Generationen heraus entstanden, die für soziale Fortschritte und Gleichberechtigung viel härter kämpfen mussten als wir. Die sollen nicht umsonst gelitten haben. Der Krieg war für alle schrecklich. Und jetzt haben wir wieder Rechtsradikale, die den Krieg herbeireden. Im Sinne von: Hätten wir doch bloß wieder einen Krieg, dann würde alles geregelt. Aber das ist doch krank, völlig krank. Dagegen muss man Widerstand leisten, das ist eine Bürgerpflicht. Was wir auf Demos machen, ist auch eine Ergänzung der Gesellschaftsgruppen. Sonst gehen immer nur Studenten und junge Leute mit. Das ist ein Novum, dass ältere Leute gehen, und dann noch Frauen, die den Mund aufmachen und sagen: Das passt uns nicht! Das ist in der Geschichte der Menschheit ganz unüblich und hat sicher mit unserer Bildung zu tun und mit der Geschichte der 60er- und 70er-Jahre. Die ganze 68er-Bewegung hat uns ermutigt, indem sie uns zeigte, dass das normal ist, auf die Straße zu gehen, dass Bürgerbeteiligung eine politische Pflicht ist. Das unterscheidet uns von älteren Generationen und vielleicht auch von den jüngeren. Nur die Zivilgesellschaft kann uns retten.

Die FPÖ ist nicht mehr in der Regierung, die ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz koaliert jetzt mit den Grünen. Sie machen trotzdem weiter – wieso?

Das Schlimme ist, dass Sebastian Kurz in dieselbe Sprache verfällt wie die FPÖ. Kurz will so den rechten Rand ganz abdecken und die FPÖ verzichtbar machen. Einen Politiker wie Kurz haben wir noch nie erlebt, einen, der in sachlichen Dingen letztlich relativ unbedarft ist, über wenig Sachwissen verfügt, aber immer mit Phrasen Ankündigunspolitik betreibt. Kurz will die Leute auf Kosten der Schwächeren bei der Stange halten, und diese Sündenbock-Kiste funktioniert. Wenn Kurz auch die Grünen an die Wand fährt, bleibt ihm nur mehr die Alleinregierung – und dann werden ihm die Österreicher wohl auch noch Danke sagen. Es ist eine Verblendung im Gang, die ist unglaublich. Ich frage mich, wann er entzaubert wird. Wahrscheinlich wird er sich selber entzaubern. So war es bei Strache ja letztendlich auch.

Gesungen wird bei den Omas gegen rechts viel, hier ihr Lied:

franzl
24. März 2020 - 14.13

man darf nicht immer sagen das ist jetzt so geworden man muss sich fragen warum wird es so .Und daran ist der Hacken zum einen weil die Linke Politische Seite ins totale Chaos verfällt und nicht weis was Sache ist man möge die Bild Lesen dann weis man was ich meine. Die Menschen wollen es nicht mehr immer wieder welche kommen und nur fordern,ja fordern aber die anderen dafür zahlen lassen.Liebe Omas ihr fordert ständig aber was gebt ihr wieviele von euch haben Migranten bei sich zuhause aufgenommen unversorgen sie geben ihnen zu essen und das Geld das sie über die runden Kommen und wielviele von euch zahlen für dies Menschen die Sozialversicherung eine damit sie Ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen können . Eure Barmherzigkeit hört bei eure Brieftasche auf .Ihr Faschisten Weiber

Jacques Zeyen
28. Januar 2020 - 8.47

"Hell's Grannies" made in Austria. Warum nicht. Die brauchen wenigstens keine Schule zu schwänzen. Ob rechte oder linke Radikale-wer durch Gewalt Änderungen herbeiführen will ist auf dem Holzweg.Die Geschichte lügt nicht.

de Schmatt
27. Januar 2020 - 16.34

Bewundernswert das Engagement, dieser älteren Damen! Wehret den Anfängen! Hätten die Deutschen und die Oesterreicher in den 1930er Jahren den Mut gehabt gegen das aufkommende braune Gesindel zu demonstrieren oder sich ihm entgegenzustemmen, hätten sie Adolf vermeiden können. Drum heisst es aus der Geschichte zu lernen!

J.Scholer
27. Januar 2020 - 14.49

@Cesha: Da wir beide einer Generation entspringen, eigentlich keinem von uns es an Bildung und Aufklärung gefehlt hat, scheint mir Ihre Argumentation , Denkweise nicht nachvollziehbar. Natürlich gab/ gibt es Linksextremismus der vor Gewalt nicht Halt macht, aber in Ihrer Darlegung , Ihrer Schreibweise erheben Sie dem rechten Mob zu Unschuldslämmern die keiner Fliege etwas zu Leide tun können, doch deren heute noch vertretene Ideologie die Öfen in den Konzentrationslagern anfeuerte, in deren Köpfen der Begriff „Untermensch“ geprägt wurde.Sorry , trotz Verständnisses für jene Menschen die Berührungsängste mit dem Fremden haben , weil sie sich der Aufklärung , der Weiterbildung zum Thema verwehren um sich eines Besseren belehren zulassen, bin ich persönlich über Ihre Argumentation schockiert.

CESHA
27. Januar 2020 - 8.40

Mit meinen 66 Jahren zähle ich wohl selbst zur Oma-Generation. Trotzdem habe ich kein Verständnis dafür, dass Frauen mit so viel Lebenserfahrung Seite an Seite mit sogenannten Antifaschisten gegen eine gefühlte Gefahr von rechts kämpfen. Ich kann gut verstehen, dass die österreichischen Regierung sie dafür als Linksextremisten einstuft. Man muss sich doch nur einmal die Nachrichten z.B. aus Deutschland anschauen, um zu sehen, wer die tatsächlichen Krawallmacher sind: Wann immer Autos angezündet werden, Steine und Feuerwerkskörper auf Polizisten geschmissen und andersdenkende Politiker und Privatpersonen terrorisiert werden, stammen die Täter aus dem linken Lager. Aber das Protestieren gegen rechts ist wesentlich ungefährlicher, als gegen Linksextremismus auf die Strasse zu gehen: Man riskiert nicht, von schwarz Vermummten zusammengeschlagen zu werden