Frühere Symbole der Macht: Renaissance und Neorenaissance in Luxemburg

Frühere Symbole der Macht: Renaissance und Neorenaissance in Luxemburg

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Gebäude sind mehr als ihre Form und die Funktion, wofür sie gebaut wurden. Der ideelle Bezug, das heißt das, was sie darstellen sollen, ist stets eine wichtige Komponente der Baukunst gewesen.

Das 1575 vom damaligen Gouverneur der Stadt Luxemburg Graf Peter Ernst I. von Mansfeld erbaute Gebäude ist das wohl am meisten fotografierte der Stadt Luxemburg. Jeder Luxemburger weiß, wo es sich befindet, viele Ortsangaben nehmen der Einfachheit halber darauf Bezug: ein Café beim Palais oder „e Buttek beim Palais“. Was vielleicht nicht alle Luxemburger wissen, ist, dass der älteste Teil des großherzoglichen Palastes ein Renaissance-Gebäude ist, eines der wenigen, die es in der Stadt gibt. Ein anderes – die „Maison de Raville“ – steht übrigens nur ein Steinwurf davon entfernt (Nummer 4 in der rue de la Reine).

Ursprünglich war das Haus Sitz der Stadtverwaltung. Obwohl es wenig Renaissance-Gebäude in unserer Hauptstadt gibt, übte der Stil einen großen Einfluss auf die Architektur zwischen 1890 und 1910 aus. Viele Bauten aus der Zeit orientierten sich an dem Stil, der unter der Bezeichnung Neorenaissance einen zweiten Frühling (fast hätten wir „Wiedergeburt“ geschrieben) erlebt hat. Der Begriff Neorenaissance stammt laut dem Historiker Robert L. Philippart aus der Zeit um 1870. Die Neorenaissance ist eine der Spielarten des Historismus, die sich alle an alten Stilen der Geschichte bedienen. Er war zu seiner Zeit trotzdem ein moderner Stil, da er neue Baumaterialien wie Stahl, industrielles Glas und Zement benutzt und sich auch nicht geniert, das zu zeigen. Bögen werden zum Beispiel wesentlich breiter gebaut, als es mit einer Steinkonstruktion der Fall war.

Keine Kopie des Alten

Dem alten Stil wird eine neue Symbolik verliehen. Zu diesem Zweck wird er bezüglich seiner ursprünglichen Aussage überspitzt dargestellt. „Der Historismus will aber keine reine Kopie des Alten sein, denn mit der Geschichte hatte er seine Probleme, obwohl er seine Inspiration daraus nimmt“, erläutert Robert L. Philippart. Der Historismus versucht auf die architektonischen Herausforderungen der jeweiligen Epoche zu reagieren, mit neuen Baumaterialien und mit der bestmöglichen Sprache, die zu der Funktion passt. So sind unter anderem politische Stile wie der Orientalismus (in Luxemburg an der hauptstädtischen Badeanstalt zu sehen), mittelalterliche Stile und dann eben die Neorenaissance entstanden.

Die Renaissance und vor allem die Neorenaissance wird zum Symbol des Zentralstaats, der sich damit identifiziert, erklärt Philippart. Das komme daher, dass sich Bauherren ab Anfang des 19. Jahrhunderts gezielt die Frage stellten, welcher Stil ihrem Zweck am besten dienen könnte. Das Aussehen des Gebäudes sollte die Funktion widerspiegeln. Man wurde sich klar darüber, dass jeder Stil eigene Konnotationen hervorruft. Mittelalterliche Stile wurden bevorzugt für Kirchenbauten benutzt, die klassischen Stile für Parlamente und die Renaissance oft, um die Macht des Zentralstaats darzustellen, wie etwa in Luxemburg durch den Gerichtshof oder das Postgebäude.

Architektur als Ausdruck einer Gesinnung

Der Palast ist eines der wichtigsten und charakteristischsten Gebäude der Hauptstadt. Bereits im 19. Jahrhundert wurde er als nationales Kulturgut angesehen und als Modell genommen. Als Beispiel sei „Conrots Eck“ in der Hauptstadt erwähnt (Baujahr 1897, Ecke rue du palais de justice/rue du marché aux herbes).

Der ursprüngliche Besitzer, Léon Conrot-Lenoël, hat sich ein Türmchen an sein Haus anbringen lassen, das an die Türme des Palasts erinnert, und darauf den Satz „O Du do Uewen dem séng Hand…“  schreiben lassen. Auch das ein „clin d’oeil“ an das Parlament, in dem damals noch auf Französisch debattiert wurde. Zudem setzte er sich als Privatmann das luxemburgische Wappen auf die Fassade und ließ eine historische Pietà, die dort gefunden worden war, einbauen. Baumaterial, Sprache, Stil und sogar der Glaube werden benutzt, um die Idee einer Nation zu schaffen.

1888 war der Anfang

Neorenaissance-Gebäude gibt es einige in der Hauptstadt: Als Beispiele seien Häuser in der côte d’Eich oder im obersten Teil der rue Beaumont genannt, gegenüber der Saint-Alphonse-Kirche, das Postgebäude mit seinen Verzierungen in der Aldringenstraße oder das alte Gebäude der Steuerverwaltung auf der place d’Armes hinter dem Dicks-Lentz-Monument. Diese Haus, das vom Architekten Prosper Biwer erbaut wurde, bezeichnet Philippart als eine der schönsten Neorenaissance-Bauten in Luxemburg-Stadt.

Den Beginn des Neorenaissance-Stils in Luxemburg kann man auf das Jahr 1888 datieren, als der Justizpalast erweitert wurde (heute befindet sich dort das Außenministerium), erklärt der Historiker. Noch mehr Auftrieb erhielt der neue Stil, als der Palast selber restauriert und umgebaut wurde, vom Regierungssitz zur offiziellen Stadtresidenz der großherzoglichen Familie. Die Essenz des Palastes, beispielsweise Fassade und Türme, blieb erhalten, die Änderungen war eher zweitrangig, sagt Philippart.


Beispiele

Bekannte Beispiele von Neorenaissance-Gebäuden in Europa sind die Wiener Staatsoper, der Travellers Club in London, das Palais Leuchtenberg und die Akademie der Bildenden Künste in München, das Königliche Konservatorium in Brüssel und das Pariser Rathaus.


Historismus

Der Ausdruck Historismus bezeichnet ein Phänomen des 19. Jahrhunderts, bei dem man auf ältere Stilrichtungen zurückgriff und diese nachahmte. Da der Historismus in Mitteleuropa ab den 1860er-Jahren größere Verbreitung erfuhr und es eine seiner ursprünglichen Funktionen war, die Repräsentationsbedürfnisse des in der Gründerzeit reich gewordenen Bürgertums zu befriedigen, wird er umgangssprachlich manchmal auch als Gründerzeitstil beziehungsweise Gründerzeitarchitektur bezeichnet. Unter dem Oberbegriff Historismus sind Stile wie Neuromanik, Neugotik, Neobarock oder eben Neorenaissance zusammengefasst.
(Quelle: deacademic.com)


Falls dieser Einstieg in die Neorenaissance der Hauptstadt Ihr Interesse geweckt hat und Sie tiefer in die Materie eindringen wollen, haben Sie dazu Gelegenheit vor Ort, anlässlich eines geführten Spaziergangs am Sonntagnachmittag unter der Leitung des Stadthistorikers Robert L. Philippart.

„Renaissance et Néo-Renaissance“

  • Ein geführter Spaziergang durch die Stadtgeschichte unter der Leitung von Robert L. Philippart
  • Sonntag, 13. Januar
  • Treffpunkt: 14.30 Uhr beim Palast
  • Dauer: 90 Minuten
  • Sprache: Französisch
  • Infos: www.histoireurbaine.lu