Frettchen und strahlende Kinderaugen – Adventscircus gastiert in Luxemburg

Frettchen und strahlende Kinderaugen – Adventscircus gastiert in Luxemburg

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Ein Zirkus hat etwas Magisches. Er taucht wie aus dem Nichts auf, begeistert Menschenmassen und bringt Kinderaugen zum Glänzen. Was für den Zuschauer ein ganz besonderes Erlebnis ist, ist für die Zirkusmitarbeiter harte Arbeit und bedeutet eine ganze Menge Stress. Bianca Renz, PR- und Marketing-Managerin des Adventscircus, ist mit dieser einmaligen Mischung aus Zauber und Stress aufgewachsen und kann nicht mehr ohne.

„Die beiden Tage vor der Premiere sind für mich die schlimmsten im Jahr“, erklärt Bianca Renz am Mittwochmorgen zwischen einem Telefonat und einer Anweisung an die Techniker. Die 28-Jährige ist mit dem Zirkus aufgewachsen und kennt seine Tücken. Gerade ist sie mit dem Timen der aktuellen Show beschäftigt. In weniger als zwei Tagen wird es ernst – diesmal sogar schon etwas früher als sonst: „In Zusammenarbeit mit der Stadt Luxemburg ermöglichen wir es in diesem Jahr Menschen mit wenig finanziellen Mitteln, bei der Generalprobe am Donnerstagabend dabei zu sein.“

Tickets und Spielzeiten

Vom 30. November bis zum 16. Dezember auf dem Glacis
www.luxemburger-
adventscircus.com

Die Künstler proben bereits seit dem 21. November. Nur einer nicht: Denis Ilchenko, Strongman aus der Ukraine, kam erst am vergangenen Dienstag an. „Er wurde von unseren Talentscouts in Norwegen entdeckt“, stellt Bianca ihn vor. Der 34-Jährige ist gerade bei den Trockenproben. Das heißt, er geht die Nummer durch, ohne die kraftaufwändigen Kunststücke auszuführen. Immerhin ist er gerade erst die 3.500 Kilometer von der Ukraine nach Luxemburg gefahren. „Aufgrund der schwierigen politischen Lage dort wurden er und seine Freundin sehr lange an der Grenze aufgehalten. Danach sind ihnen auch noch zwei Räder an ihrem Wohnwagen geplatzt“, erzählt Bianca, während Denis eine Stange mit zwei Schaukeln hochhebt. Hier werden später drei Männer und zwei Frauen drauf sitzen.

Hula-Hoop im Zirkus

In Jogginghose, Fleece-Jacke und mit Brille erinnert der große Ukrainer an einen kuscheligen Bären. Seine Freundin wirkt zerbrechlich neben ihm. Die beiden haben sich durch den Zirkus kennengelernt. Sie machte ursprünglich Hula-Hoop-Nummern, tritt aber derzeit zusammen mit Denis auf. Ob sie denn auf seinen Schultern stehend Hula-Hoop-Tricks mache? „Daran arbeiten wir“, antwortet sie lachend.

Denis wurde praktisch schon stark geboren: „Ich war schon als kleiner Junge sehr breit“, erzählt er in gebrochenem Englisch. Während des Interviews fragt er seine Freundin nach der Übersetzung des ukrainischen Wortes für „Casting“. Davon hat sein Vater nämlich ganz schön viele machen müssen, bevor er in einem Zirkus als Strongman aufgenommen wurde. „Mein Vater hat immer schon vom Zirkus geträumt. Als er noch jung war, war es sehr schwer, dort aufgenommen zu werden“, sagt Denis. Zu seinem Vater hat er immer aufgeschaut, wollte so sein wie er. „Mit 15 habe ich angefangen, mit ihm zusammen auf die Bühne zu gehen. Deshalb ist mir der Einstieg in das Geschäft viel leichter gefallen.“
Neun Jahre treten Vater und Sohn zusammen auf. Als Denis 24 ist, hört sein Vater auf. Er unterstützt seine Kinder aber bis heute. Denis’ Schwester arbeitet ebenfalls als Strongwoman. „Mein Vater ist gerade bei ihr in Orléans, wo sie einen Vertrag hat, und hilft ihr.“

Programm ist auf die Sekunde genau getimt

Dass Denis fast eine Woche nach Trainingsbeginn in Luxemburg angekommen ist, stellt Biancas kompletten Plan auf den Kopf. „Organisatorisch ist das ein Riesending“, sagt sie ernst. „Die anderen sind eigentlich schon fertig und ich hatte schon im Hinterkopf, dass ich notfalls auf ihn verzichten muss.“ Das Programm ist auf die Sekunde genau getimt. Hält Bianca das nicht ein, hat sie ein großes Problem. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn auf der Bühne nichts passiert. „In der Manege ist jede Sekunde eine Minute und jede Minute eine Stunde“, betont die erfahrene Zirkustochter.

Bevor Bianca Renz überhaupt auf der Welt war, eröffneten ihre Großeltern den Zirkus Renz. „Meine ganze Familie war darin involviert. Es war ein traditionelles Unternehmen mit Bären, Tigern und Elefanten – so, wie das in den 90ern eben war.“ Im Jahr 2000 entscheiden sich ihre Eltern dazu, einen eigenen Zirkus zu gründen, aber mit einem neuen Konzept. „Die klassischen Zirkuselemente wie das Zelt, das Popcorn und die Manege vermischen sich mit Theater, Varieté und moderner Bühne. Wilde Tiere nehmen Biancas Eltern nicht mit in die Show auf. Bianca selbst hat nach dem Abi in Russland eine Luftnummer erlernt, mit der sie drei Jahre lang aufgetreten ist. „Damals zog unser Zirkus noch weiter. Als ich zur Uni ging, hat er gestoppt.“ Bei ihrer Rückkehr ist sie etwas aus der Übung. Heute tritt sie mit einer „Lightpainting“-Nummer auf – durch das schnelle Bewegen von Taschenlampen malt sie Bilder.

Pferde, Frettchen, Katzen

Die Familie beschränkt sich bis heute auf Haustiere. „In diesem Jahr sind Pferde, Frettchen und Katzen mit dabei. Wir sind der Meinung, dass der Unterhaltungswert einer Show nicht darunter leidet, dass kein Elefant auftritt. Kinder können ebenso sehr über ein Frettchen lachen“, ist Bianca überzeugt.

Vor fünf Jahren muss Bianca sich eingestehen, dass sie ohne den Zirkus unglücklich ist. Damals studiert sie Medien-, Sport- und PR-Management. „Da habe ich gemerkt, wie sehr mir das Zirkusleben fehlt. Ich bin einfach ein Zirkuskind.“ Heute ist sie neben ihrer Arbeit beim Adventscircus selbstständig im Marketing tätig. Ihr Lebensgefährte ist ebenfalls Künstler, sodass sie ihr Privatleben mit ihrem Job verbinden kann. „Ich komme sehr viel um die Welt, sehe und erlebe unglaublich viel. Letztes Jahr waren wir in Norwegen, Anfang 2019 geht es nach England.“

Das ist nur möglich, weil der Adventscircus nicht im klassischen Sinne weiterzieht. „Nach der Show hier in Luxemburg, haben wir noch zwölf Tage Spielzeit in Heidelberg und dann war es das bis Dezember nächsten Jahres.“ Dann trennen sich die Künstler des Adventscircus und verteilen sich wieder auf der ganzen Welt. Und vielleicht treffen sie sich irgendwann, irgendwo, in einem anderen Zirkus wieder.