Frauen sind gleich, Männer sind gleicher – Luxemburg ist laut Studie weit von Gleichberechtigung entfernt

Frauen sind gleich, Männer sind gleicher – Luxemburg ist laut Studie weit von Gleichberechtigung entfernt

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Wie wäre die Welt, wenn Frauen und Männer in allen Bereichen gleichberechtigt wären? Die Antwort auf diese Frage lässt noch auf sich warten, behauptet der neueste „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums (WEF). Laut der Studie ist die Kluft zwischen den Geschlechtern nur zu 68 Prozent geschlossen. Island, Norwegen und Schweden führen das Ranking der 149 an der Studie teilnehmenden Länder an. Luxemburg landet nur auf Platz 61. Wie lässt sich das erklären?

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Jessica Oé

Dass Luxemburg noch weit von der Gleichberechtigung der Geschlechter entfernt ist, ist keine große Überraschung. Obwohl Statistiken zeigen, dass die Zeit, in der Frauen weniger verdienten als Männer, hierzulande vorbei ist (siehe „Die Gleichheit der Gehälter ist erreicht“ in unserer Ausgabe vom 11. Dezember), sind Frauen sowohl in führenden Posten der Wirtschaft als auch in der Politik unterrepräsentiert.

Man muss sich nur das Ergebnis der vergangenen Wahlen ansehen. Gerade einmal ein Viertel der neuen Abgeordneten sind Frauen und auch in der Regierung sieht es mit fünf Ministerinnen von insgesamt 17 Posten nicht rosig aus. Doch dass man das Großherzogtum im neuen Report erst auf Platz 61 wiederfindet, gleich hinter Kasachstan und knapp vor Bosnien und Herzegowina, überrascht dennoch.

Kaum noch ein Gender Gap bei der Bildung

Das WEF bezieht sich in seiner Studie auf zahlreiche Variablen aus vier übergreifenden Themenbereichen: politische Teilhabe, wirtschaftliche Beteiligung und Möglichkeiten, Bildung und Gesundheit. Es greift auf Statistiken von internationalen Behörden wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Unesco und der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zurück. Die Gesamtwertung setzt sich aus den Resultaten in den einzelnen Kategorien zusammen.

Luxemburg landet gemeinsam mit 25 anderen Ländern auf Position eins im Bereich Bildung. In diese Kategorie fließen unter anderem die Alphabetisierung, Einschulungsmöglichkeiten für Primär-, Sekundar- und Hochschulen sowie die erfolgreichen Abschlüsse der Bildungswege ein. Die Gleichberechtigung in Luxemburg ist in diesem Bereich also erreicht. Das ist aber keine Einzelleistung. Weltweit ist die Geschlechterkluft in dieser Hinsicht zu 95 Prozent überwunden.

Gender Gap bei der Gesundheit

In der Kategorie Gesundheit teilen sich 40 Länder die Poleposition. Luxemburg schafft es nur auf Platz 91. Obwohl es in der medizinischen Versorgung keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt, fällt vor allem die Teilkategorie „gesunde Lebenserwartung“ negativ auf. Hier wird die Lebenserwartung der Geschlechter verglichen. In Luxemburg beträgt sie 74 Jahre bei Frauen und 71 Jahre bei Männern.

Für das WEF zählt aber nicht die Länge der jeweiligen Lebenserwartung, sondern die Differenz der beiden Werte. Je größer der Unterschied, desto besser der Wert. Der Gedanke dahinter: Fällt die Lebenserwartung der Frauen unter die der Männer, obwohl Erstere weltweit tendenziell länger leben, ist das Gesundheitssystem nur partiell oder überhaupt nicht für Frauen zugänglich. Die Qualität des Systems wird bei dieser Methode nicht betrachtet. Da die Resultate der Studie zudem sehr nahe beieinander liegen, landet Luxemburg schnell im mittleren Bereich des Rankings. Der „Gender Gap“ in puncto Gesundheit ist weltweit zu 96 Prozent geschlossen.

6 Länder ohne Frauen im Parlament

Luxemburg erreicht bei der politischen Beteiligung von Frauen nur Platz 67. Hier wird unter anderem bewertet, während wie vielen Jahren Frauen den Posten des Regierungschefs innehatten (null in Luxemburg), seit wann sie wählen dürfen (1919), ob es bindende oder freiwillige Frauenquoten bei den Wahllisten gibt und wie viele Frauen im Parlament oder in der Regierung vertreten sind. Allerdings bezieht sich die Studie noch auf die Situation vor den Nationalwahlen 2018.

Von den vier untersuchten Bereichen ist die Geschlechterkluft bei der politischen Teilhabe weltweit am größten. Während Island als Spitzenreiter „nur“ noch 33 Prozent fehlen, liegt die Kluft in Ländern wie Kuwait (im allgemeinen Ranking Platz 126), Libanon (140), Oman (139) und Jemen (149) bei 97 Prozent. Nur 18 Prozent aller Minister weltweit sind Frauen. In sechs der 149 Länder sind gar keine Frauen im Parlament vertreten.

108 Jahre bis zur Gleichberechtigung

In puncto Wirtschaftsbeteiligung und -möglichkeiten habe sich Luxemburg verbessert, lobt das WEF. Trotzdem gibt es hier nur Platz 60. Die Studie untersucht u.a. den Anteil der Frauen in der Arbeitskraft des Landes, Lohngleichheit, Einkommen und Anzahl von Frauen in hohen Positionen von Unternehmen.

Während Luxemburg bei der Lohngleichheit immerhin Platz 21 erreicht – in den Augen der WEF gibt es hierzulande noch Ungerechtigkeiten –, fällt insbesondere das schlechte Ranking beim Frauenanteil in hohen Positionen auf: Platz 118. Der WEF-Studie zufolge sind Frauen deutlich öfter in Teilzeit beschäftigt (35 gegenüber 15 Prozent bei Männern) und kaum in den Verwaltungsräten von Firmen vertreten (13 gegenüber 87 Prozent).
Vor allem international bleibt in puncto wirtschaftliche Beteiligung noch viel zu tun. Der „Gender Gap“ beträgt hier 41 Prozent. Nur 14 Länder haben 80 Prozent Gleichberechtigung in der Wirtschaft erreicht. Laos ist mit 91 Prozent Spitzenreiter.

Laut WEF hängt die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch von der Einkommensklasse ab. Es gibt mehr Angestellte, Arbeiterinnen und Frauen mit technischen Berufen als solche in höheren Positionen. Außerdem stellt die Studie fest, dass Frauen in den meisten Ländern keine direkte Kontrolle über wirtschaftliche Ressourcen haben, also nicht selbst über Geld verfügen können. Zusätzlich verrichten Frauen auch 2018 den Großteil der unbezahlten Arbeit.

Wie lange wird es dauern, bis die Geschlechterkluft überwunden ist? Weltweit etwa 108 Jahre im Durchschnitt, rechnet das WEF vor. In Westeuropa dauere es „nur“ noch 61 Jahre. Nordamerika wird 165 Jahre brauchen. Und in Ostasien und der Pazifikregion müssen Frauen laut Schätzungen noch länger warten: mindestens 171 Jahre.


„Keine Anti-Männer-Politik“

„Auf den ersten Blick sind die Studie und Luxemburgs Ranking natürlich erschreckend“, urteilt die Ministerin für Chancengleichheit, Taina Bofferding (LSAP). „Es lohnt sich aber, genau hinter die Zahlen zu schauen. Es ist unglücklich, dass die Studie nicht wirklich vom WEF kommentiert wird.“

Der Bericht enthalte Fehler, die ihr aufgefallen seien. Ob das Ministerium das WEF allerdings darauf aufmerksam machen werde, sei noch nicht entschieden. „Wir werden uns in den kommenden Wochen intensiv damit auseinandersetzen.“

Dennoch freut es die Ministerin, dass internationale Studien wie diese dafür sorgen, dass das Thema diskutiert wird. „Der Bericht zeigt, in Luxemburg müssen wir weiter an der Gleichberechtigung arbeiten. Das steht auch so im Koalitionsvertrag, mit vielen Ansatzpunkten.“

Ihr Rolle sehe sie eher als Koordinatorin. „Die Verantwortung liegt bei mir, aber nicht ausschließlich. Sowohl meine Kollegen als auch ich müssen uns für die Gleichberechtigung engagieren.“ So soll beispielsweise die „Inspection du travail et des mines“ gestärkt werden. Auch soll der Staat bei der Stellenvergabe in staatlichen Behörden und Betrieben weiter mit gutem Beispiel vorangehen.

„Es ist wichtig, dass die Umsetzung der Gleichberechtigung nicht als Anti-Männer-Politik verstanden wird. Das soll auf Augenhöhe passieren. Wenn Frauen von den Maßnahmen derzeit mehr profitieren, dann, weil sie noch viel aufzuholen haben.“

Gemeinsam mit dem Bildungsministerium möchte Bofferding eine „geschlechtsneutrale Bildung und Berufsorientierung“ durchsetzen. Ob das bedeuten würde, dass Schulbücher umgeschrieben oder gegendert werden, ließ die Ministerin offen. „Wir werden eine Bestandsaufnahme durchführen und verschiedene Vorschläge diskutieren. Ich verschließe mich nicht prinzipiell dagegen. Es geht allerdings nicht darum, Ideen ‚par force‘ durchzusetzen, sondern die Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen.“


Alles richtig, aber …

Das WEF veröffentlicht seinen jährlichen „Global Gender Gap Report“ seit 2006. Die Bewertung und die Platzierung der Länder sind allerdings nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Das Ranking trügt

2006 befand sich Luxemburg noch auf Platz 56, 2018 auf Platz 61. Geht die Gleichberechtigung hierzulande also zurück? Nein, tut sie nicht: Die Anzahl der an der Studie teilnehmenden Länder ist einerseits von 115 auf 149 gestiegen. Andererseits zeigt der „Score“, also die Gesamtwertung, eine allgemeine Verbesserung. Je näher an 1.0, desto größer ist die Gleichberechtigung. Luxemburg wurde 2006 mit 0,667 bewertet, 2018 mit 0,712.

Keine nationalen Studien

Das WEF basiert sich auf internationale Studien, nicht auf Daten der einzelnen Länder. Während so sicherlich Manipulationen vermieden werden, schleichen sich aber auch Ungenauigkeiten ein. Zum Beispiel wird Luxemburg abgesprochen, ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz zu haben. Jedoch haben das Ministerium für Gleichberechtigung und die Pressestelle der Justiz bestätigt, dass es ein solches Gesetz gibt. Auch wird behauptet, dass der Mutterschaftsurlaub vom Staat, der Vaterschafturlaub vom Arbeitgeber bezahlt wird. Das ist falsch – beide werden vom Staat übernommen.

Keine individuelle Betrachtung

Die WEF-Studie liefert eine globale Einschätzung der Gleichberechtigung und geht nicht auf die einzelnen Länder ein. Überspitzt gesagt: Es geht nicht darum, wie gut es Frauen geht, sondern ob es ihnen genauso gut oder schlecht geht wie den Männern in dem jeweiligen Land.

GuyT
12. Januar 2019 - 15.58

Als Mann stört mich es , dass nicht viel über die Genderungerechtigkeit geredet wird, wenn sie zu Ungunsten der Männer ist: Feminisierung des Corps enseignant, Zeitregelung bei Scheidungskindern, Nachteile bei der Schulbewertung und Bewertung bei Jungen,...

Rol
28. Dezember 2018 - 11.17

Was die Politik betrifft, stellt sich nun die Frage, ob dies so dargestellt werden kann, wie im Artikel beschrieben. Ok es sind wenige in der Regierung, weswegen ist nun die Frage? Es scheint mir doch eher dass Frauen Männer wählen, eher als Frauen, sonst wär dies nicht so. Frage die sich nun stellt, weswegen wählen Frauen nicht Frauen? Ein Mangel an Kandidatinnen gab es auf den Wahllisten ja nicht.

Laird Glenmore
28. Dezember 2018 - 9.38

Männer sind eben immer noch die Platzhirsche die Frauen als Untertan und Sexobjekt sehen. Wer die gleiche Arbeit verrichtet soll auch gleichwertig entlohnt werden ohne Ausnahme.