FPÖ wird identitäre Geister nicht los

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Für die ÖVP wäre eine Neuauflage der am Ibiza-Skandal gescheiterten Koalition die billigste Variante. Der FPÖ-Chef bettelt sogar darum. Doch die Identitären könnten den Traum vom türkis-blauen Revival zum Platzen bringen.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Bis zum Auffliegen einer Spende des Christchurch-Attentäters Brenton Tarrant an den österreichischen Identitären-Chef Martin Sellner waren diese rechtsextremen Sektierer in der Alpenrepublik kein großes Thema. Auch nicht ihre personellen und inhaltlichen Verschränkungen mit der FPÖ, obwohl diese durchaus bekannt waren.

So war der FPÖ-Generalsekretär und spätere Innenminister Herbert Kickl im Jahr 2016 bei einem Rechtsextremistenkongress der „Verteidiger Europas“ in Linz als „Stargast“ aufgetreten. Dort tummelten sich zahlreiche Identitäre. Die FPÖ nahm auch gerne begriffliche Anleihen, etwa wenn es galt, gegen den „großen Austausch“ zu hetzen.

Realität straft Schwüre Lügen

Erst nach dem Massenmord an Muslimen im neuseeländischen Christchurch und der unleugbaren Erkenntnis, dass der Tatverdächtige seinen ideologischen Unterbau aus identitären Versatzstücken samt Österreich-Bezügen konstruiert hatte, war die FPÖ um Distanzierungen bemüht. Obwohl FPÖ-Funktionäre zugleich bei den Identitären auftraten, diesen Vereinslokale vermieteten und auch gerne deren Wahlempfehlungen entgegennahmen, schwor die Parteispitze, mit dieser Bewegung nichts am Hut zu haben.

Der seit Heinz-Christian Straches Ibiza-Absturz amtierende Parteichef Norbert Hofer erklärte es für „unvorstellbar, dass jemand, der bei uns aktiv ist, sagt: ‚Ich spende etwas oder ich gehe zu einer Veranstaltung oder Demo (der Identitären, Anm.)’“. Die Realität straft solche Sprüche freilich Lügen. So ist Ursula Stenzel noch immer Parteimitglied, obwohl die Wiener FPÖ-Stadträtin vorige Woche als Rednerin bei einer Demo aufgetreten war, mit der die Identitären der Befreiung Wiens von den Türken im Jahr 1683 gedachten.

Stenzel-Affäre

Hofer ignorierte alle Aufforderungen, die vor Jahren von der ÖVP zu den Freiheitlichen übergelaufene Ex-Europaabgeordnete aus der Partei zu werfen und damit die Glaubwürdigkeit der Abgrenzung zu den Identitären unter Beweis zu stellen. Allen Ernstes wird Stenzels Auftritt mit deren Beteuerung entschuldigt, sie hätte nicht gewusst, dass die Demo eine identitäre war. Zurücktreten will die 74-Jährige auch nicht.

Während noch über die Stenzel-Affäre diskutiert wurde, platzte am Mittwoch die nächste identitäre Bombe: Auf der Landesliste der oberösterreichischen Freiheitlichen für die vorgezogene Nationalratswahl steht ein gewisser Philipp Samhaber. Dieser Name findet sich auch auf einer vom Verfassungsschutz erstellten Liste von 538 ermittelten Mitgliedern der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). Samhaber rangiert zwar auf der FPÖ-Liste so weit hinten, dass sein Einzug ins Parlament auszuschließen ist, doch es geht ums Prinzip.

Der Kandidat selbst bestreitet eine formale IBÖ-Mitgliedschaft, muss aber einräumen, von Juli 2018 bis Ende März dieses Jahres via Dauerauftrag monatlich 20 Euro an den der IBÖ zugerechneten, inzwischen aufgelösten Verein „Heimat und Kultur“ gespendet zu haben.
Und wieder hält die Partei dem IBÖ-Sympathisanten die Stange. FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner sieht „keinen Grund, Konsequenzen zu ziehen“ und die FPÖ wieder einmal nur als Opfer von „dirty campaigning“.

Die FPÖ kann es nicht

Angesichts solch regelmäßig aufpoppender „Einzelfälle“, von denen ÖVP-Chef Sebastian Kurz schon in der Koalition nach eigenem Bekunden viele hatte „runterschlucken“ müssen, stellt sich zwei Wochen vor der Wahl immer drängender die Frage: Wie halten es die Türkisen mit den Blauen?

Unmittelbar nach dem Bruch im Mai hatte der damalige Kanzler den Rechtspopulisten noch ausdrücklich die Regierungsfähigkeit abgesprochen: „Die FPÖ kann es nicht.“ So kategorisch sagt er das inzwischen nicht mehr. Denn einen servileren Partner wird die ÖVP, die allen Umfragen zufolge die Wahl klar gewinnen dürfte, nicht finden. FPÖ-Chef Hofer lobt dreimal täglich die Vorzüge der alten Koalition über den grünen Klee und wirbt für deren Neuauflage.

Doch gerade der Umgang mit den Identitären zeigt, dass die FPÖ die alte und ein potenzieller Sprengsatz ist. Das sehen auch in der ÖVP mehr so als es laut aussprechen. Die Türkisen wollen „ihren Kanzler“ Kurz zurück, aber vielen graut vor der FPÖ. Allerdings: Mit dem Wunschpartner vieler Schwarzer, den Grünen, wird sich ein Zweierbündnis kaum ausgehen.

ÖVP will Verbot der Identitären

Ein Dreier mit den liberalen Neos gilt zwar einer Umfrage zufolge sogar als bevorzugte Variante der Österreicher, wäre aber für Kurz die politisch teuerste Konstellation. Vor allem den Grünen müsste er nicht nur beim Klimaschutz epochale Zugeständnisse machen, um deren eher linke Basis zu besänftigen. Auch die Neos fordern etwa die von der ÖVP strikt abgelehnten CO2-Steuern.

Die FPÖ will dagegen nur dort fortsetzen, wo man im Mai hatte unfreiwillig aufhören müssen – auch wieder mit dem Rechtsextremisten-Spezi Herbert Kickl als Innenminister. Dessen Comeback aber hat Kurz schon ausgeschlossen. Und in Sachen Identitäre könnte die FPÖ noch vor der Wahl zum Offenbarungseid gezwungen werden: Im ÖVP-Wahlprogramm steht die Forderung nach einem Verbot der IBÖ.

Angesichts der aktuellen Vorfälle könnte es noch im September im Parlament zu einer Abstimmung über eine entsprechende Änderung des Vereinsrechtes kommen. Stimmt die FPÖ aus Rücksicht auf ihren rechtsextremen Rand kurz vor der Wahl dagegen, wird es Kurz nach der Wahl schwerfallen, seine eigene Einschätzung der Regierungsunfähigkeit dieser Partei als Geschwätz von gestern zu entsorgen.