Forscher Michel Goedert: Brückenschlag mit Cambridge

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Vor 45 Jahren hat Michel Goedert Luxemburg den Rücken gekehrt. Er hat in der Schweiz studiert und im britischen Cambridge Karriere gemacht. 2003 knöpfte er mit seiner Ernennung in den „Conseil de gouvernance“ der neu gegründeten Uni wieder mit Luxemburg an. Eine Bindung, die seither ständig gewachsen ist. Und die mit seiner Bestätigung im Rat der Universität noch weiter wachsen wird.

„Hei war mäi Schoulwee“, sagt Professor Dr. Michel Goedert, als wir uns in einem hauptstädtischen Hotel am Rande des Merler Parks zum Gespräch treffen. Bis zum Sekundarabschluss sei er täglich hier entlang zum „Kolléisch“ gelaufen. Den damaligen „Cours supérieur“ hat Michel Goedert anschließend allerdings nicht besucht. „Ich wollte Mut beweisen und habe gleich das Weite gesucht“, sagt er mit dem leisen Humor, der während des ganzen Interviews spürbar ist und aus dem hochkarätigen Wissenschaftler einen sympathischen Menschen aus Fleisch und Blut macht.

Dieser Mut führte Michel Goedert nach Basel, wo er Medizin studierte, bevor er auf Molekularbiologie umsattelte, was ihn zur britischen Prestigeuniversität Cambridge und zur Erforschung der Auslöser von Alzheimer und Parkinson führte. Der britischen Uni ist er bis heute treu geblieben, er ist nach wie vor als Ehrenprofessor an der Bildungseinrichtung und als Programmchef am Labor für Molekularbiologie des „Medical Research Council“ dort tätig. „Der ‚Conseil de gouvernance‘ ist mein einziger beruflicher Kontakt mit Luxemburg“, sagt Goedert, dessen Familie in Belair lebt, der selbst jedoch sein Berufs- und Familienleben in Cambridge führt.

In diesem siebenköpfigen Gremium, das ab November 2018 auf 13 Mitglieder ansteigen wird, saßen bislang vier Luxemburger. Mit seinem luxemburgischen Pass und seiner Auslandserfahrung hatte Goedert bislang gewissermaßen eine Ausnahmestellung.
„Ich fühle mich in diesem Gremium als Luxemburger“, sagt er. Die Umgangssprachen seien zwar Französisch und Englisch, kulturell gebe die Muttersprache den Luxemburgern jedoch eine gewisse Komplizität. Durch die Mehrsprachigkeit habe die Luxemburger Universität zwar ihren einzigartigen Stempel, gleichzeitig sei aber auch das Bekenntnis zur Luxemburger Sprache und Identität wichtig. Das sei in den 70er Jahren, als er Luxemburg verlassen habe, noch nicht so ausgeprägt gewesen. „Wir haben mehr ins Ausland geschaut.“

Hohe Anforderungen

Dass Luxemburg heute eine eigene Universität hat, ist für Michel Goedert eine gute Sache – vorausgesetzt, sie hat ein hohes Niveau und kann international mithalten.
Die Bedenken vieler Gegner der Universität, die bedauerten, dass die Luxemburger Studenten dadurch keine Auslandserfahrungen mehr bekommen könnten, weist Prof. Dr. Goedert entschieden von der Hand. Gewisse Studiengänge müssen nach wie vor im Ausland absolviert werden. Er nennt die Medizin, die er selbst in der Schweiz absolviert hat.
„Ich habe den Schweizer Staat umgerechnet etwa eine Million CHF gekostet. Ich habe dieses Geld nicht gutgemacht, weil ich nie in der Schweiz gearbeitet habe“, führt er als Beispiel an und befürchtet, dass Luxemburgs Studenten angesichts der Beschränkungen, die inzwischen an vielen Universitäten gelten, eines Tages Probleme bekommen könnten. So gesehen sei die Ausdehnung des Medizinstudiums schon richtig gewesen. Nochmals betont Goedert die Voraussetzung, dass die Qualität stimmt und die Uni im internationalen Vergleich mithalten kann.

„Wir werden alle fünf Jahre evaluiert. Wir haben zwar im Prinzip feste Anstellungen, müssen aber periodisch unter Beweis stellen, dass unsere Arbeit international wettbewerbsfähig ist. Wir können unsere Stelle alle fünf Jahre verlieren“, zitiert er die in seinem Forschungslabor gültigen Regeln.

Der Brexit macht ihm keine Angst

Der Brexit, der drohende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, macht dem seit 1981 in England tätigen Luxemburger keine Angst. Seine luxemburgische Staatsangehörigkeit will er auch nicht aufgeben. „Jetzt zu wechseln, wäre indirekt Wasser auf den Mühlen der 52% Neinsager“, überlegt Goedert, gibt jedoch gleichzeitig zu, dass sich die jüngeren Kollegen in seinem Labor durchaus Sorgen um ihre Zukunft in England machen. Der heute 64-jährige Goedert hat seine ganze beeindruckende Forscherkarriere in Großbritannien gemacht. Er kennt die britische Inselmentalität. So gesehen sei der Ausgang des Referendums nicht erstaunlich gewesen, meint er und verweist auf General De Gaulle, der schon 1963 erklärt hatte, Großbritannien passe nicht ins europäische Gebilde.

Er habe nach seinem Medizinstudium in Basel gewusst, dass er nicht in der klassischen Schulmedizin bleiben und nach Luxemburg zurückkehren würde. „Was ich in Großbritannien mache, hätte ich in Luxemburg und an vielen anderen Orten so nicht tun können“, sagt der mehrfach mit hochwertigen Preisen ausgezeichnete Wissenschaftler. „Medizin ist ein Beruf, in dem man mit der steigenden Erfahrung immer besser wird. Als Forscher ist man bei seiner Arbeit allein auf sich gestellt. Und man muss sich immer wieder aufs Neue beweisen.“