Flüchtling Firas nagt am Hungertuch: „Ich bin zum 19. Mal operiert worden“

Flüchtling Firas nagt am Hungertuch: „Ich bin zum 19. Mal operiert worden“

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Firas ist zarte 17 Jahre alt, sein Bauch voller Narben: Der syrische Flüchtling erzählt in einem Beiruter Krankenhaus, wie seine Familie in den Libanon geflüchtet ist. Ein Interview über 19 Operationen, Armut und Heimweh.

Von Tageblatt-Chefredakteur Dhiraj Sabharwal, zz. in Beirut

Woher kommst du?

Aus Homs in Syrien. Ich hatte ein schönes, normales Leben. Ein Jahr nach dem Krieg sind wir in den Libanon geflüchtet. Das war vor sieben Jahren.

Mit wem lebst du gerade?

Wir sind zu acht: Ich lebe mit meinen Eltern, meinen beiden Brüdern, meiner Schwester, meinem Schwager und mit meinem Neffen. Wir wohnen in Tripoli im Norden des Libanons.

Wie gefällt dir der Libanon?

Am Anfang war das tägliche Leben hier sehr teuer. Das ist nicht einfach für uns.

Lebst du legal hier?

Meine Familie und ich sind seit Beginn illegal hier. Wir haben keine Aufenthaltsbewilligung.

Fühlst du dich dadurch eingeschränkt?

Ja, es ist schwer für uns, nicht einfach herumflanieren zu können. Ich fühle mich eingesperrt.

Seid ihr auf eigene Faust geflüchtet?

Wir haben die Grenze illegal über die Bergregion überquert.

Hat deine Familie wegen der Flucht gelitten?

Um hierherzukommen, musste meine Familie überall kleine Geldbeträge zusammentragen. Sie pumpte unsere Nachbarn und Cousins an, damit wir hier ins Krankenhaus kommen konnten.

An was leidest du?

Ich leide an einer chronischen Hämorrhagie. Ich konnte erst im Libanon meine Behandlung beginnen. Mein Gesundheitszustand hat sich dennoch verschlechtert. Es kam zu zusätzlichen Infektionen meiner Lungen.

Wie lange bist du jetzt schon im Krankenhaus?

Ich bin 35 Tage lang im Krankenhaus gewesen. Ich verließ das Krankenhaus für zehn Tage. Jetzt bin ich schon wieder seit dreizehn Tagen im Krankenhaus. Ich weiß aber nicht, wann ich es verlassen werde. Das geht seit Monaten so. Ich bin jetzt zum 19. Mal operiert worden. Meine Bauchspeicheldrüse und mein Blinddarm wurden entfernt.

Gibt es noch etwas, das dir Freude bereitet?

Ich verbringe selbstverständlich sehr gerne Zeit mit meiner Familie. Aber meine Gesundheitsprobleme halten mich von meiner großen Leidenschaft ab: ich liebe Sport. Ich kann nicht jeden Tag laufen gehen. Ich kann kein normales Leben führen. Meine Gesundheit und mein Land spielen nicht mit.

Willst du irgendwann zurück nach Syrien?

Ja, ich will zurück. Es ist mein Zuhause.

Firas ist einer der vielen Gesprächspartner, denen Großherzogin Maria Teresa auf ihrer humanitären Reise im Libanon begegnet (hier).

GuyT
5. November 2018 - 17.04

Man sollte Syrien unterstützen beim Aufbau der Infrastrukturen die durch die Bombardements der IS Terroristen, des Assadstruppen, der Türkei -ja und des Westen- bombardiert wurden.

roger wohlfart
31. Oktober 2018 - 19.16

Korrekt.: Man sieht nicht mehr hin, weil die Wirklichkeit unerträglich ist.

roger wohlfart
31. Oktober 2018 - 19.13

Dieser junge Mensch erlebt die Hölle auf Erden. Diese hilfesuchenden Augen eines unschuldigen 17 jährigen auf seinem Krankenbett sind einfach erschütternd. Nicht genug, dass sein junger Körper verstümmelt ist, Firas muss auch noch Hunger leiden. Wie soll er sich erholen können? Und dieses unbeschreibliche Elend müssen wir mitansehen, machtlos. Wir, die einfachen Bürger, können nichts tun und wenn wir noch so hilfsbereit sind. Man sieht nicht mehr hat, weil die Wirklichkeit unerträglich ist. Man hört, liest täglich von tausenden von Kriegsopfern und sieht die zerfetzten Körper nach einem Bombenanschlag und allmählich wird man immun dagegen. Bis die Schilderung eines einzelnen Schicksals uns den grausamen Alltag in grossen Teilen der Welt vor Augen führt und uns aus unserer Lethargie wachrüttelt. Alles in allem, sollen wir uns bewusst werden, wie gut es uns auf diesem Zuckerplätzchen der Erde doch geht und dankbar dafür sein. Das ist nämlich nicht so selbstverständlich.