Finanzkrise in Luxemburg 2008: Volles Risiko bei der Fortis-Rettung

Finanzkrise in Luxemburg 2008: Volles Risiko bei der Fortis-Rettung
Foto: Alain Rischard

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Nach einem langen Verhandlungswochenende wurde am Montag, 29. September 2008, das Abkommen zwischen Fortis und den drei Regierungen unterzeichnet. Insgesamt 11,2 Milliarden an neuem, staatlichem Kapital fließen in die nationalen Bankfilialen der Fortis-Gruppe. Im Gegenzug erhalten Belgien, Luxemburg und die Niederlande das Recht auf je 49,9 Prozent der Anteile an „ihrer“ Fortis-Bank.

Doch trotz Milliardenhilfen ist der Kampf ums Vertrauen noch nicht gewonnen. Es zieht keine Ruhe ein. Nicht an den Märkten und nicht bei den Menschen. Während sich die Behörden in Belgien und Luxemburg zu Wochenbeginn nach der Fortis-„Rettung“ mit einem Rettungsplan für die Dexia-Gruppe beschäftigen, stürzt im Sog der fortschreitenden weltweiten Krise auch der Kurs der Fortis an den Märkten weiter ab. Zum Erschrecken aller Beteiligten hat der Markt die Hilfen nicht so wahrgenommen wie geplant – sie wurden gar als Bestätigung von negativen Szenarien gewertet.

Ende September 2008, vor genau zehn Jahren, passierte das Undenkbare: Die ein Jahr zuvor in den USA ausgebrochene Finanzkrise schlug mit voller Wucht in Luxemburg ein.

In der Serie „Die Banken im Sturm“ will das Tageblatt daran erinnern, was sich im Herbst 2008 in Luxemburg abgespielt hat. Als Quellen für die Artikel der Serie dienen Gespräche mit zahlreichen Zeitzeugen sowie Zeitungsartikel und Geschäftsberichte von damals.

„Die Banken im Sturm“ erscheint täglich im Tageblatt und auf Tageblatt.lu.

Nervosität

Gleichzeitig beginnen die Ratingagenturen in den USA, aufzuwachen. Sie senken die Bewertung der Fortis – trotz der Unterstützung von drei Staaten. Die dadurch weiter steigenden Kreditkosten verschärfen den Druck auf die Liquidität. Die Nervosität bleibt hoch, an den Märkten und bei den Kunden. Zudem kommt die Frage auf, ob das bereits hoch verschuldete Belgien überhaupt in der Lage sein wird, zwei internationale Finanzkonzerne (Dexia und Fortis) zu retten. Die Zinskosten auf den Staatsschulden könnten in griechische Höhen schießen.

Niederlande schlagen zu

„Nach einem ruhigen Mittwoch wurden dann am Donnerstag die Niederländer kompliziert“, erzählt Pol-Henry Bonte, damals zuständig für den Bereich „Mergers and Acquisitions“ bei der BNP Paribas in Brüssel. „Das, was die Niederländer gemacht haben, war total idiotisch. Fortis war nicht nach Ländern strukturiert – sondern nach Geschäftslinien. Es entstand das totale Chaos.“

In den Niederlanden hatte man die ganze Entwicklung mit Sorge und Frust beobachtet. Zudem hat das Land die „Schmach“ noch nicht verdaut, dass die „belgische“ Fortis ein Traditionshaus wie ABN Amro übernehmen konnte. Nach dem ersten Verhandlungswochenende wird den Niederländern dann schnell klar, dass sie ein neues Abkommen möchten. Sie schalten auf stur und wollen Fortis Niederlande unter Zwangsverwaltung stellen. An das vorliegende Abkommen wollen sich die Niederländer nicht mehr halten.


Aus den Verhandlungen

Ein Minister sei bei solchen Verhandlungen normalerweise nicht anwesend gewesen, erzählt Pol-Henry Bonte. Dafür gebe es aber taktische Gründe. „Der trägt die politische Verantwortung. Der muss nachher das unterzeichnen, was seine Teams ausgehandelt haben.“ Zudem könne man dann später immer noch sagen: „Nein, so geht es aber nicht. Der Chef will nicht. Bei solchen Verhandlungen vermeidet man es zumeist, die Hauptperson in den Vordergrund zu stellen.“

In der Praxis sei das so abgelaufen: Gaston Reinesch vom Luxemburger Finanzministerium habe die Verhandlungen vonseiten des Luxemburger Staates her geleitet. „Ein Minister war zumeist nicht dabei. War es aber nicht möglich, eine Einigung mit Gaston Reinesch zu finden, dann musste der Minister entscheiden.“ Manchmal habe Gaston Reinesch schon sehr zäh verhandelt, so Bonte, der damals für BNP Paribas arbeitete, weiter, „aber er hat immer besonders hart gekämpft für Luxemburger Interessen“.


Belgien fühlt sich verraten. In dem Königreich geht die Angst vor einem neuen Run auf Rest-Fortis um. Die belgische Regierung beginnt erneut mit der Suche nach einem finanzstarken Partner und lädt im Laufe der Woche erneut die französische BNP Paribas zu Fortis-Übernahme-Gesprächen nach Brüssel ein.

Tag und Nacht wird auf allen Ebenen weiterverhandelt. „Bei der belgischen Finanzaufsicht gab es ein Treffen, wo Gaston Reinesch Luxemburg ganz allein vertrat“, erinnert sich Bonte. „Die Niederländer waren mit einem Bus gekommen. Dort, bei der ‚Commission bancaire‘, verbrachten wir dann die Nacht.“

Schließlich übernimmt der holländische Staat für 16,8 Milliarden Euro die kompletten Aktivitäten des Konzerns auf seinem Staatsgebiet. Die Niederländer haben ihre Kronjuwelen zurück. Belgien übernimmt die Fortis-Bank Belgien.

Eigene Verhandlungen

Das Schicksal von Fortis Luxembourg interessiert die Verhandler in Brüssel nur sehr wenig. Am liebsten hätte Belgien die BGL wohl einfach behalten. Das Großherzogtum beginnt daher auf eigene Faust mit Verhandlungen mit BNP Paribas. Mit dem Recht auf 49,9 Prozent der Anteile von Fortis Luxembourg, das das Land am ersten Wochenende ausgehandelt hatte, war es zu einem unumgehbaren Gesprächspartner geworden.

Zudem waren erste Kontakte zwischen der französischen Großbank und der Luxemburger Regierung bereits am Wochenende zuvor geknüpft worden. „Am Sonntag rief mich plötzlich Luxemburgs Wirtschaftsminister Jeannot Krecké an“, erzählt Bonte, der den Minister seit etwa drei Jahren kannte. So lange bereits arbeitete er als Berater mit an der Schaffung von Enovos (Fusion von Cegedel, Soteg und Saar Ferngas). „Der Minister hatte das Gefühl, nicht gut genug darüber informiert zu sein, was gerade in Belgien passiert“, so Bonte weiter. „Er wusste, dass ich bei BNP arbeite, und er wollte einfach wissen, was los ist.“

BGL im Fokus

Später stellte Pol-Henry Bonte einen Kontakt zwischen dem Luxemburger Wirtschaftsminister und Alain Papiasse, zuständig für Privatbank und Vermögensverwaltung bei BNP Paribas, her. Dann, an diesem „Freitag, rief mich Alain Papiasse zurück“, erzählt Bonte weiter. „Ich sollte nach Luxemburg kommen.“

Während die belgische Regierung am Wochenende (Freitag, 3. Oktober bis Sonntag, 5. Oktober 2008) in Brüssel mit BNP Paribas verhandelt, laufen in Luxemburg parallel Verhandlungen mit der französischen Großbank an. „Es galt, die Bedingungen für einen Verkauf der BGL auszuhandeln“, erinnert sich Jean Guill, der damals Schatzmeister im Finanzministerium war.

‚Gemeinsam mit Alain Papiasse und Eric Martin (Chef von BNP Paribas in Luxemburg) ging Pol-Henry Bonte dann zu Fortis Luxembourg auf Kirchberg. Das Erste, was den Vertretern der BNP ins Auge sprang, so Bonte, war, dass das alte Logo der BGL – trotz langer Zugehörigkeit zu Fortis – noch nicht überall entfernt wurde. Ein zweites Verhandlungswochenende begann.

Auf Kirchberg wurden sie bereits von zwei Delegationen erwartet. Eine von Fortis – zu ihr zählten Carlo Thill und Robert Scharfe (heute Geschäftsführer der Luxemburger Börse) sowie andere Mitglieder des Direktionskomitees der BGL. Die Freude über das Kommen der Franzosen – oder die Hoffnung auf einen Karrieresprung – war so groß, dass ein Vorstandsmitglied von Fortis Luxembourg gar einen BNP-Paribas-Pin, den er auf einer Konferenz erhalten hatte, an seinem Revers angebracht hatte.

Die andere Delegation war vom Luxemburger Staat. Sie bestand aus Finanzminister Luc Frieden, Gaston Reinesch, Jean Guill (beide Finanzministerium), Jean-Lou Siweck (Staatsministerium) sowie dem Geschäftsanwalt Steve Jacoby von der Anwaltskanzlei Clifford Chance. Ein Versammlungsraum im Vorstandsflügel im vierten Stockwerk der Bank war von den Staatsvertretern in Beschlag genommen worden.

Job-Absicherung

„Bereits im Vorfeld hatte Gaston Reinesch einige Prinzipien mit Alain Papiasse abgesprochen, etwa den Namen und eine Job-Absicherung für die Mitarbeiter der Bank“, erinnert sich Jean-Lou Siweck. Dann stellten die einzelnen Mitglieder des Direktionskomitees den Vertretern der BNP Paribas ihre Bereiche, Kennzahlen und Strategien vor. Speziell: Der Bereich Private Banking wurde von Hugues Delcourt, dem damaligen Chef der ABN Amro Bank in Luxemburg und heutigen Geschäftsführer der BIL, präsentiert. Die Vorbereitungen der Fusion waren schon so weit fortgeschritten, dass er sich bereits in seinen neuen Job eingearbeitet hatte.

Die Luxemburger wollten alle gleich von Alain Papiasse wissen, worin er die Zukunft der BGL sieht, erzählt Bonte weiter. Was sind seine Pläne für die unterschiedlichen Sparten der Bank? „Und Papiasse kannte sich mit all diesen Fachgebieten – auch wenn es technisch wurde – sehr gut aus“, so der ehemalige Banker weiter. „Auch stellte sich schnell die Frage der Marke. Fortis war ein sehr verbrauchter Name. Und auch mochte das Management ihn nicht besonders.“ Eine Einigung war schnell gefunden. Ein weiteres Thema war die Sicherung der Arbeitsplätze.

Schnelles Resultat

„Wichtig war, dass die Menschen ihre Arbeitsplätze behalten konnten. Das war in dem Moment das Wichtigste“, so Gabriel di Letizia, der damals als Personalvertreter bei den Gesprächen im Verwaltungsrat mit dabei war. „Im Endeffekt waren wir sehr erleichtert, dass der Staat einspringt. Das brachte eine große Sicherheit. Und das Resultat der Verhandlungen wurde eingehalten“, so der Gewerkschafter weiter. „Es gab keinen Sozialplan.“ Auch nicht nach der Fusion von BGL und BNP Paribas in Luxemburg.

„Bereits morgens hatten wir ein Abkommen gefunden“, erzählt Bonte weiter. „In Belgien wurde immer noch verhandelt. Die Luxemburger Seite fragte uns, ob wir im Zweifelsfall die BGL übernehmen würden – wie auch immer die Entscheidungen in Belgien ausfallen sollten. Da haben wir begonnen, uns alles etwas mehr im Detail anzuschauen: Die BGL hatte ein sehr hohes Eigenkapital. Zudem gibt es das Netz von Filialen in Luxemburg und den Bereich Vermögensverwaltung“, so die Überlegungen. „Wir wollten aber nicht einfach Ja sagen, um Belgien nicht zu verärgern – aber ganz vorsichtig bejahten wir die Frage trotzdem.“ Der Vertrag zwischen Luxemburg und BNP Paribas war aber noch nicht geschrieben.

Belgien riskierte mehr

Obwohl sowohl Luxemburg als auch Belgien überaus stark von der Finanzkrise getroffen wurden, war die Situation in Belgien viel komplizierter. „In Luxemburg ging es nur um Wirtschaft. In Belgien sehr viel um Politik“, so Pol-Henry Bonte. „Auch riskierte Belgien viel mehr. Es hätte plötzlich ganz Fortis am Hals haben können. Das war eine viel schwierigere Situation als mit der BGL – die noch relativ gesund war.“ Zudem war Belgien bereits derzeit überaus hoch verschuldet.

„In den Filialen wollte man sofort zum neuen Logo wechseln. Das war aber noch nicht möglich.“

Pol-Henry Bonte, bei BNP Paribas für den Bereich „Mergers and Acquisitions“ zuständig

Ein weiterer Grund dafür, dass die Verhandlungen in Luxemburg schneller zu einem Resultat führten, soll gewesen sein, dass sich das Management der BGL und die Spitzen des Luxemburger Staates bereits kannten. „Und das war eine ganz andere Verhandlungsbasis als bei Fortis in Brüssel“, erinnert sich der ehemalige BNP-Banker. Da war nämlich nach und nach die Hälfte des Managements ausgefallen. „Das sind zwei Situationen, in denen man ganz unterschiedlich verhandelt.“

Unter den wenigen, die in Brüssel übrig blieben, war auch ein Luxemburger, Camille Fohl. Er war gerade erst seit Anfang des Jahres 2008 zu Fortis nach Brüssel gekommen. Heute ist er Präsident des Verwaltungsrates der BCEE. Er konnte uns derzeit für ein Interview leider nicht zur Verfügung stehen.

Bewertung der BGL

Am Sonntag trafen sich die einzelnen Delegationen erneut im Sitz der künftigen BGL BNP Paribas. Die Prinzipien waren geregelt, offen blieben die Zahlen, die Bewertung der Bank und somit der Preis, den der Staat zahlen und von dem BNP Paribas wiederum einen Teil übernehmen sollte. Am ersten Wochenende war zwar eine Unterstützung von 2,5 Milliarden Euro versprochen worden. Es wurde aber vermieden, festzulegen, was die Bank tatsächlich wert war.

„Da gibt es einerseits einen Wert“, so Pol-Henry Bonte aus dem Team der Käufer. „Und es gibt einen Preis. Der wird verhandelt. Und damals wollte niemand Banken kaufen.“ Man hielt sich schließlich an den Preis, der am ersten Wochenende in Brüssel ausgehandelt worden war. „Unter anderen Bedingungen wäre dieser Preis wohl nicht angenommen worden“, so Bonte heute. Ein Preis hänge immer vom Umfeld ab.

Per Handschlag

„Auf einmal trat Luc Frieden in den von den Regierungsvertretern benutzten Raum“, erinnert sich der damalige Wirtschaftsberater, „und verkündete, er habe bei einem Spaziergang im Park der Bank einen Verkaufspreis mit Alain Papiasse abgesprochen: 2,4 Milliarden für 49,9 Prozent der BGL. Mit solchen Menschen müsse man Handschlaggeschäfte machen, so der Minister.“

„Wie riskant sein Handeln war, war Frieden wohl gar nicht bewusst“, so Siweck weiter. „In einem Meeting einige Monate später, als es bei der Rettung der Kaupthing Bank um die äußerst schwierige Bewertung der Aktiva der Bank ging, fragte er so ganz unschuldig, warum, wenn dies so komplex sei, es bei der BGL so einfach gewesen wäre.“

Ergebnisse

„Damit konnte die BGL die Fortis- Episode hinter sich lassen, während der sie wohl in dieser Gruppe nicht ganz heimisch geworden war“

Jean Guill, damals Schatzmeister im Finanzministerium

Auch in Belgien schritten die Verhandlungen voran. Im Laufe des Sonntags wurde in Brüssel ein Abkommen zwischen Staat und BNP Paribas geschlossen. Dieses sah die Errichtung mehrerer Kompetenzzentren vor, wie sich Bonte erinnert – doch keines davon in Luxemburg. „Nur auf das Drängen von Gaston Reinesch hin, der heute Präsident der Luxemburger Zentralbank ist, wurde auch noch eins für Luxemburg eingeplant.“

In der Nacht auf Montag wurden sich in Belgien dann alle einig: Belgien kauft weitere 51 Prozent (für 4,7 Milliarden) an der Fortis-Bank aus Belgien und leitet 75 Prozent von den nun 100 Prozent an BNP Paribas weiter. Dafür wird das Land mit 11 Prozent zum größten Aktionär der französischen Bank.

Auf Kirchberg einigte man sich derweil so: Von den 49 Prozent, die Luxemburg an der BGL hielt, wird es 16 Prozent an die BNP Paribas verkaufen. Dafür erhält der Staat ein Prozent der Aktien der BNP-Gruppe. Die restlichen 33 Prozent der BGL-Anteile behält der Staat selbst. Die andere Hälfte plus eine Aktie gehören weiterhin der damaligen Fortis-Bank in Belgien (heute: BNP Paribas Fortis).

Nach den Verhandlungen wurde das Ergebnis mit einer guten Zigarre gefeiert. Sonntags um 10 Uhr abends gibt der Verwaltungsrat von Fortis Luxembourg seine Zustimmung.

Langes Warten

Die BGL, die bis dahin Fortis Luxembourg hieß, wird zur BGL BNP Paribas. „Damit konnte die BGL die Fortis-Episode hinter sich lassen, während der sie wohl in dieser Gruppe nicht ganz heimisch geworden war“, erklärt der damalige Leiter der „Trésorerie de l’Etat“. Bis der Verkauf tatsächlich auch stattfindet, werden jedoch noch Monate vergehen. „In den Filialen wollte man sofort zum neuen Logo wechseln“, erinnert sich Bonte. „Das war aber noch nicht möglich.“


Die BGL nach der Rettung

In der Folgezeit der Fortis-Rettung kam es zu einer ganzen Reihe von Gerichtsprozessen, von denen manche bis heute, zehn Jahre nach den Geschehnissen, immer noch nicht vorüber sind.

Doch auch wenn die Legalität des Verkaufs mittlerweile geregelt ist, so wird weiter über Schadenersatzansprüche gestritten. Die Aktionäre beklagen, nicht richtig informiert gewesen zu sein. Zudem stellte sich die Frage, ob ein Staat etwas verkaufen kann, was ihm nicht gehört. Management und Besitzer von Fortis mussten die „Rettung“ hinnehmen. Die Alternative wäre die Pleite gewesen. Zeit für Verhandlungen gab es nicht.

Nach Monaten der juristischen Unsicherheit – und der Aussicht auf eine Fortsetzung der Prozesse – macht der Luxemburger Staat Mitte Dezember 2008 Nägel mit Köpfen. Die Wandelanleihe von über 2,4 Milliarden Euro wurde in Aktien umgetauscht. Nun war Luxemburg ganz offiziell Besitzer von 49 Prozent der Anteile der BGL.

Erst Mitte Mai 2009, nachdem weiter juristische Klarheit geschaffen worden war, hat das Großherzogtum den im Oktober 2008 versprochenen Teil dieser Aktien an die BNP Paribas weiterverkauft.

Struktur und Besitzverhältnisse der BGL BNP Paribas sind bis heute, zehn Jahre nach der Krise, in etwa gleich geblieben. Der Staat hält weiterhin ein Drittel der Aktien der Luxemburger Bank.

Und um den Kreis zu schließen: Während die Fortis-Gruppe im Jahr 2008 beim Kauf der ABN Amro Bank scheiterte, hat die BGL BNP Paribas 2018 den Kauf der Luxemburger Aktivitäten der niederländischen Bank durchgezogen.


Erst im Mai 2009 waren die letzten juristischen Fragen geklärt und die Verwaltungsratsbeschlüsse gestimmt. Bis dahin war die Situation, juristisch gesehen, unklar geblieben. Rechtlich gesehen hieß das Finanzinstitut einige Monate nur „BGL“. Am 10. Oktober wurde Gaston Reinesch zum Präsidenten des Verwaltungsrates der Bank ernannt.

Die Finanzkrise von 2008 war gerade an ihrem Höhepunkt. In Deutschland brach die Hypo Real Estate zusammen. In der Luxemburger Zentralbank war ein Krisenteam versammelt – mehrere Mutterhäuser von Banken auf dem Finanzplatz waren in Turbulenzen, was am Boulevard Royal überwacht wurde. Bei Dexia wurde ein zweites Rettungspaket notwendig. In Island wackelte gleich das ganze Land. Zentralbanken sprangen weltweit mit mehreren hundert Milliarden Euro schweren Notfall-Kreditlinien für Banken ein. Zudem wurden die Leitzinsen in vielen Ländern auf null gesenkt, um die Konjunktur anzukurbeln. In der Eurozone ist diese Episode bis heute nicht vorbei.


Tageblatt: Wie reagiert man als rational denkender Staatsbeamter, wenn man plötzlich den Mist von Bankern zu regeln hat, die sich benommen haben wie in einem schlechten Film?

Jean Guill: „Man muss abwägen. Soll man die Banken sich selbst überlassen? Theoretisch müssten sie selber klarkommen … wie jeder Schuster und jedes kleine Unternehmen auch.
Aber hätte der Staat diese eigentlich guten Institute fallen gelassen, dann wäre großes wirtschaftliches Chaos in Luxemburg entstanden – vor allem da so viele Privatleute und Unternehmen ihre Kunden waren.

Hat man die prinzipielle Entscheidung zur staatlichen Rettung erst getroffen, dann geht es nur noch um die Bedingungen. Wie bei normalen geschäftlichen Verhandlungen: Wie viel Kapital wird benötigt? Kann die Bank es stemmen? Wie viel ist etwa BNP bereit zu zahlen? Alles läuft auf die Frage hinaus: Was ist für jeden tragbar?

In einer ’normalen‘ Situation kann man den Banken sagen: Stockt euer Kapital auf! Baut Risiken ab! Der Staat steht nicht immer mit Kapitalspritzen bereit!

Wenn es aber freitagmittags plötzlich einen Bank Run gibt, dann herrscht Panik. Es gibt keine Ruhe mehr. Der Staat musste einspringen. Es ging nicht anders.

Es gab zwar Prozeduren, die Europa aufgestellt hatte – es gab aber keine Zeit, um sich diese anzuschauen.“


Nach der Rettung der Fortis blickt das Tageblatt am Freitag, 28.September, auf die Rettung der Dexia zurück.

Schuller piir
28. September 2018 - 4.12

Erinnert mich an das Schneeballsystem unserer Pensionskassen. Warten auf den grossen Knall.