Feines Füßchen, scharfes Auge: Erwin Bradasch ist Co-Trainer beim F91 und Scout für Bremen

Feines Füßchen, scharfes Auge: Erwin Bradasch ist Co-Trainer beim F91 und Scout für Bremen
Erwin Bradasch lernte F91-Trainer Dino Toppmöller 2009 bei Eintracht Trier kennen.

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Wenn Erwin Bradasch über den Düdelinger Trainingsplatz spaziert, strahlt er Seelenruhe aus. Ein Pass nach links, ein Blick nach rechts, der ehemalige Spielmacher hat alles unter Kontrolle. Beim F91 ist er mehr als nur der Hütchenaufsteller von Trainer Dino Toppmöller. Der 37-Jährige ist der Mann mit dem guten Auge und der Vorliebe für die niederländische Fußballschule.

Aus Brüssel berichtet Tageblatt-Redakteur Dan Elvinger

Der Hesse und der Pfälzer. Der Zehner mit dem feinen Füßchen und der Neuner mit dem Killerinstinkt. Erwin Bradasch und Dino Toppmöller. Das aktuelle F91-Trainerduo lernte sich 2009 bei Eintracht Trier kennen und schätzen. „Er hat ein paar Mal mittrainiert. Wir sind sofort ins Gespräch gekommen, weil Dino in Frankfurt zusammen mit meinem Bruder gespielt hat“, erklärt Bradasch. Kurz danach trennten sich ihre Wege wieder. Toppmöller unterschrieb 2009 einen Vertrag als Stürmer beim F91, während Bradasch noch zwei Jahre in der Römerstadt blieb. 2013 kam es zum Wiedersehen. Oberligist SV Mehring verpflichtete beide als spielende Co-Trainer.

Als der Cheftrainer entlassen wurde, übernahm das Duo die Mannschaft und sicherte den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt. „Wir waren beide Neulinge, aber wir haben gemerkt, welchen Spaß es machen kann, wenn man Pläne zusammen ausarbeitet, diese umsetzt und am Ende ein Erfolg dabei rauskommt. Dino und ich hatten von Anfang an die gleiche Fußballphilosophie und menschlich hat es einfach gestimmt“, erklärt Bradasch. Das Duo blieb jedoch nur neun Monate im Amt. „Die Ansprüche im Verein stiegen, viele wollten mitreden und es war nicht mehr möglich, ordentlich zu planen.“

Danach trennten sich wieder ihre Wege. Toppmöller zog es im Sommer 2014 ein zweites Mal nach Luxemburg. Er heuerte beim damaligen Ehrenpromotionär RM Hamm Benfica an und schaffte auf Anhieb den Aufstieg in die Ehrenpromotion. Bradasch beendete unterdessen sein Studium der Betriebswirtschaftslehre, das er während seiner aktiven Profikarriere unterbrochen hatte. 2016, als Toppmöller als Cheftrainer beim F91 Düdelingen vorgestellt wurde, holte er Bradasch wieder mit ins Boot.

Der Mann im Hintergrund

Der gebürtige Darmstädter wurde wie schon in Mehring zum Assistenten ernannt. Ansprüche auf den Chefposten stellte er nicht. „Das Wichtigste in einem Trainerteam sind Respekt, Vertrauen und Loyalität. Wenn diese Dinge stimmen, dann habe ich überhaupt kein Problem damit, als Co-Trainer zu arbeiten. Dino und ich teilen uns die meisten Aufgaben untereinander auf. Würde ich bei ihm nur Hütchen aufstellen und könnte nichts mitentwickeln, würde mir das keinen Spaß machen.“

Bradasch ist der Mann im Hintergrund – zumindest in der Öffentlichkeit. Selten sieht man ihn an der Seitenlinie des Stade Jos. Nosbaum zappeln. Und das hat seinen Grund: „Dino ist der Chef und das sollte man auch sehen. Wenn zwei Trainer einem Spieler etwas zurufen, sorgt das meistens für Verwirrung. Ich gebe Dino Informationen weiter und er baut diese dann in seine Kommandos ein. Ich fühle mich wohl in dieser Beobachterrolle und kann dadurch eine Partie entspannter verfolgen.“

Wie bei verheirateten Pärchen, tauchen auch bei Trainerduos, die auf einer Wellenlänge sind, ab und zu Meinungsverschiedenheiten auf. „Dann wird alles durchdiskutiert, aber meistens finden wir einen Konsens. Oft gehen wir sehr extrem ins Detail und sprechen darüber, wer auf welchem Fuß am besten angespielt wird.“

Seine Liebe fürs Detail hat Bradasch einen sehr interessanten Nebenjob eingebracht. Seit 2016 ist er Scout für den Bundesligisten Werder Bremen. Chefscout beim Verein aus dem Norden Deutschlands ist seitdem Sebastian Hartung, der mit Bradasch zusammen in Trier kickte und der in der Saison 2011/12 beim CS Grevenmacher unter Vertrag stand. Für die Werderaner nimmt der F91-Assistent Spieler in Belgien, Frankreich und dem Südwesten Deutschlands unter die Lupe. Bisher wurde jedoch noch kein Spieler verpflichtet, den er vorgeschlagen hat. „Oft war die sportliche Bewertung gut, aber es ist aus diversen Gründen nicht zum Wechsel gekommen.“

Vom geschulten Auge von Bradasch profitiert sowohl Werder als auch der F91: „Wenn keiner für Bremen dabei ist, kann es immer mal sein, dass ich einen Spieler für Düdelingen entdecke und umgekehrt auch. Zwischen beiden Vereinen liegen Welten, deshalb gibt es in dieser Hinsicht keinen Interessenkonflikt.“ In diesem Sommer lotste er die beiden ehemaligen Bremer Marc-André Kruska und Leon Jensen nach Düdelingen. Der 37-Jährige schließt nicht aus, dass er irgendwann mal einen Düdelinger für Werder vorschlagen wird: „Wenn einer das Potenzial und die Charakterstärke hat, werde ich ihm die Zukunft mit Sicherheit nicht verbauen.“

Bei seiner eigenen Karriere ist nicht immer alles nach Plan verlaufen. In jungen Jahren wurde er mehrfach in deutsche Jugend-Nationalmannschaften berufen. Mit 18 Jahren feierte er sein Debüt für den KFC Uerdingen in der zweiten Bundesliga. Danach folgten noch 78 Regionalliga-Spiele (damals: dritte Liga). „Ich hätte mehr aus mir herausholen müssen, aber ich habe Fehler gemacht und hatte zudem Verletzungspech.“

Niederländische Schule

Als 18-Jähriger lag ihm ein Angebot der Bayern vor. „Der Chefscout hat mir die Zahlen und den Vertrag vorgelegt und für mich war klar, dass ich wechseln werde. Bei einer Offerte der Bayern überlegt man nicht lange. Dann hat sich mein Berater eingemischt und zwei Monate später sollte ich plötzlich zum Probetraining. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden und mich gegen diesen Berater aufgelehnt. Im Nachhinein hätte ich mich diplomatischer verhalten müssen, aber ich bin überhaupt nicht verbittert. Aus solchen Situationen habe ich gelernt und versuche, das an die Spieler weiterzugeben. Ein Schlauer lernt nämlich aus den Fehlern der anderen“, so Bradasch, dessen Wechsel zum deutschen Rekordmeister sich schlussendlich zerschlug.

Während seiner Zeit beim KFC Uerdingen lernte er jedoch zwei Trainer kennen, die ihn prägten: Henk ten Cate und Jos Luhukay. „Die niederländische Schule hat mir sehr gut gefallen und passte auch zu meinem Spielstil. Zu diesem Zeitpunkt sah der deutsche Fußball noch anders aus als heute. In den Niederlanden wurde hingegen sehr viel Wert auf Technik und Taktik gelegt. Ten Cate wollte mich damals zu NAC Breda lotsen, das hat aber leider auch nicht geklappt. Der holländische Fußball wäre optimal für mich gewesen“, so Bradasch rückblickend.

Statt in der Eredivisie gegen Ajax und Feyenoord aufzulaufen, begann der ehemalige Mittelfeldspieler bereits als 22-Jähriger, seine Zukunft nach der Karriere aufzubauen. „Ich war oft verletzt und wusste nicht, ob es überhaupt noch eine Zukunft für mich in der Fußballbranche gegeben hätte.“ Ab 2003 lief er daher wieder für den Oberligisten Erzhausen auf. In dieser Zeit wurde er zum staatlich geprüften Betriebswirt. Über Umwege landet er bei der Eintracht Trier, wo er bis zu seiner Invalidität 2011 spielte.

Obwohl Bradasch später seinen Abschluss in BWL nachholte, tat er beruflich nie etwas anderes als Spieler oder Trainer zu sein. Eine Leidenschaft, die ihn und Toppmöller zum zweiten Mal nacheinander in den Europapokal führte. Morgen, wenn Düdelingen im Kosovo auf Drita trifft, kann er erstmals mit seinem Trainerpartner die dritte Europa-League-Runde erreichen. Ein Highlight in seiner noch jungen Karriere.


STECKBRIEF

Name: Erwin Bradasch
Geboren am 8. Januar 1981 in Darmstadt (D)
Position als Aktiver: Mittelfeld
Vereine als Aktiver: Germania Pfungstadt, FC Alsbach, SV Darmstadt 98, KFC Uerdingen, FC Augsburg, SV Erzhausen, Wormatia Worms, FC Alsbach, Eintracht Trier, SV Mehring (alle D)
Vereine als Co-Trainer: SV Mehring (D), F91 Düdelingen (seit 1.7.2016)
Nationalmannschaft: 18 Junioren-Länderspiele für Deutschland (U15 bis U20)