Fake News im Fokus: Gibt es Luxemburg wirklich?

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Wer das Internet und die sozialen Medien benutzt, weiß, dass Fake News überall zu finden sind. Verschwörungstheorien und übertriebene oder komplett erlogene Geschichten verbreiten sich rasend schnell. Auch wer sich dagegen gefeit glaubt, fällt manchmal auf sie herein oder fühlt sich zumindest in seinen Ansichten bestätigt. Wie leicht es ist, eine völlig abstruse Verschwörungstheorie auf die Beine zu stellen, versucht Matthieu Peltier, Philosophie-Professor an der „Ecole pratique des hautes études commerciales“ in Belgien, seinen Schülern zu beweisen. Seine Hypothese: Luxemburg ist kein wirkliches Land – sondern ein erfundenes Konzept, um Steuern und Gesetze zu umgehen.

Tageblatt: Wieso integrieren Sie das Thema „Fake News“ in Ihren Philosophie-Kurs?

Matthieu Peltier: Ich habe bemerkt, dass immer mehr Studenten durch Verschwörungstheorien kontaminiert werden. Während der Diskussionen in meinem Kurs fand ich mich immer öfter in der Position, dass ich gegen Theorien und Gedankengebäude argumentieren musste, die die Studenten ungefiltert aus dem Internet übernommen haben. Es musste etwas passieren, doch ich sah mich nicht in der Position, meinen Studenten eine „absolute Wahrheit“ vermitteln zu können – oder zu wollen. Deswegen hatte ich die Idee, sie mit einer selbst erarbeiteten Verschwörungstheorie hereinzulegen. Nicht etwa, um zu zeigen, dass sie dumm sind – sondern, um ihnen die Mechanismen von Fake News nahezubringen. Sie sollen lernen, welche Denkmuster Verschwörungstheorien ansprechen und wie man sie identifizieren kann.

Matthieu Peltier

Der Philosoph und Journalist Matthieu Peltier legt bei seiner Arbeit einen besonderen Fokus auf die sozialen Medien und ihre Auswirkungen. Seinen Master of Philosophy absolvierte Peltier an der katholischen Universität von Louvain. Heute unterrichtet er den Kurs der „Wissenschaft des Menschen“ an der EPHEC. Im Rahmen dieses Kurses wird das Thema Fake News in mehreren Stunden behandelt. Neben seiner Arbeit als Professor ist Peltier für das Magazin l’Appel im Einsatz.

Und Luxemburg dient Ihnen als Beispiel? 

Mein Lügenkonzept musste groß genug sein, damit die Studenten es nicht einfach als konsequenzlos abtun können, wenn sie darauf hereinfallen. Da Luxemburg ja zu den belgischen Nachbarländern gehört, war der „Scoop“ groß genug. Außerdem wusste ich, dass ich die nötigen Materialien, die meine Theorie unterstützen, recht schnell sammeln könnte, ohne etwas erfinden zu müssen. Die Hypothese, die ich im Kurs vertrete, stellt Luxemburg als „erfundenes“ Land dar. Politische und wirtschaftliche Kräfte haben sich meiner Theorie zufolge zusammengetan, um ein Konstrukt zu erschaffen, was zwar als Land wahrgenommen wird, aber nicht wirklich existiert. In diesem erfundenen Land haben sie die Gelegenheit, den Regeln der Rechtsstaatlichkeit, den EU-Direktiven und den Steuern zu entgehen und ihre Macht damit auszuweiten.

Wie beweisen Sie Ihren Studenten diese Theorie?  

Ich stütze mich auf eine Vielzahl von Materialien. Ich führe beispielsweise an, dass die Fahne Luxemburgs extrem der niederländischen gleicht. Oder dass Belgien eine Provinz von Luxemburg besitzt, obwohl ja Luxemburg ein eigenes Land sein soll. Dann versuche ich, Zweifel zu sähen, weil die Hauptstadt Luxemburgs ebenfalls Luxemburg heißt. Auch die großherzogliche Familie wird in die Theorie eingebunden, weil es enge Verbindungen zum belgischen und niederländischen Adel gibt. Außerdem benutze ich Passagen aus Artikeln zu dem französischen Politiker Laurent Wauquiez. Er hat Luxemburg einmal als „sehr artifizielles Land“ bezeichnet. Dann darf auch Luxemburgs Weltraumprogramm nicht fehlen. In dem Kontext hat Jean-Claude Juncker in einer Rede einmal Aliens erwähnt, ein Element, was bei einer Verschwörungstheorie nicht fehlen darf. (Er lacht.) Die Konsequenz dieser ganzen angeblichen Beweise: Luxemburg gibt es gar nicht.

Diese Theorie vertreten Sie natürlich nur in Ihrem Kurs?

Natürlich. Ich weiß ja, dass es Luxemburg wirklich gibt.

Wie reagieren die Studenten auf Ihre Hypothese?

Eine Reihe der Studenten glaubt meinem Lügenkonstrukt am Ende tatsächlich. Bei weiteren habe ich zumindest starke Zweifel sähen können. Nur ein kleiner Teil der Studenten, oft diejenigen, die das Land selbst schon besucht haben, widersprechen meiner Hypothese am Ende.

Wie reagieren Sie auf den Widerspruch von Studenten, die Luxemburg besucht haben?

Ich versuche, sie im Kurs zu diskreditieren. Ich führe dann zum Beispiel an, dass es auch Leute gibt, die behaupten Aliens oder UFOs gesehen zu haben.

Sie lösen Ihr Beispiel aber am Ende des Kurses auf?

Klar. Es geht mir darum, mit den Studenten die Methoden auseinanderzunehmen, auf die sie hereingefallen sind. Ich spreche mit ihnen dann über den „Bestätigungsmechanismus“ – also dass man oft auf Geschichten hereinfällt, die eine Theorie zu unterstützen scheinen, an die man Lust hat zu glauben. Ich versuche, ihnen beizubringen, sich vor einer Schlussfolgerung zu hüten, die nur aus einzelnen Elementen gezogen wird. Sie sollen eigene Mechanismen entwickeln, wie sie Hypothesen und Theorie überprüfen können.

Wächst die Wachsamkeit gegenüber Fake News bei den Studenten von heute?

Ich glaube schon, dass man behaupten kann: Je mehr Verschwörungstheorien es gibt, desto mehr wächst die Skepsis ihnen gegenüber. Betrachtet man aber die Zahlen derer, die an die abstrusesten Ideen glauben – etwa dass die Welt eine Scheibe ist –, dann finde ich das absolut nicht beruhigend. Dennoch werden Studenten, besonders wenn sie selbst ein-, zweimal auf Fake News hereingefallen sind, deutlich wachsamer. Ich hoffe, dass wir irgendwann eine Zeit erleben, in der Fake News und ihre Anziehungskraft abnehmen.

Ist es wichtig, dass Fake News auch ihren Platz in den Universitätskursen finden?

Ja. Ich glaube nicht, dass wir dabei schon genug machen. Ich erlebe, dass noch viele meiner Kollegen einen gewissen Widerstand zu diesen sensiblen Themen in sich tragen. Sie unterrichten lieber weiter strikt ihren Unterrichtsstoff und erlauben es nicht, dass in ihren Kursen Diskussionen zu aktuellen Themen wie den Fake News entstehen. Da muss sich etwas ändern.

Werden Fake News als Thema weiter in Ihrem Kurs Bestand haben? 

Es scheint mir wichtig, dass diese Lektionen weitergeführt werden. Mir wurde auch schon angeboten, den Kurs in anderen Schulen durchzuführen.

Luxemburg wird also weiter als Beispiel dienen?

Ja, Luxemburg wird ein „erfundenes“ Land bleiben. Einerseits hat es mich viel Zeit gekostet, das nötige Material zu finden, um diese Hypothese zu unterstützen. Andererseits ist es mir wichtig, ein Lügenkonstrukt zu unterrichten, das nicht irgendwann als Wahrheit weitergetragen wird.

Garde fou
7. Juni 2018 - 14.40

Interessant, an eppes vunn den wichtegsten Elementer fir d'Zukunft: "et soll een den Mënschen net beibréngen WAT se denken sollen, mais wéi se (sellwer) denken kënnen". Deemno sollt och hei net den Akzent op d'Verschwörungstheorien als solcht setzen, well eppes wat haut, vunn iergend engem Organismus den Tagg "Fake News" versehen krut, kann sech muer als richteg entpuppen. Duerfir oppassen, well haut gët deen Terme och einfach schnell op Sachen geluecht déi stéieren: entweder, well se politesch oder ekonomësch stéieren, oder well se den Mënschen Angst machen, an duerfir "ach nee, et ass jo just eng Verschwörung", dann brauch ech mech deer Angst net ze stellen.

Schuller piir
6. Juni 2018 - 23.44

Bielefeld-Verschwörung, das gleiche in deutsch.

Michel Konrad
6. Juni 2018 - 19.15

Fand News ist eher ein Thema für die Oberstufe! Un dort wird es ja auch angeboten....

J.C. KEMP
6. Juni 2018 - 18.19

Ist es in diesem Zusammenhang nicht auch grotesk, dass der Staat eine Organisation, die auf einem Lügenkonstrukt beruht, über die kommenden Jahre mit Millionen Euros unterstützt, damit besagte Organisation ihr Lügenkonstrukt 'studieren' und beweisen kann?

Ben P.
6. Juni 2018 - 14.53

Dieses Thema müsste schon intensiv ab der Grundschule behandelt werden. Aber dafür ist keine Zeit vorhanden, denn wir müssen ja Humankapital für die Wirtschaft heranzüchten.