EuGH-Generalanwalt in Luxemburg: Briten können Exit vom Brexit einseitig entscheiden

EuGH-Generalanwalt in Luxemburg: Briten können Exit vom Brexit einseitig entscheiden

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Lesen Sie zum Thema auch unseren Leitartikel „Ein gespaltenes Land – Großbritannien und der Brexit“.

Es ist nur noch eine Woche, dann kommt es zum großen Brexit-Showdown im britischen Parlament. Dort muss Regierungschefin Theresa May eine Mehrheit für ihren mit der Europäischen Union ausgehandelten Deal für den Austritt aus dem Staatenbund zusammenfinden. Was so schon schwer genug werden dürfte. Am Dienstag aber platzt eine Nachricht aus Luxemburg dazwischen, die in London, Edinburgh und Belfast für reichlich Gesprächsstoff sorgen dürfte.

Aus Sicht des zuständigen Gutachters am Europäischen Gerichtshof könne das Vereinigte Königreich den Brexit-Antrag nämlich einseitig zurückziehen und das Austrittsverfahren damit stoppen. Dies gelte bis zum Abschluss eines Austrittsabkommens, erklärte Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona am Dienstag in Luxemburg. Voraussetzung sei unter anderem, dass die Rücknahme im Einklang mit verfassungsrechtlichen Vorschriften in Großbritannien entschieden und dem Europäischen Rat förmlich mitgeteilt werde.

Beide Seiten haben sich getäuscht

Das ist noch kein Urteil der Richter des Gerichtshofes der Europäischen Union. Es wäre allerdings sehr ungewöhnlich, wenn diese dem Gutachten des Generalanwaltes widersprechen würden. Damit werden auch die EU-Kommission sowie Mays Regierung Lügen gestraft. Beide Seiten ließen unermüdlich verlauten, ein Rücktritt von Artikel 50 sei nur dann möglich, wenn beide Seiten dem zustimmen würden. Dies, obwohl es in Artikel 50 zu dieser Frage keine Präzisierungen gibt.

Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona weist die von der Kommission und vom Rat vertretene Auffassung zurück, dass Artikel 50 nur eine vom Europäischen Rat einstimmig beschlossene Rücknahme zulasse. Er hält zwar eine Rücknahme im gegenseitigen Einvernehmen des austrittswilligen Mitgliedstaats, der seinen Standpunkt ändere, und der Unionsorgane, die mit ihm über den Austritt verhandelten, für möglich. Dies schließe aber nicht aus, dass der austrittswillige Mitgliedstaat gemäß Artikel 50 die einseitige Rücknahme erkläre. Dagegen wäre es mit Artikel 50 unvereinbar, die Rücknahmemöglichkeit von einem einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates abhängig zu machen.

Völlig neue Möglichkeiten

All das bedeutet völlig neue Möglichkeiten. Ein Exit vom Brexit wird demnach auch einseitig möglich, die Briten müssten sich nur dafür entscheiden. Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona vertritt des Weiteren die Ansicht, dass es sich um einen echten Rechtsstreit handele. Demnach sei die Frage weder rein akademisch noch verfrüht oder überflüssig, sondern habe offenkundig praktische Bedeutung, und sie sei für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich. Außerdem sei der Gerichtshof für die definitive und einheitliche Auslegung von Artikel 50 zuständig.

Das oberste schottische Zivilgericht hatte den Europäischen Gerichtshof um eine Bewertung gebeten. Daher diese Stellungnahme des Generalanwalts. Großbritannien hatte im März 2017 offiziell seine Absicht zum Austritt aus der Europäischen Union bekannt gegeben. Damit begann ein zweijähriges Verfahren nach Artikel 50 der EU-Verträge, das regulär mit dem Brexit am 29. März 2019 endet. Aus Sicht des Gutachters könnte Großbritannien dies aber noch selbstständig stoppen, also ohne Zustimmung der übrigen EU-Staaten.

Pfund schnellt sofort hoch

Die Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs hatte dann auch umgehend Konsequenzen. In der Hoffnung auf einen dauerhaften Verbleib Großbritanniens in der EU decken sich Anleger wieder mit Pfund Sterling ein. Der Kurs der britischen Währung stieg am Dienstagvormittag binnen Minuten auf 1,2811 von 1,2729 Dollar.

Ein gespaltenes Land – Großbritannien und der Brexit

Mit den Agenturen AFP, DPA und Reuters

 

Tom
4. Dezember 2018 - 13.03

Bis heute ist die "Machtposition" des europäischen Rates sehr fragwürdig, da dieser keiner demokratischen Prüfung standhalten kann, somit stellt sich eigentlich die Frage wieso hat dieser überhaupt etwas zu entscheiden. Die einzige Institution die demokratisch legitim ist, ist das Parlament in Straßburg, dass aber bedauerlicherweise nahezu keine Kompetenzen hat. Selbstverständlich hat Großbritannien jederzeit das absolute Recht die europäische Union ohne irgendwelchen Zustimmungen zu verlassen, was übrig bleibt ist eben nur die wirtschaftliche Zänkerei, die ja in solchen Prozessen üblich ist.