Es sind noch Menschen da: Stadtplaner wollen Kirchberg „humaner“ gestalten

Es sind noch Menschen da: Stadtplaner wollen Kirchberg „humaner“ gestalten

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Graue Gebäude, dichter Verkehr und Hektik sind drei Begriffe, die den Kirchberg heute wohl am besten beschreiben. Es ist ein Viertel, in dem vor allem gearbeitet wird. Die menschliche Komponente wurde dort bei den meisten Bauvorhaben außen vor gelassen. Doch das soll sich ändern: Der Kirchberg soll „humaner“ werden. Ein löbliches Ziel, doch es gibt auch Kritik.

Seit dem Bau der Roten Brücke 1963 hat sich der Kirchberg rasant verändert. Heute leben zwar 3.500 Menschen in dem Viertel, doch es ist vor allem von den Bürogebäuden der EU-Institutionen und Banken geprägt. 40.000 Personen arbeiten dort. Fazit: Der Kirchberg ist zurzeit nicht unbedingt das Viertel, das einem als Erstes zum Thema Erholung einfällt. Bei ihrer Arbeit haben sich die Planer bislang vor allem nach Aspekten wie dem Autoverkehr gerichtet.

Nun wird sich das ändern: Ein Urbanismus mit menschlichem Antlitz soll her. „Dem Kierchbierg seng Langweil ewechhuelen“, hat Bautenminister François Bausch kürzlich bei der Vorstellung der Studie „De Kierchbierg verännert sech“ gesagt. Das wird auch nötig sein, denn wenn alles nach Plan läuft, sollen in etwa 20 Jahren 14.000 Menschen dort wohnen – und die Zahl der Arbeitsplätze soll gar auf 65.000 steigen. Deswegen hat der „Fonds du Kirchberg“ das dänische Architektenbüro Gehl mit einer Studie beauftragt, deren Ergebnisse zu einem lebenswerter gestalteten Viertel führen sollen.

„Die Hauptfeststellung – und nicht nur dieser Studie – ist, dass viele Bauvorhaben auf das Auto zugeschnitten sind und die sanfte Mobilität komplett außen vor gelassen wurde“, sagt Félicie Weycker, Präsidentin des Fonds Kirchberg. Das sehe man auf dem Kirchberg vor allem bei den breiten Boulevards und den hohen Gebäuden, bei denen sich der Mensch sehr klein und gar nicht wohlfühle. „Der Architekt Gehl will das Viertel dem Mensch anpassen. Man soll nicht mehrere Kilometer eine Straße entlang gehen müssen, ohne die Gelegenheit haben, sich hinzusetzen oder eine Vitrine anschauen, also ohne sich irgendwie ablenken zu können.“

Die Studie soll aber nicht eine der zahlreichen sein, die in einer Schublade verschwinden. „Es sind für uns neue Richtlinien, eine neue Philosophie, nach der wir fortan planen wollen und mit der wir etwas verändern werden“, betont Mathias Pinter, einer der Architekten des „Fonds du Kirchberg“.

Zwei Pilotprojekte

Es gebe viele Flächen in dem Viertel, die nicht optimal genutzt seien, darunter Gebäude in der Mitte eines Grundstücks, mit ungenutztem Potenzial rundherum. Aber vor allem soll die sanfte Mobilität wieder Vorrang erhalten. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad statt mit dem Auto unterwegs sein also.

„Momentan ist das Viertel sehr monofunktional. Und es gibt Teile des Kirchbergs, wo der öffentliche Raum sehr groß ist. Was wir wollen, ist, dort fehlende Einrichtungen zu bauen: kleine Pavillons, Kioske, kleine Einfamilienhäuser. In einigen Erdgeschossen von Gebäuden, wo sich momentan nur technische Räume befinden, könnten zum Beispiel Cafés eingerichtet werden.“

In der rue Erasme fährt der Verkehr zurzeit zweispurig in beide Richtungen. Die Fahrbahn zur Seite der Coque hin soll für den Autoverkehr gesperrt werden; dieser wird gänzlich auf die andere Seite verlegt. Auf dieser vom Autoverkehr befreiten Fahrbahn wird ein Radweg angelegt und der Bürgersteig verbreitert. Auf dieser Seite sollen auch kleinere Wohnhäuser entstehen und Sitzbänke auf den Bürgersteigen zum Verweilen einladen. Der Grünstreifen in der Mitte soll bestehen bleiben.

Einen genauen Zeitplan gebe es natürlich noch nicht, sagt Pinter, doch die Planungen für die Arbeiten auf den beiden genannten Abschnitten würden schon bald beginnen.

Markus Hesse, Professor an der Universität Luxemburg, Institut für Geographie und Raumplanung, hat für die Studie trotz allem Optimismus auch etwas Kritik übrig, solange die Essenz des Viertels die gleiche bleibe: „Kann es einen angenehmen öffentlichen Raum geben, wenn 60.000 Autos an einem durchschnittlichen Arbeitstag die avenue Kennedy auf und ab fahren?“, fragt er. Als der Ort, der einen Großteil der Wirtschaft des Landes am Leben hält, brauche der Kirchberg den ständigen Strom von Menschen und Arbeitsplätzen.

„Die damit verbundene Notwendigkeit, sowohl genügend Büroräume bereitzustellen als auch einen reibungslosen Verkehr zu organisieren (…), wird das Plateau bestimmen, unabhängig davon, ob es neue Bänke zum Sitzen geben wird oder nicht.“

Was die neuen geplanten Wohnviertel auf dem Kirchberg angeht, sieht Hesse Gefahr, dass hier eine „banlieue” entsteht, ein Wort mit sehr pejorativem Beigeschmack. Es wäre ein Fehler, das Viertel mit Wohnraum zu überschwemmen, so wie es mit Büroraum geschah, nur weil es politischen Druck dazu gibt und sich das Bauland in öffentlicher Hand befindet.

minikeks
24. Oktober 2019 - 17.20

Ist es nicht schon zu spät, dieses " kleine Manhatten " humaner zu gestalten? Noch mehr Wohnraum, noch mehr Häuser auf engstem Raum? Wo bleibt da die Lebensqualität? Professor Hesse hat durchaus recht mit seiner Frage, ob es bei 60.000 Autos pro Tag ( auf einem Boulevard ! ) noch einen angehehmen ( zumutbaren ) öffentlichen Raum geben kann. Ein Urbanismus mit menschlichem Antlitz, kleine Pavillons, kleine Einfamilienhäuser zu welchen Preisen, für wen? Neue Bänke zum Sitzen soll es geben? Und von wo wird die frische Luft importiert? Man will uns anscheinend den Kirchberg, früher in den 1960er Jahren noch ein Dorf von Bauern und Gärtnern, schmackhaft machen mit Bänken zum Sitzen ( wozu denn sonst ? )und zum Verweilen, Lärminklusive. Nicht schlecht!

Nomi
24. Oktober 2019 - 14.24

Et get permanent um Kierchbierg gedoktert an onendlech Zommen Stei'ergeld versenkt ! Et geif Zeit ginn datt och aaner Investissementer mol un d'Realisatio'un geifen kommen !