Umwelt„Elektro-Autos sind nicht die Lösung“

Umwelt / „Elektro-Autos sind nicht die Lösung“
Das Interesse am Thema Elektro-Auto ist groß Foto: Editpress/Alain Rischard

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Wer bisher dachte, mit dem Kauf eines E-Autos würde er etwas Gutes für das Klima tun, liegt vielleicht doch nicht so richtig. Laut dem deutschen Autor Winfried Wolf würden viele Argumente eher für das Gegenteil sprechen. Mit ihrer Förderung von E-Autos befinde sich die Politik auf dem Holzweg.

Elektromobilität wird weder die Verkehrs- noch die Klimaprobleme lösen, sondern den Klimawandel beschleunigen. Das jedenfalls ist die Grundthese von Winfried Wolf, der vorgestern auf Einladung des „Mouvement écologique“ und des Landesverbandes im Bonneweger „Casino syndical“ zum Thema „Mit dem Elektroauto in die Sackgasse“ referierte.

E-Autos würden oft dargestellt, als seien sie ein Wundermittel, etwa um die Luftqualität zu verbessern.
Wolf weist aber auf Denkfehler hin, die die Umweltbilanz der E-Autos stark schmälern würden.
Elektroautos kämen immer mit einem „Rucksack“, sagt er. Bevor sie überhaupt auf der Straße sind, haben sie die Umwelt bei der Produktion um durchschnittlich sechs Tonnen CO2 stärker belastet als Benziner oder Dieselautos. Gehe man von dem bestehenden Strommix aus und würden alle Atomkraftwerke abgeschaltet, bräuchte man sechs Prozent mehr an fossilem Strom. In großem Maßstab würde die Nachfrage nach Strom massiv ansteigen, was den Kohleabbau langfristig sichern würde. In Frankreich laute jetzt schon das Argument: „Wir brauchen Atomstrom für die E-Autos.“

Bumerangeffekt

E-Autos kämen mit einem Bumerangeffekt daher: Sie hätten eine hohe Ladezeit und eine kurze Reichweite. Viele Menschen, die ein E-Auto fahren, hätten allerdings nicht ihr vorheriges Auto ersetzt, sondern sich ein E-Auto als Zweit- oder Drittwagen gekauft, um – wie es in einigen Städten der Fall sei – Vorteile beim Parken oder freie Fahrt auf Busspuren zu genießen. 
Neben Öl werde die Abhängigkeit von anderen Rohstoffen wie Kupfer und Kobalt steigen, und das bedeute Probleme in den Förderländern der Dritten Welt: Umweltprobleme durch den massiven Abbau, Wasserverschmutzung, Kinderarbeit.
Die Diskussion rund um E-Autos beinhalte einen Rechenfehler: Wenn der Anteil der E-Autos steigt, bedeute das nicht, dass die Zahl der Autos sinke. Um dies zu erreichen, müsste die Anzahl der Autos gedeckelt werden.

Aber das ist noch nicht alles. Sich der Tatsache bewusst, dass diese Argumente nicht jeden überzeugen werden, schießt Wolf nach. Auch wenn alle vorherigen Argument Fake News wären, so blieben einige unumgängliche Tatsachen. „Alle Autos brauchen 7-10 Mal so viel Fläche wie ein Bus. Je mehr Autos es auf den Straßen gibt, desto langsamer werden wir.“ In Jakarta z.B. sei ein schneller Fußgänger mittlerweile schneller unterwegs als ein Auto. Und man dürfe nicht vergessen, dass das Auto  jedes Jahr einen hohen Blutzoll fordert. In Europa sterben jährlich über 25.000 Menschen bei Verkehrsunfällen. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind Verkehrsunfälle mittlerweile die häufigste Todesursache bei Kindern und jungen Menschen im Alter von fünf bis 29 Jahren.

Einfache Lösungen

Auf die Umweltverschmutzung reagierten Industrie und Politik stets mit einfachen Lösungen: Zuerst war es der Katalysator, dann der Biosprit, jetzt sind es die E-Autos. Laut Wolf investierten die großen Autohersteller allerdings nicht der Umwelt zuliebe in E-Autos, sondern um nicht den wichtigen chinesischen Markt in China zu verlieren. China hat in der Tat eine Quote für E-Autos eingeführt. Alle in China aktiven Autohersteller müssen einen gewissen Anteil aller dort produzierten Fahrzeuge mit Elektro-Antrieb bauen und ausliefern.
Wolf geht auf ein gern benutztes Argument bezüglich China ein. Es ist seiner Meinung nach falsch, darauf zu warten, dass China sich endlich bewegt. „Wir müssen vor unserer eigenen Tür kehren.“ Andererseits sei es aber auch so, dass China ebenfalls etwas tun müsse, denn unsere Anstrengungen in Sachen Klimaschutz seien nicht ausreichend.

Eine Verkehrswende sei nur zu schaffen, wenn die Anzahl der Autos reduziert wird. Und das sei machbar. Es gebe bereits Städte, in denen 50 Prozent der Wegstrecke per Fahrrad zurückgelegt würden. Das bedürfe aber eines anderen Urbanismus. Man müsse zudem davon abkommen, große Shoppingcenter auf der grünen Wiese zu bauen, wo man nur mit dem Wagen hinkommt. Dem stimmte der anwesende Energieminister Claude Turmes, der sich später an einem Streitgespräch mit Wolf beteiligte, zu. Zum „Ban de Gasperich“ etwa, einer Planung aus den 1980er Jahren, meinte Turmes: „Ich hoffe, dass wir nie wieder so etwas bauen.“

Positiv äußerte sich Wolf zur „Fridays for Future“-Bewegung. Es reiche aber nicht, zuzusehen und zu sagen: „Die Kids werden uns retten.“ Denn bis diese erwachsen und im entscheidungsfähigen Alter sind, sei es zu spät.

Nationale Parkraumregelung

Obwohl sich Claude Turmes mit vielen Argumenten von Wolf einverstanden zeigte, sieht er die Rolle von E-Autos viel positiver. Der sogenannte „CO2-Rucksack“ werde stetig kleiner, da die Produktion der Batterien immer effizienter werde. Und auch der Abbau von Rohstoffen werde besser geregelt. Die Produktion sei heute wesentlich umweltfreundlicher als noch vor ein paar Jahren. „Der Rucksack wird kleiner und das Stromnetz grüner“, so Turmes.

E-Autos sind seiner Meinung nach effizienter als herkömmliche Verbrennungsmotoren. Er sei auch dafür, den Autoverkehr zu senken, aber auch wenn wir von augenblicklich 700 Fahrzeugen auf je 1.000 Einwohner auf 500 kämen – „das wäre schon revolutionär für Luxemburg“ –, hätten wir immer noch 300.000 Fahrzeuge auf den Straßen. „Solange jeder einen Parkplatz zur Verfügung hat, wird er den Wagen nehmen.“ Turmes fordert deswegen eine nationale Parkraumregelung. Wir bräuchten aber E-Autos, um unsere CO2-Emmissionsziele zu erreichen. Immerhin würden diese helfen, die Luft in den Städten zu verbessern.

Wolf entgegnete daraufhin, dass die E-Autos die Mobilität nicht steigern werden. Er fordert eine Politik, welche die Anzahl der Autos nicht nur begrenzt, sondern stark reduziert. Das ginge nur über einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs und eine Förderung der sanften Mobilität. Ein Zuhörer meinte, es sei unverständlich, warum die Stadt Luxemburg jetzt massiv in E-Busse investiere, wo diese doch sehr störanfällig und gar nicht so effizient seien, wie immer behauptet werde.
Wolf schlug in die gleiche Kerbe und wies darauf hin, dass im innerstädtischen Verkehr neben einer Trambahn Trolleybusse wohl die effizienteste Lösung seien. „Es gibt große Städte, die massiv auf sie zurückgreifen.“

Personalie

Winfried Maria Wolf (Jahrgang 1949) ist ein ehemaliger deutscher Politiker. Zwischen 1994 und 2002 saß er für die PDS im Deutschen Bundestag.  Er ist  Chefredakteur von Lunapark21, einer linken Wirtschaftszeitschrift, und hat mehrere Bücher zum Thema „Verkehrspolitik“ geschrieben.

Patrick Hurst
13. Dezember 2019 - 10.52

Wo steht eigentlich der Text? Diese Seite ist mit Screenreadern nicht nutzbar!

Ungreen
13. Dezember 2019 - 10.35

Ich hoffe der Herr in der ersten Reihe mit dem grünen Hemd und den grauen Socken hat gut zugehört !