Eisenbahn und Eisenbahner: Spielball der Politik

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Die Eisenbahn und die Eisenbahner fungierten während Jahrzehnten als Spielball der Politik. Mithilfe von niedrigen Sondertarifen im Gütertransport und aufgrund von Sozialtarifen im Personentransport wurde von den verschiedenen Regierungen Wirtschafts- und Sozialpolitik betrieben.

Von Nico Wennmacher, Ehrenpräsident des FNCTTFEL-Landesverbandes

Die hieraus resultierenden Defizite bewirkten unausgegorene Sanierungsmaßnahmen und einen Eisenbahn- und Personalabbau.

Darüber hinaus wurden diese Defizite, vor allem von liberaler und klerikaler Seite, den Eisenbahnern angelastet, welche als Defizitjünger bezeichnet wurden. Vor allem das Wort suchte u.a. mit nachfolgenden Slogans, die öffentliche Meinung zu vergiften und Stimmung gegen die Eisenbahn und die Eisenbahner zu machen: „Die Eisenbahnen ruinieren das Land“, „Jeder Luxemburger muss jeden Tag 4 Franken auf den Nachttisch legen, um die Defizite der Eisenbahn zu tragen“. Die alltäglichen Staus auf Straßen und Autobahnen zeugen davon, dass die Spätfolgen dieser desaströsen Eisenbahn- und Transportpolitik heute noch nicht überwunden sind.

Im Gegensatz zur Automobil- und Erdölindustrie verfügte die Eisenbahn über keine finanzkräftige Lobby. Während Jahrzehnten wurde der Individualtransport durch billige Spritpreise und den Bau von neuen Straßen und Autobahnen auf Kosten der Eisenbahn und des öffentlichen Transportes gefördert.

Einzige Lobby im Interesse der Eisenbahn und somit auch der Eisenbahner/innen war der Landesverband. Leider konnte der Landesverband, trotz all seiner Bemühungen, nicht verhindern, dass in den Nachkriegsjahrzehnten, zuerst die Schmalspurstrecken und danach die Normalspurbahnen Sauer- und Attertstrecke abgebaut wurden.

Keine finanzkräftige Eisenbahnlobby

Als allerdings 1979/1980 der Nordstrecke dasselbe Schicksal drohte, zog der Landesverband buchstäblich die Notbremse. Eine machtvolle Protestaktion am 8. Juni 1980 in Ulflingen und eine Streikdrohung bewirkten, dass diese Strecke erhalten, modernisiert und elektrifiziert wurde. Mit dieser Nordstreckenaktion wurde außerdem eine sinnvollere Transportpolitik hierzulande eingeleitet, die dem öffentlichen Transport eine reelle Chance einräumt.

In Bezug auf die Tarifgestaltung im Personentransport befürwortete der Landesverband stets eine soziale Tarifstruktur im Interesse der Arbeitnehmer, der älteren und jugendlichen Mitbürger. Wir forderten in dem Zusammenhang, dass der öffentliche Transport, ähnlich der öffentlichen Schule und der Gesundheitsdienste, als öffentliche Dienstleistung anerkannt und die dementsprechenden Mindereinnahmen der CFL über das allgemeine Steueraufkommen kompensiert wird. Der „Contrat de service public“ von 2009, mit einer Laufzeit von 15 Jahren, auf unseren Druck hin zwischen dem Staat und der Eisenbahn abgeschlossen, entspricht unseren dementsprechenden Forderungen.

In diesem Kontrakt ist vorgesehen, dass die Kosten, die nicht durch den Verkauf von Fahrscheinen abgedeckt werden, vom Staat übernommen werden. Er schreibt u.a. auch vor, dass alle Züge einen Zugbegleiter an Bord haben müssen und dass die Benutzer die bestmöglichen Informationen erhalten.

Bekanntlich will die aktuelle Regierungskoalition den kostenlosen öffentlichen Transport ab 1. März 2020 bei uns einführen. Diese Ankündigung ohne eine vorherige Konsultation der Gewerkschaften und der Transportträger hat zu heftigen Reaktionen geführt. Als Landesverband bedauern wir die Vorgehensweise der Regierung, da auch die Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Maßnahme zurzeit nicht gegeben sind.

Überlastete Infrastrukturen und fehlendes Material sowie ungeklärte Fragen betreffend die künftige Personalausstattung riskieren ein gut gemeintes Vorhaben ins Gegenteil umzukehren. Vor allem die Eisenbahner/innen möchten nicht erneut zum Spielball der politischen Entscheidungsträger werden.

Kostenloser öffentlicher Transport

Inzwischen hat Transportminister Bausch unseren diesbezüglichen Bedenken und Forderungen zumindest teilweise Rechnung getragen. Bei einer Pressekonferenz am vergangenen 21. Januar erklärte der Minister, es würde zu keinem Personalabbau kommen. Das Personal in den Zügen und in den Bahnhöfen hätte auch in Zukunft wichtige Aufgaben, u.a. im Bereich der Sicherheit und der Information an die Benutzer, zu erfüllen.

Als Landesverband hören wir gerne die Worte des Ministers, wir möchten aber auch Taten sehen. In dem Zusammenhang bestehen wir nach wie vor darauf, dass vor Einführung des Gratistransportes ein neuer Dienstleistungsvertrag, welcher die Personalausstattung in den Zügen, in den Bahnhöfen und auf den Haltestellen klar regelt, vorliegt.

In den Zügen sind genügend qualifizierte Zugbegleiter vorzusehen, in den Bahnhöfen müssen der Empfang, die Kundeninformation und die Sicherheit durch entsprechend ausgebildetes Eisenbahnpersonal erfolgen. Im gesamten öffentlichen Transport muss das Zugkontrollpersonal zu einer effektiven Qualitätskontrolle eingesetzt werden.

In Bezug auf die Grenzpendler aus der Großregion möchten wir an die Forderung des Wirtschafts- und Sozialrates der Großregion erinnern, wonach das luxemburgische Ökoabonnement respektive die Tagesfahrkarte Gültigkeit bis zum nächsten Grenzbahnhof erhalten soll. In Anlehnung an diese Forderung, im Interesse der Grenzpendler und um die Parkplätze auf den luxemburgischen Grenzbahnhöfen zu entlasten, sind wir der Meinung, dass der Nulltarif im öffentlichen Transport bis zu Grenzbahnhöfen Thionville, Longwy, Arlon, Gouvy und Igel gelten sollte.

roger wohlfart
3. Februar 2019 - 13.13

Einmal den Nulltarif eingeführt, gibt es kein zurück mehr. Und das geht auf Kosten der Qualität des ö.T.

J.C.KEMP
26. Januar 2019 - 17.36

Wahrscheinlich kosten Verwaltung und Infrastruktur des Kartenverkaufs mehr als dabei hereinkommen.

Jacques Zeyen
24. Januar 2019 - 21.14

Bravo Nico, die Angst vor dem Nulltarif ist nur aus der Sicht der Sicherheit der Kunden und der Qualität des Transportes zu erklären. Die rein finanzielle Dimension spielt eine marginale Rolle.Man kann den kleinen Millionenbetrag auf andere Weise eintreiben,falls denn nötig. Wir wissen,dass die Infrastruktur ÖT ohne Staatliche Übernahme nicht zu tragen ist. Da beißt sich jede Privatfirma die Zähne aus. Ähnlich wie bei "Bildung" "Gesundheit" usw. Das nennt man dann wohl Gemeinwohl. Deshalb zahlen wir Steuern und nicht um den Mars zu besiedeln. Als Eisenbahner habe ich den Verfall des Gütertransportes miterlebt als es hieß " Privat ist besser". NEIN. Privat ist nicht besser,das wissen wir mitlerweile alle. Privat ist nur interessant für die Leute die GELD verdienen wollen.Und das ist mit ÖT,Gesundheit(außer PRIVATpatienten) oder Bildung(außer PRIVAT-Schulen) nicht möglich. Die Eliten bewegen sich auf dünnem Eis.(siehe Frankreich) Der ÖT in Luxemburg hat vom Ticketverkauf her eine,wie schon erwähnt,marginale Bedeutung und gehört abgeschafft. ABER. Die Qualität und das Angebot werden die Zukunft des ÖT bestimmen.Und dazu gehört,wie du erwähnst,die Einstellung von qualifiziertem Personal in der Zugbegleitung und auf den Bahnsteigen. Randalierer und Suffies hatten noch nie eine Berechtigung den Reisenden die Fahrt zu vermiesen.Das hat mit dem Nulltarif nichts zu tun. Und was die Klassen betrifft: Klassen werden geschaffen,nicht geboren.