„Eine mentale Herausforderung“: Jempy Drucker feiert Comeback nach Halswirbelbruch

„Eine mentale Herausforderung“: Jempy Drucker feiert Comeback nach Halswirbelbruch

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123 Tage nach seinem schweren Unfall beim Halbklassiker Dwars door Vlaanderen in Belgien, bei dem er sich den sechsten Halswirbel brach, wird Radprofi Jempy Drucker am Sonntag in London sein Renn-Comeback feiern. Im Gespräch mit dem Tageblatt geht er noch einmal auf die schwierigen letzten Wochen ein.

Tageblatt: Am Sonntag greifen Sie endlich wieder aktiv ins Renngeschehen ein. Wie groß ist die Vorfreude auf das Rennen in London?

Jempy Drucker: Die ist sehr groß. Ich habe in den vergangenen Wochen sehr hart gearbeitet, um endlich an dem Punkt anzukommen, dass ich wieder ins Renngeschehen eingreifen darf. Dass das Comeback nun ausgerechnet in London stattfinden wird, freut mich zudem sehr. Denn dieser Ort hat für mich einen ganz besonderen Stellenwert. (Drucker feierte bei diesem Rennen 2015 seinen ersten Profisieg, d. Red.).

Wie hart gestaltete sich in den vergangenen Wochen der Weg zurück?

Sechs Wochen nach dem Unfall ging es zur Reha nach Hamburg. Nach und nach konnte ich wieder auf der Rolle trainieren, danach ging es vorsichtig zurück auf die Straße. Von Woche zu Woche habe ich mir das Ziel gesetzt, hier eine weitere Stunde Training dranzuhängen. Das war alles andere als einfach, denn meine Muskulatur im Nacken war so gut wie weg. Der Anfang, vor allem die ersten drei Wochen, waren enorm hart und einige Male dann auch richtig frustrierend. Da galt es, auf die Zähne zu beißen.

Wie sieht es denn im mentalen Bereich aus? Haben Sie diesen Unfall noch immer im Hinterkopf oder können Sie das inzwischen auf dem Rad doch etwas ausblenden?

Daran erinnert werde ich immer noch, denn zu hundert Prozent ist auch körperlich noch nicht alles in Ordnung. Nach vier Stunden auf dem Rad spüre ich die Verletzung schon noch, denn die Beweglichkeit ist noch nicht wieder komplett da. Ich bin mir bewusst, dass der Unfall mein Leben hätte komplett verändern können. Ich bin aber eigentlich kein Mensch, der sich zu viele Gedanken über so etwas macht. Wie es jedoch aussehen wird, wenn ich wieder in einem Feld von 150 bis 200 Fahrern unterwegs sein werde, das wird sich zeigen.

Da scheint es gut zu sein, wieder langsam in eine Rennroutine hineinzufinden …

Für mich gilt es nun erst einmal, das Renngeschehen neu zu entdecken, dies nicht nur körperlich, sondern vor allem auch psychisch. Das wird sicherlich schon eine mentale Herausforderung werden. Dennoch bin ich froh, wieder eingreifen zu dürfen, dass es endlich weitergeht. So kann ich das Kapitel hoffentlich bald abschließen.

Wissen Sie denn schon, wie die zweite Saisonhälfte für Sie aussehen wird?

Nach dem Eintagesrennen in London steht für mich Mitte August die Binck Bank Tour (frühere Benelux-Tour, d. Red.) auf dem Programm. Das ist eine Rundfahrt von einer Woche und stellt dann den richtigen Härtetest für mich dar. Es ist stets ein nervöses Rennen, bei dem viele Stürze passieren. Auch die Straßen in Belgien und den Niederlanden können für mich eine Herausforderung werden. Danach werden wir dann sehen, wie es bei mir aussieht und dann wird sich auch entscheiden, ob ich die Vuelta fahre oder nicht.

Ihr Team Bora-hansgrohe hat in den vergangenen Wochen mit dem vierten Platz von Emanuel Buchmann bei der Tour de France für Schlagzeilen gesorgt. Kam dieses Resultat für Sie überraschend?

Etwas schon, denn das Ziel war ja eine Platzierung in den Top Ten, doch er hat gezeigt, dass er mit den Besten mithalten kann. Buchmann ist ein Junge, der zwar sehr ruhig ist, aber sehr hart an sich arbeitet. Er hat wirklich enorme Fortschritte gemacht. Insgesamt hat das Team bei der Tour eine super Leistung gezeigt. Denn Peter Sagan konnte sich ja zum siebten Mal das Grüne Trikot sichern, hinzu kam dann auch noch ein Etappensieg.

Die Stimmung im Team dürfte somit hervorragend sein …

Es war auf jeden Fall sehr motivierend, sie so bei der Tour de France zu sehen. Für die Stimmung ist es stets gut, wenn das Team etwas gewinnt. Wenn es nicht so läuft, spiegelt sich das schon stark wider. Für mich ist es jedenfalls perfekt, um unter diesen positiven Umständen zurückzukommen.