Ein Ende der Datenbank-Affäre in Luxemburg ist nicht in Sicht

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Knapp 24 Stunden nach der Saalflucht der Opposition hat sich die Regierung gestern einer ausgiebigen Debatte über umstrittene Datenbanken bei Polizei und Justizapparat gestellt.

Foto: Am Dienstagabend wurde die Chamber im Rahmen der „Luxembourg Pride Week“ in Regenbogenfarben beleuchtet. Auf die hitzigen Debatten von gestern hatte diese Aktion aber kaum Einfluss.

Fünf Stunden haben die Abgeordneten über die Rechtmäßigkeit des zentralen Polizeiregisters und der Datenbank „Ju-Cha“ („justice-chaîne pénale“) der Staatsanwaltschaft diskutiert. Die Schlussfolgerung, die von Parlament und Regierung geteilt wird: Eine juristische Grundlage für diese und andere Datenbanken liegt wohl mit der neuen Datenschutzgesetzgebung von 2018 vor, doch reicht diese längst nicht.
Die Opposition sieht darin einen Meinungsumschwung der Regierung, was diese jedoch verneint. Die zu Beginn sachlich geführte Debatte artete am Ende in einen erhitzten Schlagabtausch zwischen Oppositionsredner und Justizminister Félix Braz („déi gréng“) aus.

Ihm warfen Abgeordnete vor, ungenau auf Fragen geantwortet zu haben und sie für dumm zu verkaufen. Braz sollte sich zum Schluss der Debatte bei den Abgeordneten entschuldigen.

Überraschungscoup

Den Überraschungscoup hatte die Regierung zu Beginn der Parlamentssitzung gelandet. Entgegen der doch eher auffälligen Zurückhaltung der Mehrheitsparteien am Dienstag stellten sich alle betroffenen Minister den Fragen und Anregungen des Parlaments. Die Opposition hatte Polizeiminister François Bausch und Justizminister Félix Braz (beide „déi gréng“) vorgeworfen, sich einer öffentlichen Debatte zu entziehen. Die Regierung wolle nichts verbergen, hatte Premierminister Xavier Bettel (DP) eingangs erklärt.

Dass es Probleme mit der Datenbank der Polizei gebe und nachgebessert werden müsse, habe er bereits vor Monaten festgestellt, so Polizeiminister Bausch. Die Nationale Datenschutzkommission und die Generalinspektion der Polizei IGP habe er damit beauftragt, sich des Themas anzunehmen. Den Vorwurf, damit werde der Bock zum Gärtner gemacht, wies Bausch vehement zurück. Die von einer Magistratin geleitete IGP handle vollständig unabhängig. Klärungsbedarf besteht. Bausch zufolge sei die Polizei aufgrund von acht Gesetzen damit beauftragt, die Vorgeschichte von Kandidaten für Ämter und Arbeitsstellen zu überprüfen. Die Gesetzgebung müsse angepasst werden, um die diesbezüglichen Befugnisse der Polizei genau zu definieren.

Klar wurde während der Debatte, dass die Affäre um juristisch unzureichend abgesicherte Datenbanken weit über das polizeiliche Zentralregister und die Datenbank der Staatsanwaltschaft Ju-Cha reicht. Genannt wurden unter anderem die Datenbanken im Gesundheitswesen, bei der Steuerverwaltung sowie andere staatliche und kommunale Verwaltungen. Auch für diese müssten die Handhabungsregeln verbessert werden. Mit einem großherzoglichen Reglement reiche es wohl nicht, meinte Bausch. Das müsse wohl in Gesetzesform her. Schnelle Änderungen schloss Bausch jedoch aus. Bis Oktober, wie das am Vortag von der Opposition gefordert worden war, sei das wohl nicht zu schaffen.

„Nie richtig im Griff“

Die in den vergangenen Wochen aufgeworfenen Fragen wurden laut Regierungssprecher bereits 2018 anlässlich der Debatte über die neue Datenschutzgesetzgebung, eine Umsetzung einer entsprechenden EU-Direktive, gestellt. Die Datenschutzkommission hatte in ihrem Gutachten damals das Gesetz als unzureichend zum Betrieb von Datenbanken betrachtet. Das Parlament habe sich mit 57 Stimmen der gegenteiligen Ansicht des Staatsrats angeschlossen, so Bausch genüsslich.

Justizminister Félix Braz stichelte nicht nur gegen Debattenende gegen die Opposition. Insbesondere der CSV hielt er ihr Unwissen bezüglich der Ju-Cha vor. Bereits im Mai 2015 sei in der Justizkommission über dieses, laut Braz, Verzeichnis strafrechtlicher Affären geredet worden. Eine Reaktion auf die Anschuldigung des CSV-Abgeordneten Gilles Roth, erst spät über die Existenz dieser Datenbank informiert worden zu sein. So sei auf eine Frage des CSV-Abgeordneten Laurent Mosar im April wohl von zwei Datenbanken der Justiz die Rede gewesen, eine davon über Weißwäsche und Terrorismus, aber nicht von Ju-Cha.
Mit erfrischender Offenheit gab LSAP-Fraktionschef Alex Bodry zu, dass man das Thema Datenbanken wohl nie so richtig im Griff hatte, weder mit dem Datenschutzgesetz von 197 noch mit dem großherzoglichen Reglement für das Polizeiregister von 1992 und dem abgeänderten Datenschutzgesetz von 2002. Alle Gesetze seien quasi unbeachtet geblieben.

Das gelte sowohl für die öffentlichen als auch für die privat betriebenen Datenbanken.
Bodry sprach von einer kollektiven Verantwortung. Daher sei eine kollektive Antwort erforderlich. Man sollte nicht auf die Regierung warten, sondern als Parlament kollektiv selbst Vorschläge unterbreiten. „Merde, wir sind die Gesetzgeber!“, sagte Alex Bodry.

CSV will „volle Klarheit“

Geklärt werden müsste u.a., welche Daten zu welchen Zwecken gesammelt werden dürfen, wie lange sie gespeichert bleiben, wer Einsicht haben darf und wie sich Personen über sie betreffende Einträge informieren können. Gleichzeitig dürften die Justizbehörden nicht bei ihrer Arbeit behindert werden, meinte Bodry. Einer Einschätzung, der sich auch CSV-Parlamentarier Laurent Mosar und die Grünen-Fraktionschefin Josée Lorsché anschlossen.

Unbeantwortet blieben dennoch auch nach fast fünfstündiger Debatte etliche Fragen. So konnte sich Premierminister Xavier Bettel etwa nicht zur Affäre um jene Person äußern, die 2018 von der Feier zum Nationalfeiertag in der Philharmonie ausgeschlossen worden war, weil sie angeblich ein „Sicherheitsrisiko“ darstelle. Der Mann war von der Polizei auf seine Vergangenheit durchleuchtet worden. Die mehr als tausend Gäste seien wohl kontrolliert worden, hatte zuvor Laurent Mosar gesagt.

Seine Partei werde nicht ruhen, bis volle Klarheit in dieser Affäre Datenbanken bestehe, drohte Gilles Roth am Ende an. Die Regierung wird künftig wohl noch öfters den Abgeordneten Rede und Antwort stehen müssen.

Jos. Reinard
11. Juli 2019 - 8.24

Die Vorstufe der Digitalisierung, oder glaubt ernsthaft noch jemand an seine persönlichen geschützten Daten? freundlichst