Doppelter Vollzeitjob: RFCUL-Trainer Grettnich legt Amt aus beruflichen Gründen nieder

Doppelter Vollzeitjob: RFCUL-Trainer Grettnich legt Amt aus beruflichen Gründen nieder

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Mit dem Beginn der Professionalisierung in der BGL Ligue sind auch die Anforderungen an die restlichen Trainer gewachsen, die täglich vor ihrem „Fußballjob“ einen achtstündigen Arbeitstag zu bewältigen haben. Das Verständnis für die Entscheidung von RFCUL-Trainer Patrick Grettnich, aus genau diesem Grund eine andere Funktion im Verein zu übernehmen, ist bei seinen Kollegen groß.

In der BGL Ligue werden in naher Zukunft fünf Mannschaften von hauptberuflichen Trainern gecoacht. Dass es sich dabei u.a. um die vier Klubs handelt, die im vergangenen Sommer in der Champions und Europa League vertreten waren, ist wohl kein Produkt des Zufalls. Der F91 (Dino Toppmöller, Erwin Bradasch und Luc Duville), Fola (Jeff Strasser), Progrès Niederkorn (Cyril Serredszum) und Union Titus Petingen (Baltemar Brito und Antonio Torres) setzen bereits auf eine „Ganztagsbetreuung“ und ein Komplettpaket bei ihren Trainern.

Beim RFCU Lëtzebuerg wird man nachziehen, auch da die finanziellen Möglichkeiten es erlauben. Es handelt sich dabei allerdings zu diesem Zeitpunkt vielmehr um die Gunst der Stunde und nicht etwa um eine Kurzschlussreaktion: Da Patrick Grettnich dem Vorstand bereits vor geraumer Zeit mitgeteilt hat, aus beruflichen Gründen kürzertreten zu wollen, bat sich die Gelegenheit an, ihn durch einen professionellen Coach zu ersetzen (wort.lu/fr berichtete). Wann sein Nachfolger antreten wird, steht noch nicht fest, wie Grettnich gestern bestätigte: „Wir wollen eine adäquate Lösung finden. In der jetzigen Phase (als Tabellenzweiter, d. Red.) darf man sich bei einem Trainerwechsel nicht irren. Wir sind nicht in Eile, halten die Augen gleichzeitig offen. Wenn sich etwas ergibt, kann es auch sehr schnell gehen. Es gibt kein definiertes Datum.“

Beim RFCUL will man den professionellen Weg einschlagen und mehr als nur eine tägliche Trainingseinheit vorsehen. Der 46-Jährige wird dem Hauptstadtklub als Sportdirektor erhalten bleiben, während der aktuelle Mann auf diesem Posten, Philippe Ciancanelli, in Zukunft als rechte Hand von Präsidentin Karine Reuter andere Aufgaben zu erledigen hat.

Die Laptop-Trainer

Derzeit gehen also neun BGL-Ligue-Trainer vor den abendlichen Einheiten einem Job nach, Hostert-Trainer Henri Bossi ist im Ruhestand. Grettnich ist selbstständig und im Versicherungsbereich tätig. Des Weiteren verfügt die Nationaldivision u.a. über einen Elektriker des Escher Krankenhauses (Manuel Correia), einen Grundschullehrer (Arno Bonvini) und einen Angestellten der Gemeinde Esch (Marc Thomé). Wie zeitaufwendig die Kombination der beiden Verpflichtungen ist, erklärte gestern Dan Santos (RM Hamm Benfica): „Wenn man sich richtig reinkniet, geht sehr viel von der privaten Zeit drauf.“

Mit „sehr viel“ meint der 37-Jährige zwischen sechs und acht Stunden nach seiner Arbeitsschicht, die um 15.00 Uhr endet. „Wenn man die Gedanken mitrechnet, die man sich tagtäglich macht, sind es noch mehr. Sonntagsabends beginnt die Analyse unserer Partie und die der kommenden Gegner. Montags geht es weiter mit den Vorbereitungen für die abendlichen Trainingseinheiten und zudem stehst du auch ständig für die Spieler zur Verfügung.“ Vom Schneiden des Videomaterials über Powerpoint-Präsentationen bis hin zu Transfergesprächen: Bei den Centsern fällt der Großteil der Arbeit auf Santos zurück, da seine Assistenten berufsbedingt nur während der Trainingseinheiten und des Spiels am Wochenende zur Verfügung stehen.

Auch so manche „freie Stunde“ geht für den sportlichen Erfolg drauf: Der Trainer der „Benficistas“ hat beispielsweise in dieser Woche vier Stunden seines Urlaubs investiert, um zwei morgendliche Trainingseinheiten einzuschieben, da Pedro Ferro wegen seiner Mittagsschicht am Abend nicht zur Verfügung stehen würde. „Man muss pfiffig sein“, so Santos. „Meine Fußballwoche hat mehr als 40 Stunden“, fügte er schmunzelnd hinzu. „Es geht wohl immer mehr in Richtung Professionalisierung. Aber der Verein muss auch über die finanziellen Möglichkeiten verfügen“, sprach er die Entscheidung des Racing an.

„Fast nicht möglich“

Die Escher Fola ihrerseits trainiert (mindestens) sechsmal pro Woche. Zwei Einheiten werden tagsüber abgehalten, u.a. für Spieler, die nicht berufstätig sind. Jeff Strasser, vom Verein eingestellt, benutzte die gleiche Formulierung wie Santos: „Sehr viele Stunden.“ Dies pauschal zu summieren, sei aufgrund der unterschiedlichen Wochen und Anforderungen nicht machbar. „Es ist fast nicht möglich, dies neben einem Vollzeitjob unter einen Hut zu bekommen“, so Strasser.

Neben den diversen Wochenplanungen muss auch der Kader verwaltet werden, sprich die Abstellungen für Reservemannschaft oder Junioren einkalkuliert werden. Allein die Videoanalyse des Gegners nimmt rund sechs Stunden in Anspruch. „Wenn man sich die Partie live angesehen und die Schlüsselszenen notiert hat, geht es ein bisschen schneller. Aber trotzdem muss man ja analysieren, wie der Gegner antritt und überlegen, wie man das Spiel angehen will oder welche Planungen gemacht werden müssen. Videoanalysen sind nicht neu. Die Vereine verfügen allerdings mittlerweile fast alle über andere Möglichkeiten. Die Teams sind einerseits physisch besser vorbereitet und gleichzeitig auch taktisch gut eingestellt. Es ist immer einfacher, etwas visuell zu zeigen“, fügte der Trainer der „Doyenne“ hinzu. „Zudem braucht es neben der fachlichen auch die sozialen und medialen Kompetenzen. Es ist ein enormes Volumen“, meinte Strasser abschließend.

Als Selbstständiger viel unterwegs

Grettnich ist selbstständig und deshalb auch oft an die Wünsche seiner Kunden gebunden, was sich bei den dazugehörigen Terminen manchmal auch negativ auf die Trainingspräsenz auswirkt. „Ich bin viel unterwegs. Manchmal muss der Co-Trainer einspringen, ich bin zu spät oder ich hatte gar keine Zeit, die Trainingseinheit vorzubereiten“, lauteten seine Beweggründe, das Traineramt in naher Zukunft auf Eis legen zu wollen.

„Mit der Trainingsvorbereitung, der Hinfahrt, der Einheit an sich, den späteren Gesprächen mit den Spielern und der Heimfahrt bin ich pro Training sechs Stunden unterwegs. Auch haben wir jetzt damit begonnen, unsere Spiele sowie die Partien der Gegner zu filmen. Das Zusammenschneiden muss ich selbst übernehmen. Nur um mir die Spiele noch einmal anzusehen, bin ich ja schon drei Stunden beschäftigt. Dann kommt noch das Schneiden hinzu, ohne von den ganzen Versammlungen mit dem Vorstand, Telefonaten, Gesprächen mit dem Sportdirektor oder auch den Physiotherapeuten zu sprechen.“

Auch der moralische Faktor ist nicht von der Hand zu weisen: „Man zerbricht sich ständig den Kopf, vor allem wenn es schlecht läuft. Das ist nicht förderlich im Alltag. Der Druck ist für alle Trainer gleich, ob Profi oder nicht: Niemand investiert gerne so viel Zeit und Energie, ohne dass Resultate dabei herausspringen …“

Da er bei der Suche nach dem eigenen Nachfolger direkt involviert ist, hat er das Profil und die Kriterien definiert: „Wenn diese Personaländerung vollzogen wird, dann nur mit einem Mehrwert. Wir werden niemanden einstellen, der erst um 17.00 Uhr aus dem Büro rauskommt …“

„26 Spiele reichen nicht“

Fola-Trainer Jeff Strasser erklärte gestern, wie er sich den Weg zur Professionalisierung in Luxemburg vorstellen könnte: „Es wird in Zukunft wohl keine 14 voll professionalisierte Mannschaften geben. Wenn man fortschrittlich sein will, wäre eine Liga mit acht oder zehn Teams denkbar, um das Niveau des oberen Wettbewerbs zu steigern. Zudem müssten mehr Spiele bestritten werden. 26 reichen nicht. Denkbar wären vier Runden und ein zusätzliches Play-off. Es ist keine magische Formel, sondern eine Möglichkeit, auf professionellem Niveau zu funktionieren.“