Direktwahl: Wie kommt die EU zu ihrem Kommissionspräsidenten?

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Vor fünf Jahren war alles einfacher: Nach den Europawahlen stellte die Europäische Volkspartei (EVP) wie heute die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament (EP) und die beiden großen Fraktionen verfügten dort über die notwendige Mehrheit, mit der sie den Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker als künftigen EU-Kommissionspräsidenten dem Europäischen Rat quasi aufzwingen konnten. Denn auch 2014 wehrten sich mehrere der 28 EU-Staats- und Regierungschefs gegen das Verfahren der Spitzenkandidaten oder, wie Britanniens David Cameron und Ungarns Viktor Orban, gegen Juncker, doch an dem Luxemburger führte kein Weg vorbei. Dem ist nun nicht mehr so, unter anderem auch, da es an einem konsensfähigen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten fehlt. Nachdem die Sozialisten und die Liberalen gestern erklärt haben, dass sie den EVP-Politiker Manfred Weber nicht unterstützen würden, scheint das 2013 ersonnene Verfahren der Spitzenkandidatur bereits an seine Grenzen zu stoßen. Zumindest wird es nun schwieriger, einen mehrheitsfähigen Kandidaten zu finden.

Bis zum Redaktionsschluss gestern Abend sah es so aus, als würde die in Brüssel zusammensitzende Gipfelrunde ihre Entscheidung über die Spitzenposten vertagen, da sich noch in keiner Weise herausschälte, wie die Gleichung der Postenverteilung gelöst werden könnte. Denn in diese fließen ein: die geografische Herkunft (Süd- und Nordeuropa, Ost- und Westeuropa), die Größe des Landes, die Parteizugehörigkeit sowie die Geschlechterverteilung, wobei möglichst für die vier zu verteilenden Ämter (Präsident der Kommission, des Rates, des EP und EU-Außenbeauftragter) Parität angestrebt wird.

Unabhängig davon jedoch, wie die gestrige Suche nach der geeigneten Person für die Juncker-Nachfolge ausgegangen ist oder ausgehen wird, das System der Spitzenkandidaten und somit der mehr oder weniger direkten Einbindung der Wähler bei der Bestimmung des EU-Kommissionspräsidenten bedarf noch einiger Nachbesserungen. Der Ansatz, das Demokratiedefizit bei der Zusammensetzung der europäischen Exekutive zu beheben, ist richtig. Doch zeigt sich, dass entgegen der Absicht, den Prozess der Besetzung des Spitzenpostens in der EU transparent und partizipativ zu gestalten, dies nur unzureichend gelungen ist. Dem Verfahren mangelt es an Eindeutigkeit, es bleibt nach wie vor zu viel Spielraum für Absprachen in Hinterzimmern. Das schadet der Akzeptanz des Systems der Spitzenkandidaten bei den Wählern in der EU und somit in gewissem Maße auch dem Ansehen der Europawahlen.

Die ehrlichere Antwort auf die anvisierte Beseitigung des Demokratiedefizits wäre eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten. Das aber würde bedeuten, dass den EU-Staats- und Regierungschefs jegliche Mitsprache über das Spitzenamt entzogen wird, während die EU-Parlamentarier immerhin noch über die übrigen Kommissare entscheiden können. Das aber dürfte für einige Zeit noch Wunschdenken bleiben.

GuyT
22. Juni 2019 - 12.31

Der Juncker Nachfolger wird sicherlich seine berühmt gewordene EU Vademecum übernehmen: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.” „Wenn es ernst wird, muss man lügen.”

Le républicain zu London
22. Juni 2019 - 8.20

Dann kann man wohl sagen wie unsere deutschen Freunde es so trefflich formulieren. wir werden einen EU-Kommissionspräsidenten bekommen wie die Jungfrau zum Kind!.....