Die heimliche Gefahr: Justiz, Ärzte und Veranstalter sind über den Einsatz von K.o.-Tropfen in Luxemburg besorgt

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Der Einsatz von sogenannten „Vergewaltigungsdrogen“ ist ein zunehmender Grund zur Besorgnis für Justiz, Polizei, Eventveranstalter, Ärzte und Politiker. Details.

Vor Kurzem informierte sich die LSAP-Abgeordnete Claudia Dall’Agnol über die sogenannte „drogue du viol“ (Vergewaltigungsdroge), oder K.o.-Tropfen. Aber was sind eigentlich K.o.-Tropfen? Dabei handelt es sich um eine Droge, die willenlos macht und enthemmt und deswegen oft für Sexualstraftaten benutzt wird. Immer mehr zum Einsatz kommt hier in letzter Zeit GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure), eine Substanz, die dem Opfer ins Getränk gemischt wird. Sie beginnt nach 10 bis 20 Minuten zu wirken. Das Opfer hat dann das Gefühl, in Watte gepackt worden zu sein, ist extrem müde, wird nach und nach auch enthemmt oder willenlos. Die Mehrheit der Betroffenen berichten zudem von einem Filmriss, was die Identifizierung des mutmaßlichen Täters oder die Rekonstruktion des Tathergangs erheblich erschwere, so ein Anwalt. Am Morgen danach berichten die Opfer über Übelkeit, Schwindel und Erbrechen.

Bekannt ist auch GBL (Gamma-Butyrolacton), ein Grundstoff zur Herstellung von GHB. Normalerweise wird er als Lösungsmittel, Nagellackentferner oder Felgenreiniger verkauft. Im Körper wird GBL aber in GHB umgewandelt. GBL ist auch als „Liquid Ecstasy“ bekannt. K.o.-Tropfen werden häufig falsch dosiert und können so lebensgefährlich sein, warnt ein Arzt. Die Drogen attackieren das Nervensystem und das Bewusstsein. Auch kann die Atmung versagen. So gab es bereits Fälle von Opfern, die ins Koma fielen und schwerwiegende Folgeschäden aufwiesen, erklärte der Mediziner.

Nur kurz nachweisbar

Die Droge ist zudem nur sechs bis zwölf Stunden im Körper nachweisbar, was sie für die Täter interessant macht. Deren Verfolgung gestalte sich oft schwierig, weil es an eindeutigen Beweisen fehle. Wird ein Täter ermittelt, folge meist ein Indizienprozess, mit ungewissem Ausgang, so ein Polizist gegenüber dem Tageblatt. Leider sei es daher nicht möglich, genaue Zahlen über den Einsatz der „Vergewaltigungsdroge“ zu liefern, bedauert der Justizminister.

Die Droge wird aber in der Luxemburger Gesetzgebung berücksichtigt. Im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen wird u.a. geschaut, ob das Opfer in der Lage war, Nein zum Sex zu sagen oder sich gegen den Angriff zu wehren. Ist beides nicht der Fall, droht dem Täter eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und zehn Jahren. Ist das Opfer jünger als 16 Jahre, erhöht sich die Haftstrafe auf zehn bis 15 Jahre.

Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 288 Sittenverstöße, davon waren 84 Vergewaltigungen. Die sogenannte „Vergewaltigungsdroge“ treibt aber immer mehr Clubbesitzern und Veranstaltern von Events den Angstschweiß auf die Stirn. Die Verabreichung von K.o.-Tropfen ist eine Straftat und oft der Ausgangspunkt von sexuellen Übergriffen.

„Das ist absolut verabscheuungswürdig. Das will kein Bar- oder Nachtclub-Betreiber“, so Jérémy, ein Café-Besitzer aus dem Zentrum des Landes. „Die Gäste sollen ausgelassen, in aller Sicherheit feiern können.“ Wenn ein Fall von K.o.-Tropfen bekannt werde, sei dies geschäftsschädigend, denn es werfe außerdem ein schlechtes Licht auf das Etablissement, wo die Tat stattfand, betonte er weiter. Wie ist es aber möglich, dass die Droge überhaupt in die Diskothek oder die Bar kommt? „Wir filzen die Gäste, finden aber nicht immer etwas, weil die Täter meist sehr geschickt im Verstecken der Ware sind“, so Marc, Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Und im Trubel, der im Saal oder im Zelt herrsche, sei es fast unmöglich, das heimliche Untermischen von K.o.-Tropfen zu entdecken oder gar zu unterbinden, außer man verstärke massiv die Videoüberwachung. „Das ist aber u.a. aus Datenschutzgründen nicht erwünscht“, erklärte ein Eventveranstalter. So bleibt oft nur der Selbstschutz, um zu verhindern, dass die Fete zum Albtraum wird.


Wie kann man sich schützen?

Die Sicherheitsbehörden und Jugendorganisationen haben eine Reihe Ratschläge herausgegeben, wie man das Risiko, durch GHB ausgeknockt zu werden, minimiert:

  • Offene Getränke nie unbeaufsichtigt lassen.
  • Getränke selbst an der Bar bestellen und abholen. Getränke von Unbekannten nur in verschlossenen Flaschen akzeptieren.
  • Freunde sollten ihre Getränke gegenseitig im Auge behalten.
  • Achtung, wenn einem Freund oder einer Freundin plötzlich schlecht wird und sich Unbekannte um ihn/sie kümmern und nach draußen bringen wollen! Im Zweifel wird empfohlen, die Polizei oder den Notarzt zu kontaktieren.
  • Verliert jemand das Bewusstsein, sofort Erste Hilfe leisten und den Notdienst alarmieren.
  • Besteht der Verdacht, dass jemandem K.o.-Tropfen verabreicht wurden, wenn möglich das Glas sichern und sich verdächtige Personen einprägen. Weist das Opfer Verletzungen auf, sollten diese sofort dokumentiert werden.
  • Feiernde, die allein unterwegs sind, sollen sich an das Bar-Personal wenden. Es wird zudem geraten, immer dort zu bleiben, wo Menschen sind.
  • Am Ende soll eine Gruppe immer gemeinsam wieder nach Hause gehen. Während der Party oder in der Disko wird geraten, gegenseitig auf sich aufzupassen.

„Das ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann“

Cynthia* (22) ist ein Opfer der Vergewaltigungsdroge. Die Studentin erzählte dem Tageblatt ihre Geschichte.

„Es war 1.30 Uhr morgens. Ich war mit ein paar Freundinnen in der Disko und amüsierte mich prächtig. Ich wollte den Prüfungsstress abschütteln. Ich hatte meinen Mojito in der rechten Hand und sprach mit meiner Freundin auf meiner linken Seite. Ich bemerkte nicht, dass der Typ, der mich schon den ganzen Abend mit seinen Augen auszog, sich genähert hatte und mir etwas ins Glas getan hatte. Er war süß, aber nicht mein Typ. Nach einiger Zeit wurde mir schwummrig. Ich begann zu schweben. Meine Freundinnen waren alle auf der Tanzpiste. Ich wollte zur Toilette und dann neue Getränke holen. Das ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann. Ich wachte auf. Es war Morgen. Ich war in meinem Studio, lag in meinem Bett, war aber nackt. Normalerweise trage ich ein Pyjama. Mir war übel und ich hatte Kopfschmerzen. ’Verkatert‘, dachte ich. Dann entdeckte ich komische Flecken auf meinen Beinen und auf meinem Laken. Mir schwante Schlimmes. Sofort lief ich ins Badezimmer. Nichts zu sehen. Ich rief meine Mutter an. Sie kam sofort und riet mir, zum Arzt zu gehen. Sie hatte etwas über eine Sexdroge im Fernseher gesehen. So ging ich zu meinem Frauenarzt. Der stellte fest, dass ich Geschlechtsverkehr hatte. Erinnern kann ich mich jedoch an nichts. Nach dem Arzt erstattete ich Anzeige bei der Polizei. Die Beamten sagten, sie würden der Sache nachgehen. Bisher aber noch ohne Resultat. Das Ganze ist jetzt schon drei Monate her und belastet mich sehr. Ich bin inzwischen in psychologischer Behandlung. Vor einigen Wochen habe ich einen HIV-Test gemacht. Glücklicherweise war er negativ. Einen Fuß in eine Disko habe ich seither nicht mehr gesetzt. Ich bin misstrauisch geworden und meide große Menschenansammlungen. Ich kann nur jedem raten, wenn er feiern geht, sein Glas die ganze Zeit genau im Auge zu behalten. Denn es ist schnell was passiert.“

* Der Name der Zeugin wurde geändert


Lesen Sie dazu auch den Kommentar von René Hoffmann.

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