Die grünen Feinde

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Eigentlich gehört die Einwanderung von neuen Pflanzen und Tieren zu den natürlichen Prozessen in der Natur. Doch die explosionsartige Invasion einiger fremder Arten in unsere Ökosysteme ist zum Problem geworden. Gegen manche ist der Kampf sogar hoffnunglos.

Eigentlich gehört die Einwanderung von neuen Pflanzen und Tieren zu den natürlichen Prozessen in der Natur. Doch die explosionsartige Invasion einiger fremder Arten
in unsere Ökosysteme ist zum Problem geworden. Gegen manche ist der Kampf sogar hoffnunglos.

57 Pflanzen stehen auf der Liste der invasiven Arten in Luxemburg. Diese sogenannten Neophyten gehören zu den im Großherzogtum eigentlich nicht heimischen Pflanzen, die sich aber mit oder ohne menschliche Hilfe auf dem luxemburgischen Gebiet etabliert haben. „Einige Arten sind schon jetzt in Luxemburg stark verbreitet, andere hingegen in unseren Nachbarländern“, erklärt Nora Elvinger vom Umweltministerium. „Da Pflanzen und Tiere keine politischen Grenzen kennen und die Globalisierung viel Menschenverkehr mit sich bringt, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis noch mehr invasive Arten auch in Luxemburg auftauchen.“

Freund oder Feind?

Die Ausbreitung ist dabei von Art zu Art unterschiedlich. Verbreitungsschwerpunkte für viele sind aber vor allem entlang von Fließgewässern und Verkehrswegen.
Nicht alle invasiven Pflanzen werden zum Problem. Einige fügen sich wie ein weiteres Bauteil in die Architektur der Natur ein. Andere hingegen sorgen bei Forschern, Naturschützern und Behörden in Luxemburg für Kopfzerbrechen.

Etwa weil sie einen ökonomischen Schaden anrichten, indem sie heimische Arten verdrängen oder den Boden mit Stickstoff anreichern. Oder weil sie der Infrastruktur schaden, beispielsweise durch die Verstopfung von Abflüssen oder die Erosion von Böden. Noch ist der ökonomische Schaden in Luxemburg wenig relevant. Doch manche der Invasoren schaden auch der Gesundheit von Mensch und Tier.

Dazu gehört auch der Riesenbärenklau, der Hautverbrennungen verursachen kann. Er sowie der japanische Knöterich und die Ambrosia-Pflanze sorgen in Luxemburg für die meisten Bedenken. Die Bestände der invasiven Pflanzen werden vom wissenschaftlichen Forschungszentrum des luxemburgischen Museums für Naturgeschichte (MNHN) genau dokumentiert. Werden diese und andere invasive Pflanzen bei der Natur- und Forstverwaltung oder beim Museum selbst gemeldet, werden sie sofort in die Datenbank „Recorder“ eingetragen. Damit haben die Wissenschaftler die Ausbreitung genau im Blick und können vor gefährlichen Entwicklungen warnen.

Ausrotten aussichtslos

Doch der Kampf gegen einige der Invasoren scheint aussichtslos – sowohl der Riesenbärenklau als auch der japanische Knöterich gehören zu den in Luxemburg schon stark verbreiteten Arten. Obwohl große Anstrengungen unternommen werden, die Pflanzen zurückzudrängen, sind diese durch ihre Fortpflanzungsart meist überlegen und erobern immer neue Territorien.

Allein mit groß angelegten Bekämpfungsaktionen kann die Verbreitung leicht eingedämmt werden. „Wenn man im Kampf gegen die invasiven Pflanzen auch nur ein wenig nachlässt, werden sie sofort wieder zum Problem“, erklärt Manou Pfeiffenschneider von EFOR-ERSA. „Es ist sehr schwierig, sie wieder loszuwerden.“

Sensibilisierung und Prävention

Prävention sei beim Kampf gegen Neophyten besonders wichtig, unterstreicht Nora Elvinger. Deswegen müsse man die Bevölkerung auch für die Problematik sensibilisieren. „Wir haben mit Experten für Ambrosia einen Flyer gestaltet und ihn sowie auch Zeitungsartikel verteilt. Für den Riesenbärenklau gab es schon in der Vergangenheit eine groß angelegte Sensibilisierungskampagne, die ihre Früchte getragen hat.“

Ambrosia ist zwar schon seit Jahren für Pollenallergiker ein Riesenproblem. Sie kann unter anderem Asthmaattacken auslösen und die Allergiesymptome verstärken. Bisher tritt die Pflanze in Luxemburg nur vereinzelt auf, doch im Ausland hat sie sich schon stark ausgebreitet. Ihr kilometerweiter Pollenflug macht sie je nach Windrichtung deswegen auch in Luxemburg zum Problem.

Die Unkrautpflanze tritt besonders häufig in der Gegend von Vogelfutterplätzen auf, da mit Ambrosiasamen verunreinigtes Vogelfutter der Haupteinwanderungsweg ist. Deswegen rät Manou Pfeiffenschneider, „beim Kauf von Vogelfutter auf das Label Ambrosiafrei zu achten“, auch wenn dies nicht immer eine Garantie ist.

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Keine natürlichen Feinde

Der japanische Knöterich wiederum breitet sich auf eine ganz andere Art in Luxemburg aus. „Der Pflanzenbestand ist fast ein einziger Riesen-Klon“, erklärt Guy Colling vom MNHN. „Wenn der Knöterich zerhackt wird, kann er sich durch Erdkriechsprossen mit dem gleichen genetischen Material einfach weiterverbreiten.“ Wenn Boden von einer betroffenen Stelle zu einem noch nicht eroberten Ort geschafft wird, dann verbreitet sich der japanische Knöterich auch dort wieder rasant und verdrängt andere Gewächse.

Ein Problem der invasiven Pflanzen ist, dass sie in ihrem neuen Lebensraum keine natürlichen Feinde haben. Zwar gibt es diese, doch müsse man genau abwägen, ob man diese neuen Arten ebenfalls einführen möchte, da sie wiederum ihre eignen Probleme mit sich bringen. „In Italien wird derzeit ein Ambrosia fressender Käfer eingesetzt“, sagt Guy Colling. „Doch befürchten Wissenschaftler, dass dieser auch Sonnenblumen befallen könnte. Oder der Käfer könnte sich ganz von Ambrosia weg auf eine neue Pflanzenart spezialisieren.“

Ein Fall für Spezialisten

Die Sensibilisierung der Bevölkerung und die Überwachung der Verbreitung der invasiven Pflanzen sind, wie bereits erwähnt, zwei wichtige Hilfsmittel im Kampf gegen die gebietsfremden Arten in Luxemburg. Aufmerksame Bürger sollten deswegen jede entdeckte Pflanze melden. Doch wenn die einzelnen Bestände erst lokalisiert sind, geht es darum, sie zu entfernen. Das ist eine Aufgabe für Spezialisten. Denn sie müssen nicht nur eine weitere Ausbreitung verhindern, sondern auch speziell ausgerüstet sein, um die Pflanzen gefahrlos zu vernichten.

Besonders beim Riesenbärenklau gilt: Auf keinen Fall selber Hand anlegen! Der Saft, den die Pflanze absondert, führt in Verbindung mit UV-Strahlen zu leichten bis mittelschweren Verbrennungen und kann auch durch die Kleidung dringen. „Wir tragen einen speziellen, einteiligen Schutzanzug bei der Entfernung der Pflanze“, erklärt die Forstverwaltung. „Vor Ort stoßen wir mit einem Spaten tief in die Erde, um sämtliche Wurzeln des Riesenbärenklaus mit herauszunehmen. Die Entfernung macht allerdings nur Sinn, wenn die Pflanze noch keine Samen gebildet hat. Sonst müssen wir im nächsten Jahr wieder in voller Montur anrücken.“ Allerdings kontrolliere die Forstverwaltung die Stellen sowieso, um sicherzugehen, dass die Entfernungsprozedur auch erfolgreich war.

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Nicht alles kommt in den Müll

Trägt die Pflanzen keine Samen, so kann sie meist im normalen Grünschnitt entsorgt werden. Nur der japanische Knöterich macht den Entsorgern dabei einen Strich durch die Rechnung. Wegen ihrer Verbreitungsweise muss die Pflanze verbrannt werden. Dazu erfordert es allerdings eine Sondergenehmigung, da Grünschnitt nicht mehr verbrannt werden darf. Außerdem lässt sich der Knöterich nur sehr schwer auf einer Stelle ausrotten, da immer wieder Erdkriechsprossen zurückbleiben und im nächsten Jahr wieder neue Pflanzen hochschießen lassen. Herbizide könnte man ebenfalls einsetzen, doch die Belastung für die umliegenden Pflanzen wäre zu hoch.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, die betroffene Stelle mit einer Plane abzudecken, um den Pflanzen den Zugang zum Sonnenlicht zu rauben. Diese Plane müsste dann aber über mehrere Jahre liegen bleiben. Außerdem würden auch wieder andere Pflanzen darunter leiden und die Methode sei selten erfolgreich. Eine letzte Möglichkeit sei die Beweidung der betroffenen Flächen durch Schafe, aber auch das sei keine dauerhafte Lösung des Problems.

Viele andere Pflanzen auf der europäischen und luxemburgischen Hitparade der invasiven Pflanzen wie etwa die schmalblättrige Wasserpest oder das brasilianische Tausendblatt gehören zu den Wasserpflanzen. Ihre Ausbreitung erfolgt entlang der Flüsse und Seen, was eine Bekämpfung sehr schwierig macht. Auch ihre Entfernung ist äußerst aufwendig. Die Wasserpflanzen müssen „abgemäht“ werden – und zwar meist im Wasser selbst. Ein großer logistischer Aufwand, der jährlich wiederholt werden muss.

Kampf in Europa

Wie in Luxemburg wird auch bei der Europäischen Komission eine Sorgenliste der invasiven Neophyten geführt. Insgesamt 23 Arten gelten auf dem gesamten Kontinent als Problempflanzen – darunter der Riesenbärenklau. Die Pflanzen auf der schwarzen Liste der Kommission unterliegen einem strikten Handelsverbot. Sie dürfen dann auch nicht mehr gezielt angesetzt und aufgezogen werden.

[gview file=“http://www.tageblatt.lu/wp-content/uploads/2017/08/IAS_brochure_species.pdf“]

Die gelisteten Neophyten sollen von den Mitgliedstaaten aktiv bekämpft werden und es sollen Maßnahmen ergriffen werden, um neue Populationen einzudämmen. Im Ausland gibt es verschiedene Initiativen, wie mit den unerwünschten Pflanzen umgegangen werden soll. So wurden beispielsweise Apps entwickelt, in denen findige Bürger Populationen von Neophyten direkt eintragen können. Der Recorder des MNHN funktioniert auf ähnliche Weise, aber auch in Luxemburg gibt es Pläne, eine solche App einzuführen.

Die Ambrosia-Suchhündin Arwen (Foto: DPA)

Katja Krauß, eine Hundetrainerin aus Berlin, kombiniert das tägliche Gassigehen mit dem Suchen nach Ambrosia. Sie hat ihre Hündin Arwen zum Ambrosia-Spürhund ausgebildet.
„Man muss bei der Ausbildung sehr akribisch und vorsichtig vorgehen“, erklärt Katja Krauß, „doch eigentlich kann ein Hund auf die Suche von jeder Art von Pflanzen trainiert werden.“
Kurznasige Rassen würden sich weniger eignen, doch sonst gäbe es keine Einschränkungen. Über ähnliche Initiativen in Luxemburg sind die Behörden nicht informiert. Noch sei eine solche Suchhundstaffel auch nicht nötig.

[gview file=“http://www.tageblatt.lu/wp-content/uploads/2017/08/kj-na-28596-en-n.pdf“]

 

 

Zensus
8. August 2017 - 7.11

Moment Mal! Einwanderung ist doch immer eine Bereicherung (wird uns gesagt). Fauna-Flora-Multi-Kulti.

alexM
7. August 2017 - 14.06

Viellecht war es doch nicht so intelligent das Verbrennen von Grünschnitt zu verieten? Mal abgesehen von der Umweltbelastung die entsteht wenn jeder sein abgemähtes Gras durch die Gegend kutschieren muss.

c.kremer
7. August 2017 - 12.03

Tue-herbes huet fréier vill géint onerwënscht Grénges gehollef. An et konnt en esou schéi geféierlech Rakéiten domat bauen. ;-) Leider hun déi et verbueden an esouguer op d'Lëscht vun de potentielle Bommebaumëttele gesaat.

ronald
7. August 2017 - 9.03

d'Iwerschrëft ass Programm !