Lohngleichheit: Frauen verdienen in Luxemburg (je nach Rechenmodus) mehr als Männer

Lohngleichheit: Frauen verdienen in Luxemburg (je nach Rechenmodus) mehr als Männer

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Die Zeit, in der Frauen weniger verdient haben als Männer, ist in Luxemburg seit einer ganzen Reihe Jahren vorbei. Die politischen Aktionen der letzten hundert Jahre haben ihr Ziel erreicht. Je nach Rechenmodus verdienen Frauen heute sogar mehr als Männer. Diese Information hat es aber bisher nicht in die breite Öffentlichkeit geschafft.

Bereits im Januar 2013 titelte das Luxemburger statistische Institut Statec in einer Pressemitteilung: „Das Gehalt der Männer liegt im Median 3 Prozent unter dem der Frauen.“ Es war das allererste Mal, dass die von Statec gesammelten Zahlen ergaben, dass Frauen hierzulande mehr verdienen als Männer. Es geht um Zahlen aus dem Jahr 2010.
Hintergrund der veränderten Ergebnisse war, dass der öffentliche Sektor (Verwaltung und Bildung) damals erstmals mit in die Rechnung einbezogen wurde. Zuvor hatten sich die Statistiker nur für den Privatsektor interessiert.

 

Frauen sind besser ausgebildet

Mit neuen Zahlen aus dem Jahr 2014 schoss das statistische Institut im Januar 2017 nach: „Junge diplomierte Frauen verdienen mehr als Männer“, titelte es in der damaligen Pressemitteilung. Alternativ hätte Statec auch schreiben können: Mittlerweile verdienen Frauen in Luxemburg im Median 5,13 Prozent mehr als Männer.
Diese Zahlen widersprechen der alltäglichen Rhetorik, die unterstreicht, dass Frauen in Luxemburg im Schnitt immer noch weniger verdienen (aktuell 5,5 Prozent) als Männer, trotzdem nur oberflächig.

Im Endeffekt sind beide Zahlen, statistisch gesehen, richtig. Sie stammen sogar aus den gleichen Pressemitteilungen und den gleichen Studien, deren Daten auf Basis von europaweit festgelegten Kriterien gesammelt wurden. Der Unterschied zwischen beiden Zahlen liegt einfach im Berechnungsmodus (siehe Kasten oben rechts und Grafik 1). Einmal wird der Durchschnitt als Median und einmal als Mittelwert gerechnet.

Welches Ergebnis (Median oder Mittelwert) man nun verwenden will, ist demnach eine persönliche Entscheidung. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Somit wäre die Gleichheit der Gehälter erreicht.

Statec selber hebt in dem Bulletin 1-17 auch die Vorzüge des Medians hervor, „da einige Personen, die sehr hohe Gehälter verdienen, den Durchschnitt signifikativ beeinflussen“, wie das statistische Institut schreibt.

Doch wenn beide Zahlen echt sind, dann ist es zumindest fragwürdig, warum der Median in praktisch allen Veröffentlichungen zum Thema einfach komplett ignoriert wird. Das Resultat, das er zeigt, wäre ein Grund, stolz auf das eigene Land zu sein: das wohl einzige der Welt, in dem Frauen mehr verdienen als Männer. Weltweit könnte Luxemburg als positives Beispiel dienen.

Keine neue Ungerechtigkeit

Dafür, warum Frauen statistisch gesehen mittlerweile mehr verdienen als Männer, gibt es aber mehr als nur mathematische und methodologische Erklärungen. Eine neue Ungerechtigkeit ist mit dem ausgewiesenen höheren Verdienst der Frauen nicht entstanden.

Die wichtigste Erklärung liegt ganz banal in der Ausbildung: Frauen, die arbeiten, sind im Schnitt besser ausgebildet als Männer, die arbeiten. So haben beispielsweise 24,9 Prozent der arbeitenden Frauen einen Abschluss zwischen Abitur und Bachelor. Das ist aber nur der Fall bei 17,1 Prozent der arbeitenden Männer (siehe Grafik 5). Nur bei den älteren Angestellten haben die Männer weiterhin die Nase vorn.

Als Folge der besseren Ausbildung arbeiten viele Frauen in Berufen, für die auch besser bezahlt wird, etwa in Verwaltungsjobs wie Buchhaltung oder im Bereich der Bildung.
Dieser Trend wird sichtbar, wenn man die Wirtschaft in Sektoren aufteilt (siehe Grafik 3). So sind beispielsweise 14 Prozent der arbeitenden Frauen im Finanzsektor beschäftigt – aber nur 11 Prozent der arbeitenden Männer. Im Bildungswesen arbeiten 9 Prozent aller arbeitenden Frauen – aber nur 3 Prozent der arbeitenden Männer. Im Gegenzug beschäftigt das Bauwesen 17 Prozent der arbeitenden Männer, aber nur 2 Prozent der arbeitenden Frauen.

Auffallend in den Zahlen über Wirtschaftssektoren ist, dass Frauen im Schnitt (Median) nur in drei Sektoren mehr verdienen als Männer. In allen anderen Bereichen haben die Männer am Ende des Monats mehr in der Tasche (siehe Grafik 4).

Frauen unter 34 verdienen mehr

Überraschend ist dann auch der Blick in die Zukunft: Es sieht nicht gut aus für die Männer. So zeigt die Aufteilung der arbeitenden Bevölkerung in Altersklassen sehr deutlich (siehe Grafik 7), dass junge Frauen (unter 34) im Durchschnitt mehr Geld verdienen als ihre männlichen Kollegen – und das ganz egal, auf welche Weise der Durchschnitt berechnet wird. Nur bei den älteren Angestellten haben die Männer weiterhin die Nase vorn – sowohl bei der Ausbildung als auch bei der Höhe der Gehälter.

Die höheren Gehälter bei den älteren Männern scheinen sich demnach ebenfalls mit der Ausbildung – und zusätzlich mit längeren Jahren der Betriebszugehörigkeit (was zu höheren Gehältern führt) zu erklären. Das Geschlecht scheint beim Gehalt keine Rolle mehr zu spielen. Seit 2016 ist die ungleiche Bezahlung der Geschlechter für gleiche Arbeit in Luxemburg per Gesetz als Straftat eingestuft.

Die Zukunft gehört den Frauen

In den kommenden Jahren wird die Altersgrenze der Frauen, die mehr verdienen als Männer, dann wohl weiter ansteigen. Darauf hin deuten die Zahlen der Grafik 2, wo ganz klar zu erkennen ist, dass die jungen arbeitenden Frauen deutlich besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen. Die männlichen Beschäftigten werden in Zukunft wohl aufpassen müssen, dass sie den Anschluss an die immer besser ausgebildeten Frauen nicht verlieren.

Es dürfte nun nicht mehr allzu lange dauern, bis die Gehaltsdifferenz zwischen Frauen und Männern in Luxemburg komplett verschwindet, egal welcher Rechenmodus benutzt wird. Laut dem „normalen“ Mittelwert gibt es hierzulande aktuell noch eine Gehaltsdifferenz von 5,5 Prozent. Im Jahr 2014 lag sie bei 6,4 Prozent. Zwei Jahre früher waren es 8,6 Prozent. 2010 lag die Gehaltsdifferenz noch bei mehr als 10 Prozent.

Andere Ungleichheiten bestehen weiter

Doch auch wenn die Gleichheit der Gehälter mittlerweile erreicht ist, so gibt es trotzdem noch viele Bereiche in der Arbeitswelt, in denen die Gleichheit noch einen weiten Weg vor sich hat. In Luxemburg stehen die Frauen beispielsweise für nur 24 Prozent der Direktoren. Zudem sind 39 Prozent der arbeitenden Frauen in Teilzeit aktiv – aber nur 6 Prozent der Männer.

Hinzu kommt, dass der Anteil der arbeitenden Frauen in Luxemburg viel geringer ist als in anderen Ländern. Hierzulande stehen Frauen (2014) für nur 36 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Ein großer Teil der Frauen ist demnach auf dem Arbeitsmarkt (und somit auch in diesen Statistiken) nicht präsent.


Methodologie

Um all diese Ergebnisse zu erlangen, wurden in der Studie 314.000 Angestellte (etwa 85 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2014) unter die Lupe genommen. Dabei handelt es sich sowohl um Grenzgänger als auch um Einwohner des Landes. Was in den Daten nicht vorkommt, sind kleine Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern, der Agrarbereich sowie die Gemeindeverwaltungen. Wer Teilzeit arbeitet, wurde hochgerechnet auf ein volles Arbeitsjahr – um Gleiches mit Gleichem vergleichen zu können.

Nachzulesen sind die Ergebnisse und die Details im Bulletin du Statec 1-17 sowie im Bulletin du Statec 2-12. Die betreffenden Pressemitteilungen befinden sich auf der Webseite des statistischen Instituts.