Im GesprächDie Band Tele-Port ist ein neuer Stern am Luxemburger Jazz-Himmel

Im Gespräch / Die Band Tele-Port ist ein neuer Stern am Luxemburger Jazz-Himmel
Für sein neues Projekt Tele-Port stellt Jeff Herr seine Corporation auf Stand-by – und bietet Pol Belard, Jérôme Klein und Zhenya Stringalev handgemachten modernen Jazz. 

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Mit Jeff Herr am Schlagzeug, Pol Belardi an der Bass-Gitarre, Jérôme Klein an den Keys und dem russischen Saxofonisten Zhenya Strigalev liest sich Tele-Port wie eine (inter-)nationale Supergroup. Wir haben uns mit Jeff Herr über die Entstehung des Projekts, künstlerisches Überleben in Luxemburg, mangelndes Radio-Airplay und den Kulturentwicklungsplan unterhalten.

Tageblatt: Wie ist das Projekt Tele-Port entstanden?

Jeff Herr: Zhenya Strigalev, ein russischer Saxofonist, hat sich für die Luxemburger Musikszene interessiert und Patrice Hourbette, damaliger Direktor von music:LX, kontaktiert. Zhenya Strigalev zeigte sich an Pol Belardis, Jérôme Kleins und meinen Projekten interessiert. Daraufhin haben wir ihn auf eine Probe nach Luxemburg eingeladen. Das lief sehr gut, weshalb ich dann zu Danielle Igniti ging, die damals noch Leiterin von opderschmelz war. Igniti hat uns daraufhin eine Residenz vorgeschlagen, was uns erlaubte, gegen Ende 2018 ein Programm aufzustellen.

Danach haben wir das ganze Projekt unter optimalen Bedingungen aufgenommen, sodass wir auf diese Residenz eine Produktion folgen ließen und das Projekt im Rahmen der letztjährigen Auflage des „Like a Jazz Machine“-Festivals vorstellen konnten. Dort waren dann auch Professionelle aus der internationalen Szene, was es uns erlaubte, unser Album bei Double Moon/Challenge Records zu veröffentlichen.

Wie würden Sie das Projekt klanglich umschreiben?

Ich würde Tele-Port als modernen Jazz bezeichnen. Es gibt Beats und Grooves, der Sound hebt sich aber von anderen modernen Jazz-Kombos ab, weil Jérôme Klein viel mit seinen Synthies experimentiert und auf die Klänge des Fender Rhodes zurückgreift. Dazu gesellt sich dann Zhenyas sehr furioses, nervöses Saxofon, das mitunter aber auch sehr lyrisch klingt. Pol gelingt es, mit seinem Bass ganze Klangkathedralen zu schaffen. Gepaart mit den kräftigen Drums ergibt sich ein Sound, den man definitiv als rockig beschreiben kann.

Bei Tele-Port gibt es keinen einzelnen Projektträger, der sich für alle Kompositionen verantwortlich zeigt. Wie synthetisiert oder verdichtet man die Kreativität der drei Komponisten?

Nach der erfolgreichen ersten Probe habe ich einen Track geschrieben, der diesem Quartett entspricht und gerecht wird. Im Gegensatz zu mir, der eher punktuell die Feder in die Hand nimmt und daher keinen Fundus von 100 Songs parat hat, schreiben Zhenya und Pol extrem viel, sodass sie teilweise auf bereits vorhandene Kompositionsideen zurückgriffen, von denen sie dachten, diese würden sich besonders gut für das Teleport-Projekt eignen, teilweise aber auch neue Stücke schrieben. Im Endeffekt haben sich die Kompositionen gut ergänzt, sodass sich für die Platte ein roter Faden ergeben hat.

Viele Jazz-Projekte werden fast schablonenartig nach dem Vornamen, Nachnamen und der Anzahl der Bandmitglieder benannt. Das ist hier nicht der Fall. Sollte der Name Tele-Port bereits zeigen, dass hier nicht ein Musiker im Zentrum steht?

Genau. Mir ist es wichtig, dass man als Kollektiv auch einen kollektiven Namen trägt. Ein solcher Name versteckt natürlich zum Teil die Identität der Musiker – dann muss man eben zweimal hinschauen, um herauszufinden, wer sich dahinter verbirgt.

Nach einem Brainstorming kam Zhenya auf den Namen Tele-Port, der mir sofort gefiel. Der Name ist leicht futuristisch, macht viele Gestaltungsräume für das Coverdesign auf – und gute Musik soll einen ja in andere Sphären teleportieren. Mit Tele-Port wollten wir trotz des futuristischen Namens das Rad nicht neu erfinden: Es ist moderner, ehrlicher, handgemachter Jazz.

Mit Pol Belardi und Jérôme Klein ist ein eingespieltes Duo an Bord, das (nicht nur) in der Jazz-Szene in gefühlt jedem zweiten Projekt dabei ist. Besteht da nicht die Gefahr einer gewissen Redundanz?

Musiker wie Pol und Jérôme sind sehr kreativ und leiten ihre eigenen Projekte. Zwischen den beiden existiert eine ganz besondere Symbiose, die sich mittlerweile durch viele Projekte zieht. Hier befinden sich die beiden aber außerhalb ihrer „Komfortzone“, einerseits weil wir mit Zhenya einen anderen Frontmann haben, andererseits aber auch, weil ich bisher eher selten mit Pol und Jérôme gespielt habe, sodass vieles, was für uns sonst selbstverständlich war, aufgebrochen wurde.

Hat man Pol und Jérôme an Bord, sichert man sich eine klangliche Identität. Zudem wird so einiges erleichtert, weil vieles nicht mehr erklärt oder gefunden werden muss und der Input zwei hochkarätiger Musiker eine spannende Mischung ergibt. Generell denke ich, dass die Musiker hierzulande einfach mal Projekte ins Leben rufen, ohne sich zu fragen, wieso man wieder mit den gleichen Leuten spielt. Das ist erfreulich, könnte aber irgendwann auf der Ebene der Exportfähigkeit zum Problem werden – wenn der Veranstalter aus dem Ausland merkt, dass bei vielen Projekten dieselben Namen auftauchen, kann es schon sein, dass dieser sich Fragen stellt.

Wie findet man gemeinsame Termine – Zhenya lebt in London, und die Terminkalender eines Pol Belardi und eines Jérôme Klein erlauben wohl wenig Spontanität?

Es ist terminlich nicht leicht – und es wird schwierig, ein bestimmtes Projekt in den Vordergrund zu stellen. Will man sich auf renommierten Festivals positionieren, sieht die Situation oft so aus: Der Headliner ist meistens ein amerikanisches Projekt, danach kommen die regionalen Projekte aus dem jeweiligen Land. Man kann da als luxemburgische Band nur hoffen, sich einen Platz als „Coup de coeur“ aus der Pampa zu ergattern. Trotzdem gelingt es uns, uns zu profilieren, aber es ist ein langsamer, mühseliger Prozess.

Die globalisierte Welt erlaubt es dem Musiker, sein Presse-Dossier ganz schnell an viele Medien zu schicken und Anfragen überall zu stellen – aber dahin, wo wir unsere Projekte hinschicken, senden tausende von anderen Musikern ihre Kandidaturen und Dossiers. Der Erfolg eines Projektes steht und fällt mit der Beharrlichkeit der Person, die sich darum kümmert.

Mit vier Musikern haben wir mit Tele-Port natürlich auch vier Netzwerke, auf die wir zurückgreifen können. Im Dezember hatten wir Auftritte in Russland, Zhenya hat viele Kontakte in London, weshalb wir dann auch – trotz Brexit – auf Konzerte in England hoffen. Selbst wenn es sich um ein Nebenprojekt handelt: Man braucht immer eine Person, die sich auf ein Projekt fokussiert. Ich werde mich mit meinem Management zukünftig auf Tele-Port konzentrieren – und habe deswegen auch die Jeff Herr Corporation auf Stand-by gestellt.

Zurzeit soll der Kulturentwicklungsplan (KEP) aufgestellt werden, music:LX soll in ein größeres Exportbüro eingebettet werden. Was sind Ihre Ansprüche, Erwartungen?

Beim KEP handelt es sich um theoretische Lösungsvorschläge. Der Musiker kann dabei auf Entwicklungsmöglichkeiten hoffen. Und das geht nur mithilfe von finanzieller Förderung. Man kann sich heute Sichtbarkeit erkaufen. Wenn die Qualität der lokalen Projekte stimmt und die Gremien qualifiziert genug sind, dies zu erkennen, dann wäre es von Vorteil, wenn man ein paar Projekte massiv und über ein paar Jahre unterstützt, anstatt jedes Projekt nur ein bisschen. Das wirkt vielleicht elitär – aber momentan ist es so, dass man sich zwar freischwimmen kann, man aber im Endeffekt nie ausreichend freigeschwommen ist, um sich eigenständig über Wasser zu halten.

In der Theorie klingen die Maßnahmen für die Aufbesserung der Exportfähigkeit toll, wir können aber keinem ausländischen Booker oder Veranstalter luxemburgische Bands aufzwingen. Wenn ein großes Label, das ein kleines Büro hier hätte, sich dazu entscheiden würde, zwei Projekte zu umrahmen, sie in ihr Netzwerk aufnehmen würde und das Ministerium ein solches Vorhaben finanziell subventionieren würde – dann hätten wir genreübergreifend die Möglichkeit, wirkliche Fortschritte zu machen. Ich denke da an das Modell der luxemburgischen Filmindustrie, der es ja auch gelungen ist, ausländische Firmen dazu zu bringen, in Luxemburg und mit luxemburgischen Schauspielern zu drehen.

Wenn ich keine Platten verkaufe, mit Streaming kaum was verdiene, nicht im Radio gespielt werde und im Ausland wenig Auftritte habe, dann hilft mir der Kulturentwicklungsplan auch nicht

Jeff Herr, Schlagzeuger

Denn der Luxemburger Musiker muss ins Ausland. Die Überschaubarkeit des Marktes ist für den Beginn einer Karriere toll – danach wird es aber zum Hindernis. Die bekannten Luxemburger Jazz-Projekte haben alle bei einem ausländischen Label signiert – hier hat das Exportbüro tolle Arbeit geleistet, Kontakte ermöglicht und Netzwerke für Luxemburger Musiker geschaffen. Was für das Nischengenre Jazz gut läuft, funktioniert aber weniger gut für die luxemburgische Indie-Pop oder Rockmusik-Szene – weil hier alles über Klicks, Streaming und Fanbase läuft, damit sich ein Label überhaupt erst interessiert. Es ist toll, dass sich jetzt etwas bewegt, dass die Kulturschaffenden befragt werden, auch wenn es schwierig ist, einen Plan aufzustellen, der für jeden funktioniert.

Was sind in Ihren Augen die größten Herausforderungen?

Es wurde Jahre damals vieles versäumt – weil Kultur in einem neoliberalen Land nicht interessant ist. Man zeigt sich sehr stolz, wenn ein Luxemburger Künstler ausgezeichnet wird, ist aber nicht bereit, die Weichen für die kulturpolitischen Bedingungen so zu stellen, dass solche Auszeichnungen nicht nur das Resultat von Zufällen, Beharren, Ausdauer und Geduld sind, sondern strukturell ermöglicht werden.

Dieses Mentalitätsproblem manifestiert sich nicht nur auf der kulturpolitischen Ebene: Damit der Musiksektor überleben kann, müsste es eine hundertprozentige Unterstützung der lokalen Radiosender geben – weil man dann Autorenrechte ausbezahlt bekommt und der Zuhörer auf die Musik aufmerksam wird. Man braucht dann nicht mehr seinen 40- oder 20-Stunden-Job auszuüben, weil man genug erwirtschaftet, um von seiner Kunst leben zu können, und man entwickelt sich als Künstler, weil einem mehr Zeit zur Verfügung steht.

Die rezenten Entwicklungen stimmen mich aber skeptisch, der Radiohörer wird dazu konditioniert, toll produzierte, aber im Endeffekt wahnsinnig schwachsinnige Musik zu konsumieren, luxemburgische Musik wird unter dem Vorbehalt, dass Musikredakteure ihre Playlists autonom aufstellen wollen, viel zu selten gespielt.

Wenn ich keine Platten verkaufe, mit Streaming kaum was verdiene, nicht im Radio gespielt werde und im Ausland wenig Auftritte habe, dann hilft mir der Kulturentwicklungsplan auch nicht.

Jeff Herr berichtet im „Kopf des Tages“ auch über seine Erfahrungen als Musiker im Großherzogtum Luxemburg

Info

Die CD-Release von Tele-Ports erster Platte ist heute Abend (23.1.) um 20 Uhr im Kulturzentrum opderschmelz in Düdelingen.