Dick Pounds „all-time favorite“: Das IOC-Mitglied über Großherzog Jean

Dick Pounds „all-time favorite“: Das IOC-Mitglied über Großherzog Jean

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Grand-Duc Jean wurde nicht nur in Luxemburg für seinen Einsatz für den Sport geschätzt. Sein Engagement fand weit über die Grenzen hinaus große Anerkennung, unter anderem bei seinem IOC-Kollegen Richard Pound.

Richard „Dick“ Pound gehört zu den angesehensten Funktionären der Sportwelt. Der 77-jährige Kanadier ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Im vergangenen Jahr sorgte er für Aufregung mit seiner Kritik an der Dopingbekämpfung, als er die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) als „old farts“ (frei übersetzt: alte Knacker) bezeichnete. Ein Vorgehen, das bei Sportfunktionären eher die Ausnahme als die Regel ist.

Pound ist momentan das dienstälteste Mitglied des IOC. Als Doyen ist er in gewisser Hinsicht die moralische Instanz, die auf Kongressen das Schlusswort halten darf. Eine Rolle, die der verstorbene Großherzog Jean ebenfalls ausübte und in der er Pound beeindruckte. „Grand-Duc Jean war ohne Zweifel ein besserer Doyen, als ich es bin oder irgendeiner sonst war. Er ist mein ‚all-time favorite‘ in dieser Position“, sagt der ehemalige IOC-Vizepräsident gegenüber dem Tageblatt und gerät ins Schwärmen. „Allein durch sein Auftreten strahlte er eine unglaubliche Präsenz aus.“

Pound ist seit 1978 Mitglied des Ringeordens. Bei seiner Aufnahme war Grand-Duc Jean bereits im 32. Jahr seiner insgesamt 52-jährigen Mitgliedschaft. „Er hat mich von Anfang an beeindruckt. Man muss wissen, dass es für Staatsoberhäupter nicht immer einfach ist im IOC.“

Großes Vermittler-Talent

Das Medieninteresse an den Kongressen des Internationalen Olympischen Komitees ist groß und für Staatsoberhäupter ist es nicht unbedingt einfach, das Wort zu ergreifen. Der niederländische König Willem-Alexander hat seine Mitgliedschaft niedergelegt, als er den Thron bestieg. Die IOC-Mitglieder, die aus Königsfamilien stammen, äußern sich nur selten zu kontroverseren Themen. Nicht so Großherzog Jean. „Und es waren nie irgendwelche dummen, nichtssagenden Floskeln, wie man sie so zu hören bekommt“, sagt Pound. Der Großherzog sei keiner Diskussion aus dem Weg gegangen und habe großes Talent als Vermittler bewiesen. Das war aber nur möglich, weil er über ein großes Sportwissen verfügte.

Er habe sich für alles interessiert. Sowohl für die Leistungen von Athleten als auch für die Probleme, mit denen der Sport zu kämpfen hatte. Richard Pound, der 1999 Gründungspräsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wurde und 2014 die unabhängige Kommission zur Aufklärung des russischen Dopingskandals leitete, erinnert sich noch gut an die Olympischen Spiele von 1988 in Seoul.

Gewissenhaft und engagiert

Die Spiele in Südkorea wurden vom Dopingfall des kanadischen Sprinters Ben Johnson überschattet. Pound war damals Teil der Verteidigung von Johnson. Er erinnert sich, dass Grand-Duc Jean sich bei ihm über den Fall erkundigt habe, um sich einen möglichst genauen Überblick zu verschaffen. „Ich hatte immer großen Respekt vor seiner Sachkenntnis“, so Pound. Der Großherzog sei keiner dieser IOC-Mitglieder gewesen, die man nur bei den Olympischen Spielen traf. Er sei immer präsent gewesen und habe sein Amt sehr gewissenhaft und mit großem Engagement ausgeübt.

Durch seinen Einsatz, seine Warmherzigkeit und seine Vermittlerqualitäten habe Jean die Rolle des IOC-Doyens geprägt. „Er hat ihr einen ganz neuen Status verliehen.“ Der Kanadier hatte eine spezielle Bindung zum Großherzog, die auf dessen Verbindung mit Pounds Heimatland zurückzuführen ist. Während des Zweiten Weltkriegs zog es die großherzogliche Familie unter anderem ins Exil nach Kanada, wo der damalige Prinz Jean an der Universität Laval in Quebec Politikwissenschaft und Jura studierte.

Die Nachricht vom Tod habe ihn sehr berührt, sagt Pound. Er hatte Grand-Duc Jean auch nach dessen Rücktritt aus dem IOC 1998 nicht aus den Augen verloren. „Sein Sohn Henri übernahm seinen Platz, und wenn ich ihn bei IOC-Versammlungen sah, habe ich mich immer nach seinem Vater erkundigt.“