Des Piraten Vermisstenanzeige

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Sven Clement (28) und seine Piratenpartei müssen den Luxemburger Bürgern 2017 erklären, weshalb es sie eigentlich noch gibt.

„Also die Luft ist am Ende des Wahlkampfs irgendwie raus. Wir haben 175 Plakate selbst aufgehängt – mit Freiwilligen.“ Clement lacht. Man muss es ihm lassen: Für jemand, dessen Partei eigentlich keine wirkliche Rolle mehr spielt, versprüht der Präsident der Piraten einen ungeheuren Optimismus. Mit viel Witz und Selbstironie setzt er den Ton für die Bilanz seines Wahlkampfs. „In Luxemburg-Stadt gibt es 49.000 Briefkästen … Das war eine Menge Arbeit.“ Er amüsiert sich. Für den Piraten bedeutet gewinnen, sich innerhalb eines anderen Maßstabs als die großen Parteien zu bewegen. Wer jedoch glaubt, die Piratepartei hätte bereits „d’Bengele bei d’Tromm gehäit“, irrt gewaltig.

„Meine Frau hat schon eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgegeben. Mein Hund schaut mich an, wenn ich nach Hause komme, als sei ich ein Fremder. Beim Volleyball sehen sie mich nur noch ein- statt dreimal die Woche.“ Die Piraten haben mit ihren 100 Kandidaten bis zuletzt um die Gunst der Wähler gebuhlt. Allerdings ist es für eine kleine Partei umso schwieriger, die Last des Wahlkampfs zu teilen. „Es ist gut, dass der Wahlkampf kurz ist, um die Balance zu halten. Es ist aber schlecht, weil alles kondensiert abläuft: Vieles muss sehr kurzfristig erledigt werden. Das führt dazu, dass auch keine richtige Debatte erlaubt ist.“ Für Clement steht fest, dass vier Wochen nicht reichen, um mit Menschen über Inhalte zu diskutieren. „Ich freue mich aber, dass am 9. Oktober schon die nächste Wahlkampagne beginnt.“ Kapitulation klingt anders.

Risiko gleich null

Clement hat längst begriffen, dass seine Partei nicht die gleichen Diskussionen wie die anderen Parteien führen kann. Umso mehr spielt er die Rolle der Gemeindewahlen runter, ohne aber respektlos zu wirken. „Ich glaube, ein guter nationaler Politiker muss kein Kommunalpolitiker gewesen sein. Er wohnt in seinem Dorf, in seiner Ortschaft, in seiner Gemeinde, in seinem Kanton, in seinem Bezirk, in seinem Land. Auch ein nationaler Abgeordneter weiß, was um ihn herum schiefläuft.“ Ein guter Abgeordneter sei nahe bei den Bürgern. Er müsse aber auch viel weiter sehen können. „Das übliche ‚hei bei mir an der Strooss ass e Lach‘ reicht sicherlich nicht.“ So verwundert es wenig, dass Clement nicht viel vom Konzept des „député-maire“ hält. Für die Piraten geht es darum, in irgendeiner Form Relevanz zu erhalten. Das Risiko der Doppelmandate ist gleich null.

„Wir sehen ‚députés-maires‘ und ‚députés-échevins‘ als Partei sehr kritisch. Wir haben auch die Position, dass man nicht mehr als 40 Stunden ‚congé politique‘ anhäufen kann. Am Ende des Tages soll eine ‚work-life-balance‘ existieren. Die Gewerkschaften haben jahrzehntelang für die 40-Stunden-Woche gekämpft.“ Clement schaltet in den Angriffsmodus. Luxemburg-Stadt und die Situation rund um Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) verdeutlichten, wie komplex solche Doppelmandate seien. „Wie geht das auf? Mein Tag hat 24 Stunden, ihrer wahrscheinlich auch. Das funktioniert nicht. Wir brauchen nationale Abgeordnete, die die Interessen des Landes vertreten und wir brauchen kommunale Vertreter, die die Interessen der Gemeinden vertreten.“

Weg mit dem Staatsrat

Clement liefert dann auch gleich einen Lösungsvorschlag. „Unser Vorschlag auf nationaler Ebene lautet, den Staatsrat abzuschaffen und durch eine ‚chambre des régions‘ zu ersetzen. Dort wären lokale Abgeordnete vertreten. Dies auf Kantonalproporz, um wirklich alle Regionen abzudecken. Auf der anderen Seite gäbe es dann die Chamber, wo Doppelmandate verboten wären.“ Was dies konkret bedeuten würde, erklärt der Pirat: „Das würde uns erlauben, viel stärker den regionalen Bezug in einer Kammer unseres legislativen Systems zu verankern und den nationalen Bezug zum zentralen legislativen Körper, der Chamber, zu behalten.“

Clement ärgert sich darüber, dass das aktuelle System zu viele Schönheitsfehler habe. Er glaubt nicht daran, dass Abgeordnete mit lokalem Mandat die nötige Distanz besäßen: „Wenn ich ab und zu sehe, wie in den Fraktionen über lokale Themen gestritten wird – wie z.B. ‚questions parlementaires‘ über eine Straße –, weil gerade aus dieser Ecke ein ‚député-maire‘ kommt und aus anderen Ecken eben kein ‚député-maire‘ kommt, finde ich das Schade. Da geht etwas verloren.“

„En décke Kapp“

Clement ärgert sich jedoch auch über etwas ganz anderes. Neben der systemischen Kritik stört ihn der Mangel an Fairness im Wahlkampf. „Es wird von jedem gesagt, wir würden fairen Wahlkampf betreiben – dabei wird gestichelt, gemogelt und Dinge getan, die nicht abgemacht waren, ohne dass man dafür konkrete Beweise hat. Es gibt Abkommen, wo drinsteht, dass wir maximal den Betrag X ausgeben. Das ist das Dreifache, von dem, das wir als Piraten ausgeben. Da brauche ich überhaupt nicht erst anzufangen, mir Gedanken zu machen …“ Der Pirat bedauert zudem, dass der Gemeindewahlkampf eigentlich ein nationaler Wahlkampf sei. Die verschiedenen Sektionen der großen Parteien würden regelrecht erstickt. „Den Sektionen wird wirklich gesagt, hier ist euer nationales Kaderprogramm, das setzt ihr jetzt um! Dadurch können die Sektionen kein wirklich lokal angepasstes Programm ausarbeiten und anwenden.“

Was einen nicht schlecht staunen lässt, ist die Einstellung des Piratenpräsidenten mit Blick auf den digitalen Wahlkampf. Wer sonst als die Piratenpartei fällt einem bei digitalem Kampf um Stimmen ein? Fehlanzeige. Clement weiß, wie die Luxemburger ticken. Zu viel moderne Technik ist im lokalen Wahlkampf fatal. „Gemeindewahlen werden im Kontakt mit den Bürgern gewonnen. Ob das digital oder offline ist, spielt keine Rolle. Der Bürger will seine Kandidaten sehen, mit ihnen reden und seine Probleme zum Ausdruck bringen.“ Das habe zwar eine digitale Komponente, aber gerade wegen der Größe der Luxemburger Gemeinden führe ein rein digitaler Wahlkampf zum Scheitern eines Wahlkampfs. „Wer glaubt, dass er mit schönen Bildern, die er als ’sponsored posts‘ auf Facebook schaltet, auf kommunaler Ebene Wahlkampf führen kann – sorry, das funktioniert nicht.“

Kommunale Wahlen würden im Bauch gewonnen, weil X und Y jemanden auf dem Markt getroffen hätten. Nicht nur die Woche vor den Wahlen, sondern die letzten fünf Jahre seien wichtig. Wahlen würden gewonnen, weil man in lokalen Vereinen aktiv sei und die Gemeinde voranbringe. Nicht weil man auf Facebook das unfaire Spiel anderer Parteien kritisiere. „Wer glaubt, eine rein digitale Kampagne zu führen, muss sich am 8. Oktober auf ‚en décke Kapp‘ gefasst machen – aber nicht weil er zu viel gefeiert hat.“

Bistrot
4. Oktober 2017 - 17.49

Wann eng kleng Partei net iwwerall eng Lescht mecht ass dat OK! Et geet jo net dat een ganz eleng eng Lescht mecht! Een oder 2 Conseilje wären ee volle succès. A wou e Rescht huet huet e rescht. Den Député-Maire ass weder ee gudden Deputéierten nach e gudde Maire!

jang_eli
4. Oktober 2017 - 14.27

Hiren Parteisëtz as zu Koplescht. Mee do kréien se nët emol eng Lëscht op d'Been. Daat seet wuel genuch aus zu hirer Agebonnenheet an dem Kontakt zu de Leit. Wetten awer datt et mat deene Leschte soss am Land duer geet fir funn de Parteisubsidien ze profiteiren.