Sébastien GrandjeanDer „verrückte“ Kurzzeit-Coach der Jeunesse 

Sébastien Grandjean / Der „verrückte“ Kurzzeit-Coach der Jeunesse 
Sébastien Grandjean kehrt nur für ein Spiel auf die Trainerbank zurück Foto: Gerry Schmit

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Es war ein eindeutiges Zeichen, das Jeunesse-Präsident Jean Cazzaro am letzten Spieltag der Meisterschaft setzte – als er seinen Trainer Nicolas Huysman vor die Tür setzte. Genau wie nach der Entlassung von Marc Thomé vor acht Monaten springt der Belgier Sébastien Grandjean in die Bresche. Er betonte im Interview, dass sein Engagement nicht über das Pokalspiel in Wiltz hinausgehen wird und erklärte ebenfalls, welches Trainerprofil am besten zu den „Bianconeri“ passt.

Tageblatt: Sie haben die Begegnungen der Schwarz-Weißen stets genau beobachtet. Welchen Eindruck vermittelte die Escher Jeunesse in den vergangenen Wochen?

Sébastien Grandjean: Ich hatte den Eindruck, dass dieses Team sich noch immer sucht. Die Mannschaft ist verunsichert, fürchtet sich davor, Chancen herauszuspielen. Insgesamt wirkte die Jeunesse sehr ängstlich und alles andere als dominant. Auf mentaler Ebene stellen sich die Spieler in dieser Situation viele Fragen.

Warum haben Sie sich bereit erklärt, zum dritten Mal dieses Amt bei der Jeunesse zu übernehmen?

Weil ich verrückt bin. Ich liebe diesen Verein. Im Herzen bin ich seit über 20 Jahren ein Escher. Ich bin zum dritten Mal im Klub und ehrlich gesagt stelle ich mir mittlerweile die Frage, ob ich die Jeunesse eigentlich jemals verlassen habe. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, waren toll. Ich kenne die Jungs alle – und sie mich. Mein Ziel ist es, ihnen ihr Selbstvertrauen zurückzugeben. Man kann in dieser Situation keinen fremden Coach aus dem Ausland übernehmen lassen. Zudem pflege ich nach wie vor exzellenten Kontakt zum Präsidenten und dem ganzen Klub. Ich hätte gar nicht Nein sagen können.

Wann hat Sie Präsident Jean Cazzaro denn gebeten, den freien Posten zu übernehmen?

Wir haben uns bereits letzte Woche darüber unterhalten. Er hatte mir klar gemacht, dass er auf mich zählen würde. Andererseits wollte er dem Trainer die Möglichkeit bieten, das Ruder noch einmal gegen Hostert herumzureißen. Er hat in dieser Angelegenheit den allerletzten Moment abgewartet. Es war weder eine Entscheidung, die er besonders gerne getroffen hat, noch war es eine vorzeitig beschlossene Sache.

Besteht die Möglichkeit, dass Ihr Einsatz über das Pokalspiel in Wiltz hinausgehen wird?

Nein, denn dafür habe ich beruflich einfach viel zu viel zu tun. Wir haben uns in der Praxis neue Herausforderungen gegeben und Ziele gesetzt. Zur Jeunesse zurückzukehren bedeutet, dass sich die Anforderungen verdoppeln. Ich kann nicht an beiden Orten hundert Prozent geben und das Risiko wäre zu groß, an einer Stelle zu versagen.

Wie haben die Spieler auf Ihren Kurzzeit-Einsatz reagiert?

Ich habe den Kapitän (Milos Todorovic, d. Red.) angerufen. Ich wollte wissen, wie er mit der Situation umgeht und wie die Gefühlslage derzeit ist. Zudem gab es ein Gespräch mit Petz Biergen („Chargé de mission“). Alles andere werde ich heute (gestern) bei der ersten Trainingseinheit selbst sehen. Ich denke, dass man Überraschungen ausschließen kann. Die einzige Ungewissheit gibt es möglicherweise bei Verletzungen.

Wie können Sie dem Team in diesen sechs Tagen weiterhelfen?

Ich habe keine Ahnung (lacht). Es gibt keine magische Formel. Meiner Meinung nach hängt alles von dem Gespräch ab, das wir heute (gestern) vor der Trainingseinheit haben werden. Der Ton dieser Diskussion wird mir schon zeigen, in welche Richtung es gehen wird. Diese Begegnung ist für den Klub sehr wichtig. Ausgerechnet vor so einer schweren Partie könnte unsere Vorbereitung aufgrund der gefrorenen Plätze beeinflusst werden. Zudem ist unser Gegner derzeit mental sehr stark. Demut und Bescheidenheit stehen deshalb bei meiner Rolle im Vordergrund.

Das größte Problem, das Sie beheben wollen, ist demnach der mentale Bereich. Können Sie trotzdem in so kurzer Zeit Ihre eigenen taktischen Pläne umsetzen?

Die Mannschaft ist taktisch nicht im Gleichgewicht gewesen. Man kann nach drei Trainingseinheiten keine Taktik-Reform vollziehen, aber trotzdem einige Ideen einfließen lassen. In der Jeunesse-Kabine war der Intelligenz-Quotient bei meiner letzten Amtszeit (7 Spiele am Ende der Saison 2018/19) hoch – und das ist er immer noch. Sie werden schnell verstehen, worauf ich hinaus will. Eigentlich bin ich nur der Mann, der in dieser Woche den Leitfaden in der Hand hat. Den Rest erledigen die Spieler.

Ein letztes Wort zu Ihrem Vorgänger, Nicolas Huysman?

Ich habe ihn gestern (am Sonntag) angerufen und wollte wissen, wie groß der Frust bei ihm sei. Die Enttäuschung ist da. Während des Europapokals passte seine Philosophie, denn der Klub zog in die zweite Runde ein. Allerdings klemmte es dann gleich im ersten Meisterschaftsspiel in Niederkorn. Er hatte es in seiner Amtszeit nicht leicht. Sein Assistent Hugo Cabouret musste operiert werden und er stand plötzlich ohne vertrauten Co-Trainer da. Vielleicht hat es einfach nicht gepasst: sowohl er zur Jeunesse wie die Jeunesse zu ihm. Das sage ich, ohne von seinen Kompetenzen zu sprechen.

Welchen Trainertypen braucht der Verein in der Rückrunde?

Das ist eine schwere Frage. Die Jeunesse braucht jemanden, der diesen Verein versteht. Es muss jemand sein, der große Anforderungen hat und gleichzeitig versteht, dass es sich nicht um den Profibereich handelt. Für die Escher ist es sehr wichtig, nicht von den Spitzenmannschaften abgehängt zu werden. Niederkorn, Petingen oder die Fola verfügen über andere Möglichkeiten. Aber die Jeunesse muss dranbleiben. Diesen Trainerjob kann nicht ein x-beliebiger Coach machen.

Ist es positiv, dass Ehrenpromotionär Wiltz am Sonntagabend aufgrund des Schnees nicht antreten konnte?

Für Wiltz wird es eine Woche ohne Spielrhythmus. Uns bleiben sechs Tage, um uns vorzubereiten. Fest steht, dass sie an ihre Dynamik der letzten Wochen anknüpfen wollen. Sie werden Vollgas geben und mit hundertprozentiger Überzeugung gegen uns gewinnen wollen. Bei wie viel Prozent werden wir am Sonntag sein? Mit welchen Spielern? Ich habe meine Philosophie … Mehr kann ich im Moment noch nicht dazu sagen. Und der Gegner kann auch nicht viel über uns wissen.