Der Secondhand-Handelskrieg

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Sind gebrauchte Kleider Fluch oder Segen? An dieser Frage scheiden sich in Ruanda die Geister, seit der kleine Binnenstaat im Osten Afrikas massive Importzölle auf Secondhand-Textilien aus den USA verhängt hat. Die Marktstände in der Hauptstadt Kigali sind seitdem zum Brennglas für einen ungewöhnlichen Handelskrieg geworden. Als Verlierer könnten am Ende viele Ruander dastehen – und Unternehmen aus China profitieren.

Seit zehn Jahren verkaufen die beiden Freunde Celestin Twagirayezu und Mercelle Dusabe gebrauchte Kleidung auf dem Nyabugogo-Markt in Kigali. Lange Zeit laufen die Geschäfte gut: Sie expandieren und können sich Häuser kaufen und heiraten. Weltweit landet ein Achtel aller Secondhand-Kleidung in Ostafrika, ein Großteil davon aus den USA.

In der Branche arbeiten nach Angaben der US-Entwicklungsbehörde USAID rund 355.000 Menschen, die damit zusammengerechnet jedes Jahr rund 230 Millionen Dollar verdienen. Doch nach Auffassung von ostafrikanischen Staatschefs wie Ruandas Paul Kagame erstickt dieses Überangebot aus den Altkleidercontainern der Industrieländer die aufkeimende Textilindustrie im eigenen Land. Um die heimische Wirtschaft zu stärken, hat Ruanda deshalb 2016 eine massive Erhöhung der Importzölle in Kraft gesetzt. Die Abgaben für die Einfuhr gebrauchter Kleider wurden verzwölffacht; für den Import von Secondhand-Schuhen werden seitdem zehnmal so hohe Zölle fällig wie zuvor.

Diese drastischen Aufschläge kommen de facto einem Bann gleich – denn nur die wenigsten Händler können für den Neukauf von Ware große Summen vorschießen. „Die Entscheidung hat alle überrascht“, sagt Händler Twagirayezu. „Wir hatten noch einige Kleider auf Lager, aber nach einigen Monaten wurde es immer schlimmer“, sagt er. „Jetzt muss ich bald das Handtuch werfen.“

Unterstützung von einheimischen Produzenten

Ursprünglich stand Ruanda mit seinem protektionistischen Textil-Kurs an der Seite mehrerer ostafrikanischer Staaten, die sich im Kampf gegen eine Seconh-and-Importschwemme zusammengeschlossen hatten. Doch Kenia, Tansania und Uganda knickten aus Sorge vor möglicher Vergeltung ein. Sie fürchteten den Verlust von Zugang zum US-Markt nach der US-afrikanischen Handelsvereinbarung AGOA, die für einige Länder den zollfreien Export von Gütern in die Vereinigten Staaten gestattet. Ruanda beugte sich dem Druck hingegen nicht – mit dem Effekt, dass die Importe von gebrauchter Kleidung schon 2016 um ein Drittel sanken. Im März setzten die USA dem Land eine 60-Tages-Frist, um den Verlust von AGOA-Privilegien zu vermeiden.

Obwohl dieses Ultimatum bereits verstrichen ist, wurden bislang von Washington keine Gegenmaßnahmen angekündigt. Doch angesichts des „America First“-Feldzuges von Präsident Donald Trump gegen „unfaire“ Handelspraktiken scheint es nicht unbedingt wahrscheinlich, dass Ruanda ungeschoren davonkommen könnte. Die Textilindustrie des Landes entwickelt sich unterdessen noch immer zaghaft. Einige einheimische Produzenten begrüßen den Secondhand-Bann. Wenn es erst einmal genügend lokale Produzenten gebe, könnten diese auch wettbewerbsfähig sein, sagt Ritesh Patel vom ruandischen Hersteller Uterxwa.

Doch noch sei es schwierig, die Kleider günstig genug für Käufer in Ruanda und in den Nachbarländern zu produzieren. Profitieren könnten deshalb zunächst vor allem Unternehmen in China. „Beträchtliche Importe chinesischer Kleidung, sowohl gesetzmäßige als auch undeklarierte, stellen die wahre Bedrohung der ostafrikanischen Textilindustrie dar“, schlussfolgert USAID.

Anders als Twagirayezu setzt sein Freund Dusabe auf dem Markt in Kigali inzwischen auf den Verkauf von Textilien aus China. Doch wirklich besser geht es ihm damit noch nicht: „Ich habe so viele Kunden verloren“, klagt er. „Und noch immer kommen viele Leute und fragen nach Secondhand-Klamotten. Und wenn sie keine finden, kommen sie nicht wieder“ Die Menschen kauften lieber Secondhand-Kleidung, weil diese günstiger sei und besser in der Qualität, sagt dazu Twagirayezu. „Die Alternativen sind zu teuer“, sagt auch Motorradtaxifahrer Kevin Uwamahoro. Zum Kleidungskauf fährt er inzwischen über die Grenze nach Uganda – dort florieren die Gebrauchttextilmärkte noch immer.