Der lange Arm von Erdogan

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Flüchtlingen aus der Türkei droht in Südosteuropa die Auslieferung. Nicht nur Druck aus Ankara, sondern auch wirtschaftliche Interessen lassen die Balkanstaaten auffällig willfährig auf türkische Auslieferungsbegehren reagieren. Ein Feature unseres Balkan-Korrespondenten Thomas Roser.

Von unserem Balkan-Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Ob in Westeuropa anerkannte Asylbewerber auf der Durchreise, in Ungnade gefallene Geschäftsmänner oder Folteropfer: Flüchtlingen aus der Türkei droht in Südosteuropa die Auslieferung. Nicht nur Druck aus Ankara, sondern auch wirtschaftliche Interessen lassen die Balkanstaaten auffällig willfährig auf türkische Auslieferungsbegehren reagieren.

Die Fahrt zur Hochzeit eines Arbeitskollegen aus Mazedonien endete für den Berner Parkettleger Nurettin Oral in der kroatischen Abschiebungshaft. Seit über sechs Monaten schmort der im Juli an der Grenze zu Serbien verhaftete Kurde im Gefängnis von Osijek. Obwohl der ehemalige PKK-Aktivist in der Schweiz bereits seit 13 Jahren den Status eines anerkannten politischen Flüchtlings genießt, hat Kroatiens Oberster Gerichtshof im Dezember die Beschwerde gegen seine drohende Auslieferung an die Türkei abgelehnt. Begründung: Die ihm von der türkischen Justiz vorgeworfene Straftat der Bedrohung der staatlichen Einheit aus dem Jahr 1999 sei auch in Kroatien strafbar.

Von einem „Justizskandal“ spricht das kroatische Webportal index.hr: „Sie wollen Erdogan einen Kurden ausliefern, dem in der Türkei die Folter droht.“ Der Europäische Menschengerichtshof in Straßburg hat in dieser Woche eine Erklärung von der kroatischen Regierung über den Fall von Oral angefordert.

Folter-Warnungen der Anwälte finden wenig Gehör

Die Folter-Warnungen der Anwälte finden in Zagreb indes bislang genauso wenig Gehör wie das Pochen des Schweizer Außenministeriums auf die auch von Kroatien unterzeichnete europäische Flüchtlingskonvention, der zufolge anerkannte Flüchtlinge nicht ausgeliefert werden dürfen. Die Entscheidung über die Auslieferung liegt nun bei Kroatiens Justizminister Drazen Bosnjakovic – und der hält sich bedeckt. Für ihn sei das ein „Rechtsproblem“, so der Parteigänger der konservativen HDZ: Er wisse nicht, wann und wie er entscheiden werde.

Ein Einzelfall ist das Schicksal des zweifachen Familienvaters in Südosteuropa keineswegs. Weniger das Recht und Menschenrechte, sondern vor allem auch politische Kalkulationen scheinen den Umgang der Balkanstaaten mit von der Türkei erlassenen Interpolhaftbefehlen zu diktieren.

Nicht nur Druck aus Ankara, sondern auch wirtschaftliche Interessen lassen diese auffällig willfährig auf Auslieferungsbegehren reagieren: Seit dem gescheiterten Putsch gegen Staatschef Recep Erdogan im Juli 2016 drängt die Türkei im einstigen Vorhof des Osmanenreichs noch nachhaltiger auf die Überstellung ausgemachter Staatsfeinde.

Für Empörung sorgt ein Fall in Serbien

Gegen einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei streitet der derzeitige EU-Ratsvorsitzende Bulgarien. Doch zumindest im Fall des im Sommer 2016 abgeschobenen Geschäftsmann Abdullah Büyük hat Sofia selbst nach Ansicht heimischer Juristen beim Streben um bessere Nachbarschaftsbeziehungen klar überzogen. Obwohl damals zwei heimische Gerichte eine Auslieferung des von Ankara als „Verräter“ und Anhänger des Predigers Fethullah Gülen gesuchten Büyük als unrechtmäßig abgelehnt hatten, wurde der missliebige Unternehmer nach einer „Routinekontrolle“ wegen ausgelaufener Aufenthaltspapiere kurzerhand an die türkische Grenze kutschiert – und den dortigen Sicherheitsbehörden übergeben.

 

„Die Stromkabel, die türkische Polizisten an die Genitalien eines Menschen befestigen,
der in Serbien Schutz suchte, sind schlimmer als alle Elektrozäune,
die Ungarn an der Grenze errichtet hat.“

Kommentar aus der serbischen Zeitung Blic

Für Empörung hat derweil in Serbien der Fall des kurdischen Flüchtlings Cevdet Ayaz gesorgt, der trotz eindringlicher Warnungen des Anti-Folterkomitees der Vereinten Nationen im Dezember an die Türkei ausgeliefert worden ist. Wenige Wochen nach dem Staatsbesuch von Erdogan in Belgrad segnete Serbiens Justizministerin Nela Kuburovic seine Auslieferung ab, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte, dass ihm das 2001 gelegte Geständnis der Beteiligung an einem terroristischen Anschlag in türkischer Untersuchungshaft nur unter Folter abgezwungen worden sei.

Es gebe keine Zweifel, dass Ayaz in den türkischen Kerkern noch größeren Foltern ausgesetzt sein dürfte, kommentierte bitter die Belgrader Zeitung Blic. Doch wenn vermeintliche nationale Interessen im Spiel seien, zeige es sich, wie wenig den Entscheidungsträgern ein Menschenleben wert sei: „Die Stromkabel, die türkische Polizisten an die Genitalien eines Menschen befestigen, der in Serbien Schutz suchte, sind schlimmer als alle Elektrozäune, die Ungarn an der Grenze errichtet hat.“

Scholnier
24. Januar 2018 - 16.38

Spätestens seit der Einschränkung der Pressefreiheit, Inhaftierung und Berufsverbote der Gegner des Despoten Erdogan hätten unsere europäischen Politiker reagieren müssen. Vorallem die Machtstrukturen Erdogans, die ihre Tentakel weit bis nach Deutschland usw. hineingesteckt haben, stellen auch eine Bedrohung der Inneren Sicherheit unserer Länder dar.Die Nachsichtigkeit mit die man Erdogan behandelt, die Waffen die man diesem Agressor liefert, sind unverantwortliche Handlungen .Man solle nun nicht wieder den ominösen Flüchtlingsdeal mit der Türkei zitieren, die Flüchtlinge werden hier zum Druckmittel, zur Waffe gemacht. Mit Terroristen verhandelt man nicht war einst die Devise, also sollte man mit Erdogan nicht verhandeln, den Flüchtlingsdeal aufkündigen und abwarten wie sich die Situation entwickelt.Auch als Natopartner ist dieses Land untragbar geworden, es sei denn die Nato überdenkt ihre Strategie und wird vom Verteigungs- zum Angriffsbündnis.Wer einerseits Sanktionen gegen Russland,Iran,.....verhängen kann sollte dies auch mit selber Vehemenz mit der Türkei fordern.

Muller Guy
24. Januar 2018 - 13.03

Déi dichteg Landes- an EU Politiker an iwerhapt och déi aus der ganzer freier Welt verstoussen déi net all géint d'Menschenrechter wann sie neischt ennerhuelen an den Barbar Erdogan gewerden lossen. Zu DenHaag soutzen der schon an déi net méi schlemm waren. Besonnesch stéiert mech och d'Reaktion vum Här Asselborn den daffstomm schengt ze sin. Bei Polen, Ungarn an Éisterreich meckert hin an d'Welt eraus. Awer dat wat do geschitt sin nach "Peanuts" am Verglach mat denen Verbriechen vum Erdogan-Clan. (...)

Guy L.
24. Januar 2018 - 11.44

Die Gelder die die Türkei von der EU bezieht wären besser angelegt beim Bestärken der EU-Aussengrenze (Mittelmeer und Griechenland). Erdogan zu vertrauen ist verantwortungslos.

Francis Wagner
24. Januar 2018 - 11.36

Ach, und Hitler ging nicht gegen seine eigenen Leute vor? Die deutschen Juden, Sinti & Roma,Linken, Homosexuellen, Pazifisten usw., waren das keine Deutschen?

Laird Glenmore
24. Januar 2018 - 10.50

Erdogan ist schlimmer als A. Hitler weil er gegen seine eigenen Leute vorgeht (...)

René Charles
24. Januar 2018 - 10.43

Mat däitsche Panzeren asw. as ët jo einfach ee langen Arm ze hun. Mëttlerweil reecht dee bis an d'EU. https://www.ndr.de/info/sendungen/kommentare/Ruestungsexporte-auch-an-NATO-Laender-hinterfragen,panzerlieferung100.html